Ein Plakat steht auf einer Wiese. Darauf werben mehrere Parteien für ein "Ja" zum "Grünen Gewerbepark".
Bildrechte: BR/Daniela Olivares

Als "grünen Gewerbepark" bewirbt die Stadt Pfaffenhofen ein geplantes Industriegebiet. Demnächst entscheiden darüber die Bürger.

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Pfaffenhofen entscheidet: Geht Industriegebiet auch grün?

Die künftige Nutzung mehrerer Hopfengärten in Pfaffenhofen stößt auf geteiltes Echo. Die Mehrheit im Stadtrat plant dort ein Industriegebiet und bewirbt das als ökologisches Vorzeigeprojekt. Für eine Bürgerinitiative ist das schlicht Flächenfraß.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Die Plakate sind im Stadtgebiet omnipräsent. Sie alle bewerben den "grünen Gewerbepark" und versprechen "Mehrwert", also mehr Gewerbesteuer und damit mehr Geld für Kitas, Schulen, den kostenfreien Stadtbus, Kultur, Sport und Freizeit. Selbst eine eigene Webseite hat das Projekt "Kuglhof2". Die Befürworter, vor allem die Investorin, die Herkules Grund & Boden GmbH vom Tegernsee, nehmen schon jetzt viel Geld in die Hand.

Die Gegner des 38 Hektar großen Industrie- und Gewerbegebiets haben dagegen kaum Mittel zur Verfügung. Sie informieren an den kommenden Samstagvormittagen an einem Stand auf dem Pfaffenhofener Wochenmarkt und bieten jeden Samstagnachmittag ab 14 Uhr Ortsbegehungen am Wanderparkplatz im Schindelhauser Forst.

Bürger entscheiden am 2. April

Unter der Bezeichnung Schindelhauser Forst kennen die Bürger das Areal. Der angrenzende Wald ist bei Spaziergängern und Joggern beliebt. Die Laufstrecken bleiben erhalten, aber die Hopfengärten vor dem Forst werden verschwinden, wenn sich beim Bürgerentscheid am 2. April und beim gleichzeitig stattfindenden Ratsbegehren eine Mehrheit für das neue Industrie- und Gewerbegebiet finden sollte.

Landwirt Mario Sebald wird dagegen stimmen. Der Bauer hat sein Land, das direkt am geplanten Industriegebiet liegt, nicht an den Investor verkauft. Er greift sich ein Stück Erde aus dem Hopfengarten und sagt: "Diese Erde hier zählt zu den besten Böden im ganzen Landkreis." Er will seine Hopfengärten weiter bewirtschaften und für nachfolgende Generationen erhalten.

Bürgermeister: Kuglhof2 schafft mehr Biodiversität

Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) kann Sebalds Argument nicht folgen. Nach seiner Überzeugung wird es auf dem potenziellen Industrie-Areal mehr Artenvielfalt geben als aktuell in den Hopfengärten: "Wenn es aus ökologischen Gründen ist, dann muss man feststellen, dass hier mit diesen Festsetzungen im Vergleich zur jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung deutlich mehr ökologische Werte und Biodiversität geschaffen werden."

Der Bürgermeister verweist auf die sehr lange Liste der Auflagen, die jeder Betrieb erfüllen muss, der sich im geplanten Gebiet niederlassen will. Geregelt werden diese Auflagen, soweit möglich, im Bebauungsplan. Den Rest der Auflagen will die Stadt vertraglich regeln. So sollen auf allen Dächern zwingend Photovoltaik-Module aufgestellt werden. Zudem ist Dachbegrünung mit heimischen Pflanzen Pflicht. Vorgeschrieben werden soll auch eine Fassadenbegrünung. Auflagen gibt es außerdem zur Gestaltung von Trockenrasenflächen und Versickerungsmulden "bis hin zur wasserlosen Klospülung und Bewegungsmeldern bei der Hofbeleuchtung", führt Bürgermeister Herker weiter aus und findet, dass das Projekt Kuglhof2 deshalb die Bezeichnung "grüner Gewerbepark" verdient. "In der Form gibt es kein zweites biodiverses Gewerbegebiet in der ganzen Region".

