Helmut Steber ist Betriebsleiter von Gut Eichethof in Hohenkammer. Der oberbayerische Biobauernhof produziert seit 1992 nach Naturland-Standard. Alles, was hier auf knapp 300 Hektar angebaut wird, kommt ganz ohne Pflanzenschutzmittel aus, denn er darf keine chemisch-synthetischen Spritzmittel verwenden.
Seit vergangenem Jahr muss Steber trotzdem 20 Prozent höhere Beiträge in die Berufsgenossenschaft zahlen. Der Grund: Parkinson gilt als mögliche Berufskrankheit für Landwirte – verursacht durch den regelmäßigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Deshalb fürchtet die Unfallversicherung, dass höhere Kosten auf sie zukommen. Allerdings: Biolandwirte wie Steber haben dieses Risiko nicht.
Pflanzenschutzmittel können Parkinson auslösen
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten beim Bundesarbeitsministerium hat sich durch die Studienlage gearbeitet und kam zum Ergebnis, dass ein "Zusammenhang zwischen Pestiziden aller Substanzgruppen und der Entstehung einer Parkinson-Erkrankung gezeigt werden" konnte. Die Sachverständigen sehen ein "deutlich erhöhtes Risiko bis hin zur Risikoverdopplung für ein pestizidbedingtes Parkinson-Syndrom".
Erkrankt ein Landwirt an Parkinson, gilt das aber nicht automatisch als Berufskrankheit. Er kann dann individuell bei der Berufsgenossenschaft den Antrag stellen, die Erkrankung als Berufserkrankung anerkennen zu lassen.
Berufsgenossenschaft prüft Parkinson-Erkrankungen bei Landwirten
Deutschlandweit ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) dafür zuständig, bei Landwirten im individuellen Fall zu prüfen, ob die Parkinson-Erkrankung auf den Beruf zurückgeht. Der SVLFG liegen inzwischen gut 8.000 Fälle vor, bei denen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die Ursache für die Krankheit sein könnte.
Von den gut 8.000 wurden zirka 3.000 "auf Wunsch der Betroffenen respektive aufgrund fehlender Mitwirkung abgelehnt", so ein Sprecher der SVLFG. Bei etwa 2.000 weiteren Betroffenen hat sich die geforderte Diagnose "primäres Parkinsonsyndrom" nicht bestätigt. Deshalb "wurden die Fälle wegen Nichterfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen abgelehnt". Derzeit sind nach Angaben der Berufsgenossenschaft noch etwa 3.000 Fälle in der "laufenden Bearbeitung und Prüfung".
Protest von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft
Bei der Berufsgenossenschaft erwartet man durch solche Ansprüche offenbar deutlich höhere Kosten. Denn zum Jahreswechsel wurden die Beiträge für Landwirte um 20 Prozent erhöht. Zwölf Prozent gehen auf die erwarteten Kosten durch Parkinson-Patienten zurück. Gegen diese Beitragssteigerung regt sich jetzt Protest.
So erklärte die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft e.V. (AbL), Parkinson als Berufskrankheit anzuerkennen, sei richtig. Allerdings sei es unfair, die "Kosten dafür auf alle Bäuerinnen und Bauern umzulegen". Reine Grünlandbetriebe und ganz besonders Bio-Betriebe müssten damit Kosten tragen, die sie nicht verursacht hätten. Hier müsse das Verursacherprinzip gelten "und die Hersteller der Pflanzenschutzmittel oder die Zulassungsbehörden von der Berufsgenossenschaft zur Kasse gebeten werden".
Auch Biolandwirte zahlen höhere Beiträge zur Berufsgenossenschaft
Biolandwirt Helmut Steber muss nun die erhöhten Beiträge in die landwirtschaftliche Sozialversicherung zahlen, also 20 Prozent mehr. Auch er fordert jetzt die Kostenübernahme nach dem Verursacherprinzip. Es könne nicht angehen, dass Landwirte für einen Fehler haften, den sie nicht zu verantworten hätten.
Auf Nachfrage erklärt die SVLFG, warum Biolandwirte ebenfalls den hohen Beitrag zahlen müssen: "Betriebsmittel müssen stets von allen Mitgliedern solidarisch über die Risikobeiträge finanziert werden. Hier greift das Solidarprinzip." Biolandwirt Helmuth Steber findet das nicht richtig. Er überlegt, sich zu wehren, sollten die erhöhten Beitragssätze dauerhaft gelten. Es könne nicht sein, dass auch diejenigen dafür zahlen, die die riskanten Pflanzenschutzmittel gar nicht einsetzen.
Nachweis für Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
Mindestens 100 Tage müssen Landwirtinnen und Landwirte Pflanzenschutzmittel ausgebracht haben, über ihr gesamtes Berufsleben verteilt – dann kann eine Parkinson-Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden. Von Seiten der Berufsgenossenschaft heißt es dazu: "Oft lassen sich Anwendungen nur noch schwer nachweisen. Fehlen Belege wie Spritzpläne oder Quittungen, wird im Einzelfall geprüft, ob andere Quellen herangezogen werden können. Hier ist es insbesondere hilfreich, wenn die Betroffenen zumindest Angaben zur Betriebsstruktur in der Vergangenheit machen können und welche Kulturarten überwiegend bewirtschaftet/behandelt wurden."
Ob die Berufsgenossenschaft mit den höheren Beiträgen richtig kalkuliert hat, ist noch völlig unklar. Wie viele Landwirte von Parkinson als Berufskrankheit geltend machen können, steht noch nicht fest.
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