Chronisch am Limit arbeitende Notaufnahmen, viele Patienten, lange Wartezeiten: Die Probleme in den Krankenhäusern in Deutschland sind überall ähnlich. Über Lösungen diskutieren derzeit rund 1.800 Notfallmediziner bei einer Tagung in Augsburg. Kongresspräsident Christoph Dodt vom Klinikum München-Bogenhausen etwa treibt um, dass es in Deutschland keine Fachärzte für Notfallmedizin als solche gibt, in anderen Ländern dagegen schon.
Weiterhin geht es um die Frage, wodurch das Problem überfüllter Notaufnahmen gelöst werden kann und wie sich die Kliniken auf Patienten einstellen, die mit durch den Klimawandel bedingten Krankheitsbildern in die Notaufnahme kommen – vom Hitzschlag bis zum Giftspinnenbiss. Veranstaltet wird der Kongress von der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V., die an die 3.000 Mitglieder umfasst.
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Herzinfarkt und Nierenerkrankung: Zusätzliche Arbeit im Sommer
Neben den bisherigen Notsituationen nach Unfällen kommt auf die Krankenhäuser gerade im Sommer noch zusätzlich Arbeit zu. Darauf müssen sich die Kliniken einstellen, sagt auch die Augsburger Umweltmedizin-Expertin Claudia Traidl-Hoffmann. "Wir sehen eine Zunahme von Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenerkrankungen in Hitzeperioden. Im Jahr 2022 sind in Europa 70.000 Menschen an Hitzeerkrankungen gestorben."
Ältere oder vorerkrankte Menschen reagierten dabei besonders empfindlich. Auch Kinder oder Handwerker, die bei bis zu 42 Grad in der Sonne arbeiteten – etwa Dachdecker – seien betroffen.
Neue Krankheitsbilder durch Klimawandel
Immer öfter aber, so die Expertin, trifft es an Hitzetagen auch bis dahin völlig gesunde Menschen. Die Notfallmediziner müssen auf völlig neue Krankheitsbilder reagieren, wie etwa das Gewitter-Asthma, das erstmals in Australien beschrieben worden ist.
Die Umweltmedizinerin hat das aufgegriffen: "Und wir haben das zum Anlass genommen zu schauen, ob es das auch bei uns gibt. Und: Tatsächlich, das hat eine Studie gezeigt. In ganz Bayern." Die Asthma-Variante zeige sich gerade, wenn es gewittere und die Pollenkonzentration hoch sei. Dann würden Menschen, die völlig gesund seien, auf einmal lungenkrank. Diese Form sei den Ärzten oft noch nicht bekannt – das sei ein Problem.
Richtige Selbsteinschätzung entlastet Ärzte
Wann muss ich in die Notaufnahme und wann nicht? Eine Frage, die sich viele Menschen nach einem Unfall oder in einer gesundheitlich schwierigen Situation stellen. Mediziner Dodt stellt klar: "Wenn man merkt, dass der Lebensfaden dünner wird, dann muss man auf jeden Fall die 112 wählen und mit dem Notarzt ins Krankenhaus." Für diejenigen, die sich nicht sicher seien, wo sie richtig aufgehoben sind, gebe es mit der 116117 eine fachkundige Beratung. Mithilfe eines Fragenkatalogs werde schnell klar, ob auch ein Besuch beim Hausarzt ausreiche oder nicht. Tiefe Schnittwunden, bei denen nicht klar ist, ob eine Sehne verletzt sei, seien aber definitiv ein Fall für die Notaufnahme.
Dodt: Brauchen feste Bettenkontingente für Notfälle
Damit die Notaufnahmen auch eine schnelle und ausreichende Versorgung garantieren können, müsse Dodt zufolge jedes Krankenhaus eine feste Zahl an Notfallbetten vorhalten. Wie so oft liege es an der Finanzierung. Für ein durchgehend belegtes Bett bekomme eine Klinik einfach auch mehr vergütet. Dabei könne man die Zahl der Notfallpatienten in einer Region relativ leicht einschätzen. Diese schwanke um etwa zehn Prozent.
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