Die Oberammergauer waren gespannt vor der Bürgerversammlung am Montagabend (04.11). Christian Stückl, der schon die vergangenen vier Passionsspiele inszenierte, sollte sein Konzept für die nächste Passion 2030 vorstellen. Doch mehr als der Inhalt schien die Bürger eine andere Frage zu beschäftigen: die Zusammenarbeit zwischen Stückl und seinem Herausforderer und bisherigem Stellvertreter Abdullah Karaca.
Zerwürfnis zwischen Stückl und Karaca
Ursprünglich war geplant, dass bei der Versammlung alle Bewerber ihr Konzept vorstellen und der Gemeinderat dann in einer nicht-öffentlichen Sitzung den nächsten Spielleiter bestimmt. Nachdem sich Stückl und Karaca überworfen hatten und es fast zu einem Bürgerbegehren für Stückl als Spielleiter gekommen wäre, hieß es vor einem Monat, die beiden hätten sich geeinigt. Würde Karaca also überhaupt zur Bürgerversammlung kommen? Oder könnten die beiden vielleicht sogar ein gemeinsames Konzept vorstellen?
Wer erster Spielleiter wird, scheint klar
Karaca war da. Doch hinterm Rednerpult stand er nicht. Er saß in der ersten Reihe und hörte gemeinsam mit den etwa 150 Bürgerinnen und Bürgern aus Oberammergau Stückl bei dessen Vision für die Passionsspiele 2030 zu. Wer Spielleiter der Passion 2030 wird, scheint damit klar. Das deutet auch Oberbürgermeister Andreas Rödl nach Stückls Auftritt an. Offiziell entscheidet der Gemeinderat allerdings erst am kommenden Mittwoch (06.11.), wer der erste Spielleiter wird.
Karaca zeigt sich nach der Versammlung pragmatisch, was die Zusammenarbeit angeht: Es gehe jetzt nicht um seine persönliche Empfindung, sondern man konzentriere sich auf den Inhalt. Da gebe es Themen, die für ihn genauso wichtig seien wie für Stückl.
Keine Neuinszenierung, aber eine Weiterentwicklung
Ein Konzept für eine Inszenierung, die erst in fünfeinhalb Jahren Premiere feiern soll? Dafür sei es zu früh, sagt Stückl bei seiner Vorstellung. Denn für ihn ist klar: “Man muss den Stoff immer weiterdrehen, weil die Welt sich weiterdreht.”
Trotzdem konnte er am Montagabend schon erste Ideen vorstellen. So will er verschiedene Figuren weiterentwickeln, allen voran die des Jesus. Stückl stellt sich die Frage: “Was ist Jesus heute? Ist er Sozialarbeiter? Ist er Streiter für Gerechtigkeit?” Sein provokanter Jesus der letzten Passionsspiele 2022 sei vielen “zu laut” gewesen, sagt er. Außerdem sei ihm wichtig, dass antisemitische Tendenzen aus früheren Passionsspielen gänzlich verschwinden, und er will Frauenrollen im Stück stärken – ein Thema, das auch Karaca wichtig sei.
Grundsätzlich werde er jedoch weiterführen, was er über die letzten Jahrzehnte entwickelt hat. Eine komplette Neuinszenierung plant Stückl also nicht. Er setzt auch weiter auf die bewährte Zusammenarbeit mit Bühnenbildner Stefan Hageneier und dem musikalischen Leiter Markus Zwink.
Herausforderung: Ein junges Publikum ansprechen
Stückls Ziel ist es, die Passionsspiele attraktiver für ein jüngeres und säkuläres, weniger christlich geprägtes Publikum zu machen. Denn es werde immer schwerer, die Passion zu füllen, also genug Karten zu verkaufen. Die letzten Passionsspiele 2022 besuchten über 400.000 Menschen.
Am Ende der Bürgerversammlung gibt es keine Fragen aus dem Publikum – ungewöhnlich für Oberammergau. So beginnt der Ort scheinbar geschlossen das kommunale Großprojekt Passion 2030.
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