Der angeklagte Polizist (links) und sein Verteidiger vor dem Landgericht Augsburg.
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Schuss vor Augsburger Stadion: War eine zweite Waffe im Spiel?

Schuss vor Augsburger Stadion: War eine zweite Waffe im Spiel?

Vor einem Jahr schießt ein Polizist vor dem Augsburger Stadion mit seiner Dienstwaffe in einen Polizeibus – und sorgt so fast für eine Tragödie. Nun eine Wendung: Das Gericht vermutet, dass einer der Verletzten zuvor selbst seine Waffe gezogen hatte.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Nach gut einer Stunde Befragung ist Richter Christoph Kern kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren. Vor ihm sitzt ein Polizist als Zeuge. Der junge Beamte saß in dem Polizei-Bus, in den der Angeklagte Maximilian K. seine Waffe abfeuerte. Wieder und wieder möchte Kern von dem Polizisten im Zeugenstand wissen, was die beiden Kollegen auf der Rückbank in der Hand hatten.

War eine zweite Dienstwaffe im Spiel?

Dabei geht es zunächst um die Wasserpistolen, welche die Kollegen des Angeklagten mit vors Augsburger Stadion gebracht hatten, um sich an dem heißen Augusttag eine Wasserschlacht zu liefern. Doch Richter Kern vermutet, dass unmittelbar vor dem Schuss des Angeklagten eine zweite Dienstwaffe ins Spiel gekommen ist. Und die soll einer der beiden Beamten auf der Rückbank gezogen haben, so die Vermutung des Gerichts.

Doch je näher die Fragen an die Minuten und schließlich Sekunden rund um den Vorfall kommen, umso größer werden die Erinnerungslücken der Polizisten. Sie alle gehören wie der Angeklagte dem Unterstützungskommando USK an, einer Spezialeinheit der Bereitschaftspolizei, deren Aufgabe auch die Sicherheit bei Bundesligaspielen ist.

Richter droht Zeugen mit Haftbefehl noch im Gerichtssaal

Als also nun der Zeuge vor Richter Kern auf eine Frage mit einer Gegenfrage antwortet – der Polizist wollte wissen, was er denn in einer früheren Befragung dazu gesagt hätte – blafft ihn der Richter an: "Diesen Packen Akten können Sie zum Fenster rauswerfen, mehr abgestimmte Aussage ist nicht denkbar! Pflicht eines Zeugen ist, nachzudenken, erinnern Sie sich halt! Meine Güte!"

Es ist mehr als Unmut über Erinnerungslücken: Immer wieder wirft der Richter den Polizisten vor, Wissen über den Vorfall bewusst zurückzuhalten. Mal zwischen den Zeilen, mal ganz direkt: "Sie halten schon ordentlich zusammen, Sie wissen, was gut und was schlecht für Sie ist", so Richter Kern zum Angeklagten Maximilian K. Einem Polizisten droht er im Zeugenstand mehrfach mit einem Haftbefehl noch im Gerichtssaal, sollte sich seine Aussage im Zuge der Befragung als unwahr herausstellen. "Haben Sie den Eindruck, dass sie ihnen die Wahrheit gesagt haben?", fragte der Richter im weiteren Verlauf einen Mitarbeiter des Landeskriminalamts, der die Zeugen ebenfalls befragt hatte. "Nein, natürlich nicht", antwortet der LKA-Beamte. Gelächter bei den Prozessbesuchern.

Zeuge: "Niemals! Auf keinen Fall!"

Dann wird derjenige Polizist in den Zeugenstand gerufen, der womöglich selbst seine Waffe gezogen haben könnte. Er ist auch der Beamte, den der Angeklagte mit seinem Schuss nur um Zentimeter am Kopf verfehlt hat. "Warum sollte Herr K. direkt auf Sie schießen? Der Schuss ging in Ihre Richtung. Warum? Weil Sie für Herrn K. im ersten Moment eine Gefahr darstellten."

Als die Fragen konkret werden, schweigt der Zeuge teils lange, bevor er antwortet. Doch dann verneint er entschieden, seine Waffe gezogen zu haben: "Auf keinen Fall! Niemals! Auf keinen Fall!" Zuvor hatte der Polizist noch angegeben, dass er zu dem älteren Angeklagten "aufschaut". Ein anderer Zeuge sagte, mit dem Angeklagten freundschaftlich-kollegial verbunden zu sein.

Ob sich die Vermutung des Gerichts beweisen lässt, ist nach den Aussagen der vier Bus-Insassen höchst unwahrscheinlich. Keiner der vier Polizisten im Zeugenstand liefert einen Hinweis, wonach eine zweite Waffe im Spiel war. Womöglich wollte das Gericht mit seiner harten Befragung aber auch nur ausschließen, dass eine zweite Waffe mit im Spiel war – als mögliche Erklärung für den Schuss des Angeklagten. Denn an der Aussage von Maximilian K. hat das Gericht erhebliche Zweifel.

Richter schenkt dem Angeklagten wenig Glauben

Tags zuvor hatte Maximilian K. erklärt, sich an den Schuss nur bruchstückhaft erinnern zu können. Das kauft ihm Richter Kern nicht ab: "Wir haben Bedenken an der Blackout-Version, die kommt bei uns tagtäglich vor. Das ist völlig ungewöhnlich, sich an Details davor, danach und dazwischen zu erinnern, aber an sonst nichts."

Kern wendet sich direkt an Maximilian K. "Wollen Sie sich äußern?" Der Anwalt bittet um eine Unterredung mit seinem Mandanten vor der Tür. Doch Kern blockt ab: "Wir ziehen das jetzt durch, glauben Sie nicht, dass Sie klüger sind als wir." Dann eine kurze Unterredung zwischen Maximilian K. und seinem Anwalt – der schließlich abwinkt. Keine neue Erklärung des Angeklagten.

Was Maximilian K. bei einer Verurteilung droht

Maximilian K. wird gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Er soll sich mit seinen Kollegen am 19.8. 2023 im Rahmen eines Bundesligaspiels vor dem Stadion in Augsburg zuerst eine Wasserschlacht mit Spritzpistolen geliefert haben und dann seine Dienstwaffe in Richtung seiner Kollegen in einem Polizeibus abgefeuert haben. Diese erlitten dabei Knalltraumata und wurden durch Glassplitter verletzt. Ihm drohen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für ihn die Unschuldsvermutung.

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