Nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts vergangene Woche sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) es wieder: "Ich fordere dringend einen Stopp des Rückbaus von Isar 2. Noch ist es nicht irreversibel. Ist mit Aufwand verbunden, keine Frage. Aber ich glaube, dass es ohne Kernenergie, langfristig ohne Kernfusion, nicht geht." Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) befürwortet eine Wiederinbetriebnahme – obwohl diese dauern würde: "Die Einschätzung ist derzeit drei bis vier Jahre. Und Kosten von mehreren Milliarden Euro", sagte er am Mittag in München.
Aber was müsste alles passieren, damit das stillgelegte niederbayerische Atomkraftwerk Isar 2 wieder Strom produziert? Die fünf Punkte auf der To-do-Liste:
1. Den Abbau stoppen
Ende März hat die zum Eon-Konzern gehörende Betreiberfirma Preussen Elektra vom bayerischen Umweltministerium die Genehmigung zum Rückbau von Isar 2 bekommen, seitdem arbeitet sie mit Hochdruck daran. Den Reaktor möglichst schnell zurückzubauen, ist für das Unternehmen wichtig, weil jede Verzögerung Geld kostet, und es ist auch eine Verpflichtung nach dem Atomgesetz.
Dieses Atomgesetz müsste eine neue Bundesregierung schnell ändern. Die CSU müsste davon mögliche Koalitionspartner, zum Beispiel die SPD, überzeugen. Aber auch die eigene Schwesterpartei: CDU-Chef Friedrich Merz hat zwar angekündigt, eine Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken "vorurteilsfrei zu prüfen", aber mit dem Hinweis: "Da mache ich ein großes Fragezeichen hinter."
Wichtig: Das Atomgesetz zu ändern, reicht nicht aus. Denn Preussen Elektra hat eine rechtsgültige Rückbaugenehmigung, die dem Konzern nicht zu nehmen ist. Eine Regierung müsste die Firma überzeugen, darauf freiwillig zu verzichten. Wahrscheinlich mit Geld.
2. Einen Betreiber für das Atomkraftwerk finden
Das wird nicht leicht, denn der bisherige Betreiber Preussen Elektra erklärt eine Wiederinbetriebnahme von Isar 2 für "ausgeschlossen". Eine Unternehmenssprecherin betont auf BR-Anfrage: "Wir konzentrieren uns voll und ganz auf den zügigen Rückbau." Von der Politik will man sich nicht noch einmal umstimmen lassen, das hatte der Konzern bereits vor etwa einem Jahr deutlich gemacht. Auch die anderen deutschen Atomkonzerne wollen keine Reaktoren mehr betreiben.
Wenn sie und vor allem Preussen Elektra auch gegen viel Geld ihre Meinung nicht ändern, müsste eine Regierung in Bund oder Land Isar 2 – einschließlich aller Verpflichtungen und Risiken – verstaatlichen. Direkter Betreiber des Atomkraftwerks darf der bayerische Staat allerdings nicht werden, weil er gleichzeitig Aufsichtsbehörde ist. Man müsste eine halbstaatliche Lösung mit einer ausgegründeten Betreiberfirma finden – oder das Kraftwerk an einen Betreiber im Ausland weiterreichen.
3. Demontierte Teile wiederherstellen
Einige wesentliche Teile des Atomkraftwerks Isar 2 sind, wie gesagt, bereits herausgenommen. Nach Angaben des Betreibers sind unter anderem alle vier Hauptkühlmittelpumpen aus dem primären Kühlkreislauf entfernt, außerdem die Dampfleitungen zwischen Reaktor und Turbine. Die Demontage des Reaktordruckbehälters steht bevor, hat aber noch nicht begonnen.
Zerstörte Teile müssten wiederbeschafft und ersetzt werden. Nach Ansicht von Experten ist das zwar möglich, den zeitlichen und finanziellen Aufwand beziffern will von den beteiligten Firmen jedoch keine. In Kreisen der bayerischen Reaktorsicherheitskommission schätzt man sehr grob eine höhere dreistellige Millionensumme bis zu einer Milliarde Euro. Die Beschaffung neuer Brennstäbe wäre dabei eine vergleichsweise machbare Aufgabe.
Im Video: Isar 2 wieder in Betrieb nehmen - eine To-Do-Liste in fünf Punkten
4. Sicherheitsauflagen erfüllen
Nur den bisherigen Zustand vor der Stilllegung von Isar 2 wiederherzustellen, würde nicht reichen. Die Betriebsgenehmigung ist erloschen. Wenn Isar 2 zur Wiederinbetriebnahme eine Neugenehmigung braucht – wozu es unter Atomkraftexperten unterschiedliche Ansichten gibt –, müsste der Reaktor dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Das würde praktisch einen Neubau voraussetzen.
Auch wenn eine neue Bundesregierung weniger strenge Maßstäbe ansetzt, wird zumindest die sogenannte "Periodische Sicherheitsüberprüfung" Pflicht. Sie ist alle zehn Jahre in EU-Recht festgeschrieben. Für Isar 2 ist sie seit 2019 überfällig. Dabei würden wahrscheinlich zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben. Das bedeutet einen zusätzlichen Aufwand an Zeit und Geld, den auf BR-Nachfrage niemand abschätzen kann oder will.
5. Personal finden und ausbilden
Das nach Ansicht vieler Atomkraftexperten schwierigste Problem wäre, das nötige Personal zu finden. Laut Preussen Elektra reicht die verbliebene Belegschaft nicht mehr, um Isar 2 zu betreiben. Ausbildungsgänge müssten wiederbelebt werden, das nötige Simulator-Zentrum in Deutschland ist aufgelöst. Schichtleiter zum Beispiel brauchen ein Ingenieursstudium plus danach eine drei- bis vierjährige Ausbildung.
Außerdem: Lösung für Atommüll finden
Die Suche nach einem Endlager für den deutschen Atommüll läuft schon seit Jahren und wird noch Jahrzehnte dauern. Wenn nun noch mehr strahlendes Material produziert wird, ändern sich die Rahmenbedingungen. Es muss geregelt werden, um wie viel das Endlager größer sein muss. Und wer dafür bezahlt.
Dieser Artikel ist erstmals am 19.11.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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