Mohammed Al-Quadi arbeitet seit knapp vier Monaten in der Bio-Bäckerei Polz in Ampermoching im Landkreis Dachau als Aushilfskraft. Er mache seine Arbeit gerne, sagt der 25-Jährige aus dem Jemen. Aber die Kommunikation mit seinen Kollegen gestaltet sich schwierig. Seine Deutschkenntnisse sind gering. Eine ehrenamtliche Lehrerin unterrichtet ihn. Eine Stunde pro Woche – zu wenig, um gut Deutsch zu lernen. Damit stehen auch seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz oder eine feste Arbeitsstelle schlecht. Am liebsten würde er eine Ausbildung zum Feuerwehrmann machen.
Ohne Sprachkenntnisse wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Vergangenes Jahr hat Al-Quadi einen Integrationskurs begonnen. Da er nebenbei als Putzkraft gejobbt hat und sich die Arbeits- und Kurszeiten überschnitten haben, konnte er den Kurs nicht weiter besuchen. Nun will er im März einen neuen Kurs beginnen, der zu seinen Arbeitszeiten passt. Deutsch lernen und arbeiten, beides sei für ihn wichtig, um nicht vom Staat abhängig zu sein.
Seit 2015 stellt die Bäckerei Polz Geflüchtete ein, denn einen Bäcker zu finden sei schwer, erklärt Senior-Chef Thomas Polz. Ohne Arbeitsmigranten und Geflüchtete könnte er den Betrieb in der Produktion nicht aufrechterhalten. Im Nachbarort Hebertshausen gibt es eine Asylbewerberunterkunft. Von dort, so Polz, hätten sie viele Geflüchtete rekrutiert. Wenn es die Sprachkenntnisse zuließen, machten einige auch eine Ausbildung bei ihm.
Sprache als Schlüssel zum Arbeitsmarkt
Zuwanderer sind auf dem Arbeitsmarkt in vielen Bereichen unentbehrlich. Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass Sprachförderung eine Schlüsselrolle bei der Integration in den Arbeitsmarkt spielt. Einer noch nicht veröffentlichten, repräsentativen Studie des IAB zufolge sind für zwei Drittel der Unternehmen gute Deutschkenntnisse bei der Einstellung wichtig. Sie erwarten ein gewisses Sprachniveau. Die Bewerber sollten komplexere Sprache verstehen, wie das zum Beispiel auch bei einer Ausbildung erforderlich ist. Diese Anforderung liegt allerdings über dem Niveau eines Integrationskurses.
Mehr Geld in Sprachkurse zu investieren, zahle sich in der Folge durch besser bezahlte Jobs aus, so Wissenschaftler Sekou Keita vom IAB: "Langfristig würde das auch dem Staat mehr Steuern und Sozialbeiträge durch höhere Löhne einbringen."
Das sieht die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern ganz ähnlich. Gute Deutschkenntnisse seien zentral, um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben. "Eine langfristige und bedarfsgerechte Finanzierung der Kurse ist deshalb aus Sicht der Wirtschaft zwingend geboten", heißt es.
Längere Wartezeiten auf Integrationskurse
Ein großer Anbieter von Integrationskursen sind die Volkshochschulen. Doch dort herrscht derzeit Unsicherheit. Für dieses Jahr steht deutlich weniger Geld für Integrationskurse zur Verfügung als vergangenes Jahr. Sprachkursanbieter hätten also keine Planungssicherheit, so Regine Sgodda vom Bayerischen Volkshochschulverband. "Diese Salamitaktik ist für Volkshochschulen, für Lehrkräfte und natürlich auch Teilnehmende zermürbend. Wir müssen also warten, bis sich die neue Bundesregierung zurechtgerüttelt hat und dann noch einmal verhandeln."
Ein weiterer Einschnitt: Die Teilnehmer können nur noch in Einzelfällen Kursabschnitte von Integrationskursen wiederholen, bevor sie den Deutschtest für Zuwanderer mit dem Sprachniveau B1 ablegen. Im 1. Halbjahr 2024 hat knapp ein Viertel den Test erst durch Wiederholen von Kursabschnitten bestanden. Also, keine zweite Chance mehr für Menschen, die sich schwertun beim Deutschlernen. Ein weiteres Nadelöhr sind lange Wartezeiten: Während es in den meisten Fällen mehrere Monate sind, kann es manchmal auch länger als ein Jahr dauern, bis es einen Platz in einem Integrationskurs gibt. Von der Ankunft in Deutschland bis zur Integration in den Arbeitsmarkt können so auch mal ein paar Jahre vergehen.
BAMF: Angebot ist ausreichend
Der BR hat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nachfragt. Laut der Behörde beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Kurs deutschlandweit rund sieben Wochen. Zudem stünden bundesweit ausreichend Plätze zur Verfügung, schreibt das Bundesamt. Trotzdem: Die Realität zeigt, dass der Weg zu einem Integrationskurs lang sein kann – je nach Wohnort und Gegebenheiten.
Mohammed Al Quadi wird seinen Integrationskurs demnächst beginnen. Damit kommt er seinem Wunsch näher, die Menschen in Deutschland besser zu verstehen und eine Arbeit zu finden.
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