Das Stiftungskrankenhaus in Nördlingen.
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Patientenrechte in Nördlinger Klinik: Ist das Wahlfreiheit?

Patientenrechte in Nördlinger Klinik: Ist das Wahlfreiheit?

Patienten dürfen ihr Sanitätshaus bei Behandlungen im Krankenhaus frei wählen. Im Nördlinger Krankenhaus scheint das aber gar nicht so einfach. Darüber berichtete der BR Anfang des Jahres. Was hat sich seitdem getan?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Mit einem gebrochenen Oberarm liegt die Patientin im Nördlinger Krankenhaus. In der Mittagszeit betritt ein Arzt das Zimmer und fragt: "War denn das Sanitätshaus F. schon da?" Als die Patientin verneint, fügt der Arzt hinzu, dass die sowieso immer im Haus seien und da würde heute noch jemand kommen und "das nötige Equipment" mitgeben. Es geht um einen Stuhl für daheim, mit dem sich der gebrochene Arm besser lagern lässt.

Patienten dürfen sich Sanitätshaus laut Gesetz frei aussuchen

So erzählt es die Enkelin, die am Krankenbett die Situation mitbekommt. Sie und ihre Großmutter kennen die Recherche des BR, wonach im Nördlinger Krankenhaus Patienten offenbar gezielt an ein bestimmtes, ortsansässiges Sanitätshaus verwiesen wurden – obwohl sich Patienten laut Gesetz ein Sanitätshaus eigentlich frei aussuchen dürfen. Die Patientin und Enkelin nennen dem Arzt deshalb ein anderes Sanitätshaus, das den Stuhl liefern soll. Die Folge: Kein Besuch eines Sanitätshausmitarbeiters am Krankenbett. Stattdessen bekommen sie das Rezept in die Hand gedrückt und müssen sich selbst um die Beschaffung kümmern.

Lager im Krankenhaus wird ausschließlich vom Sanitätshaus F. bestückt

Das ist nicht der einzige Fall der darauf hindeutet, dass die Wahlfreiheit für Patienten im Nördlinger Krankenhaus nicht so gewährleistet wird, wie sie müsste. Drei weitere Patienten und Angehörige haben dem BR berichtet, dass sie keine Wahl hatten, als sie vom Krankenhaus mit Krücken oder stützenden Bandagen versorgt wurden. Alle Patienten haben die Richtigkeit ihrer Angaben gegenüber dem BR bestätigt. Ihre Hilfsmittel bekamen sie aus einem Lager im Krankenhaus – das laut Klinik ausschließlich von dem Nördlinger Sanitätshaus F. bestückt wird.

Depots nur für Notfälle zulässig

Laut Gesetz sind solche Depots für Notfälle zulässig. Ein Notfall ist dabei klar definiert. Patienten, die stationär aufgenommen werden, also im Krankenhaus übernachten, gelten laut dem Spitzenverband der Krankenkassen GKV nicht mehr als Notfall. Solche Patienten müssten die Wahlfreiheit in Sachen Sanitätshaus haben. Auch die drei Patienten, deren Fälle der BR dokumentiert hat, waren stationär im Krankenhaus.

Krankenhaus kann beschriebene Praxis "nicht bestätigen"

Bei den ersten Recherchen des BR Anfang des Jahres hatte das Krankenhaus das Hilfsmitteldepot noch als "Box mit Krücken" beschrieben. Mit den neuen Recherchen konfrontiert, ermöglicht der Krankenhauschef dem BR einen Besuch vor Ort. Dabei wird klar, dass in dem Depot dutzende Hilfsmittel für verschiedenste Verletzungen lagern. Das Krankenhaus teilt dem BR mit, es könne nicht bestätigen, dass Hilfsmittel aus dem Depot regelmäßig an stationär aufgenommene Patienten gingen. Das Sanitätshaus F. ließ eine Anfrage des BR unbeantwortet.

Krankenschwester: Anderes Sanitätshaus nicht erreichbar

Neben dem Sanitätshaus F. gibt es im Nördlinger Ries nur noch ein zweites Sanitätshaus. Nach eigenen Angaben bekommt dieses zweite Sanitätshaus S. kaum Aufträge von Patienten aus dem Nördlinger Krankenhaus. Einen möglichen Grund dafür verdeutlicht ein Fall aus dem Frühjahr, den eine Patientin dem BR schildert. Sie liegt nach einem Unfall im Nördlinger Krankenhaus und empfiehlt ihrer Zimmergenossin, sich vom Sanitätshaus S. versorgen zu lassen. "Aber dann ist die Krankenschwester später wiedergekommen und hat gesagt: Sie kriegt jetzt eine Orthese von der Firma F., weil bei der Firma S. geht niemand ans Telefon. Und das hätten sie ständig, denn die hätten keinen Notdienst", berichtet es die Frau dem BR.

Doch im Krankenhaus hat sich an dem betreffenden Samstag offenbar niemand die Mühe gemacht, beim Sanitätshaus S. überhaupt anzurufen. Das belegen die Anruflisten des Sanitätshauses S. Dem BR liegen die Listen vor. Darauf findet sich kein Anruf aus dem Nördlinger Krankenhaus. Der Inhaber des Sanitätshauses, Michael Schmitz, stellt klar: "Wir haben eine Notdienstnummer und sind dazu auch verpflichtet."

Zweites Sanitätshaus bekommt kaum Aufträge von Klinik-Patienten

Laut dem Sanitätshaus S. kommen von Patienten aus dem Nördlinger Krankenhaus so gut wie keine Aufträge rein. Pro Monat seien es meist weniger als zehn. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in der Nördlinger Klinik insgesamt 10.000 Patienten stationär behandelt.

Nach BR-Bericht: Innenrevision im Krankenhaus

Das Nördlinger Krankenhaus teilt mit, dass nach der BR-Berichterstattung im Februar die Beschäftigten bezüglich der Auswahlmöglichkeiten der Patienten "sensibilisiert" worden seien. Es habe eine Innenrevision durch externe Juristen gegeben. Das Ergebnis laut Krankenhaus: Die Prozesse der Hilfsmittelverordnung sind grundsätzlich ordnungsgemäß. Trotzdem musste ein Formular überarbeitet werden. Darauf war ursprünglich das Sanitätshaus F. als einziges Sanitätshaus zum Ankreuzen bereits vorgedruckt, wie der BR aufgedeckt hatte.

Sanitätshaus F. von Klinik-Homepage gelöscht

Bis zu einer Anfrage des BR war das Sanitätshaus F. auch als Kooperationspartner auf der Homepage des Krankenhauses genannt worden. Dabei ging es um das Endoprothetikzentrum der Klinik. Mittlerweile ist das Sanitätshaus F. von der Homepage verschwunden. "Hier danken wir Ihnen für Ihren Hinweis, dass die Homepage nicht den aktuellen Stand wiedergab", teilt das Krankenhaus dazu mit.

Wahlfreiheit wohl auch vom Einzelfall abhängig

Ob und wie die Wahlfreiheit der Patienten gewährleistet ist, hängt wohl auch vom Einzelfall ab. So berichtet eine Patientin: Als sie einen Kompressionsstrumpf benötigt, fragt sie den Arzt: "Wo gehe ich denn am besten hin?" Das sei von ihr eine Fangfrage gewesen. Aber der Arzt habe in einem Satz beide Nördlinger Sanitätshäuser als mögliche Anlaufstelle genannt.

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