Bund Naturschutz nennt "grünen Gewerbepark" ein Märchen

Für die Vorsitzende der Ortgruppe des Bund Naturschutz Christine Janicher-Buska ist diese Bezeichnung dagegen ein Etikettenschwindel. Das Baurecht kenne nur Gewerbe- und Industriegebiete und keinen "grünen Gewerbepark". Schon der Ausdruck "Park" wecke falsche Assoziationen. Schließlich dürften hier Gebäude entstehen, die bis zu 23 Meter hoch und jeweils 300 Meter lang und breit sein könnten. Außerdem dürften dort 80 Prozent des Bodens versiegelt werden. Den Begriff "grün" verweist sie in diesem Kontext in den Bereich der Märchen.

"Nur weil ich ein paar Dächer mit Substrat behandle, sodass die Dächer begrünt sind, ist das noch kein grüner Gewerbepark“. Christine Janicher-Buska, BN Ortsvorsitzende Pfaffenhofen

Weil der Bund Naturschutz sich gegen Kuglhof2 stellt, ist die Stadt mittlerweile aus der Naturschutzorganisation ausgetreten.

Nur zwei Stadträte gegen das geplante Projekt

Christine Janicher-Buska hat die Interessengemeinschaft "Stoppt den Flächenfraß am Kuglhof" (IG) gegründet. Sie wird unterstützt von Manfred Mensch Mayer, einem der beiden Stadträte, die gegen Kuglhof2 sind. Alle anderen Stadträte haben für das Projekt gestimmt, quer durch alle Parteien. Manfred Mensch Mayer hingegen wertet das geplante Industrie- und Gewerbegebiet als "reine Klimaschleuder". Kuglhof2 würde in seinen Augen die jahrzehntelangen Anstrengungen Pfaffenhofens in Sachen Nachhaltigkeit zunichtemachen. Dieses Industrie- und Gewerbegebiet habe eine "eklatant schlechte Ökobilanz", sagt Mayer. "Die notwendigen Erdbewegungen, die ganzen Bauten, die errichtet werden, ziehen so viele Ressourcen und verbrauchen so viel Energie, dass das Klimaziel, das sich Pfaffenhofen sehr engagiert gesetzt hat – nämlich 2035 eine neutrale Klimabilanz zu haben – absolut nicht zu erreichen wäre“.

Die Stimmen für einen Bürgerentscheid haben Manfred Mensch Mayer und Mitglieder des BN leicht zusammengetragen. Dennoch gibt es neben den Stadträten sehr viele Befürworter des Industriegebiets. Zahlreiche heimische Betriebe unterstützen das Vorhaben. Darunter ein Bauunternehmer und eine Brauerei. Auch die Post will laut Bürgermeister Thomas Herker raus aus der Stadt. Für den Bürgermeister sind das mehrere gute Nachrichten auf einen Schlag. In der Innenstadt entstünde Platz für Wohnraum. Außerdem hat er schon genügend Anfragen für rund ein Drittel von Kuglhof2. Das Areal, das als Gewerbegebiet ausgewiesen werden soll, ist damit schon rappelvoll. Freie Flächen gibt es noch im Industriegebiet. Ein Teil davon verbleibt bei der Investorin vom Tegernsee, der Herkules Grund & Boden GmbH, für Neuansiedlungen. Der Rest soll der Stadt "für die nächsten Jahrzehnte als Reserve dienen, um interessante Unternehmen in Pfaffenhofen ansiedeln zu können", erklärt der Bürgermeister. Der möchte möglichst viele Betriebe mit Zukunftstechnologien in die Stadt holen.

Bürgermeister will keine Podiumsdiskussion

Christine Janicher-Buska zweifelt die Umsetzbarkeit dieses Vorhabens an und glaubt nicht, dass sich die vielen Auflagen "in der Praxis wirklich in vollem Umfang überprüfen lassen". Für sie ist der große Industriepark "ein unglaublicher Flächenfraß". Sie fürchtet auch den zusätzlichen Verkehr, den ein Mehr an Unternehmen und Menschen für Pfaffenhofen bringen würde.

Die Fronten zwischen den Befürwortern und Gegnern des Projekts sind verhärtet. Eine Podiumsdiskussion, an der auch Manfred Mensch Mayer beteiligt wäre, lehnt der Bürgermeister ab. Die Pfaffenhofener haben somit keine Gelegenheit, eine Diskussion zu erleben, bei der gleichzeitig Argumente Pro und Contra zu hören sind. Abstimmen sollen die Bürger am 2. April. Vorher wird wohl noch das Verwaltungsgericht München über ein Eilantrag der Bürgerinitiative entscheiden. Sie hält die Formulierung des Ratsbegehrens für unzulässig.

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