Die tödlichen Polizei-Schüsse auf eine Frau in München-Sendling am Montagabend haben etliche Fragen aufgeworfen. Viele Menschen wollen wissen, ob die Polizei wirklich auf die Angreiferin schießen musste, die da in einem Supermarkt, mit einem Messer bewaffnet, auf die Beamten losging. Und ob es wirklich nötig war, gleich vier Schüsse abzugeben.
Polizeigewerkschaft: Vorgehen war "geeignet und erforderlich"
Thorsten Grimm, der stellvertretende Bundeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat dazu eine klare Haltung. Im BR24live betonte er, es gehe nicht um die Anzahl der Schüsse, die abgegeben wurden, sondern um die Verhältnismäßigkeit. Und verhältnismäßig sei das Vorgehen der Beamten in München-Sendling gewesen.
Wichtig seien bei solchen Ereignissen immer zwei Punkte, nämlich, ob die ergriffenen Maßnahmen der Polizei geeignet und ob sie erforderlich sind. Grimm unterstrich, dass die Beamten am Einsatzort in München-Sendling einiges versucht hätten, bevor sie zur Schusswaffe griffen: Man habe die Frau aufgefordert, die Attacke zu beenden, man habe ihr gedroht und auch ein Reizstoffsprühgerät eingesetzt. Am Ende aber sei das verhältnismäßig, "was Mann- bzw. Frau-stoppende Wirkung hat", so Grimm.
"Taser noch nicht bei Streifenbeamten im Einsatz"
Dabei machte der Polizeigewerkschafter eine Einschränkung: "Ein Taser hätte vielleicht diese Situation anders lösen können." "Taser" sind Pistolen, die Elektroschocks abgeben und damit ein Gegenüber für kurze Zeit außer Gefecht setzen können. Taser habe man bisher noch nicht "bei Streifenbeamten vor Ort draußen", sagt Grimm – und weiter: "Das ist eine lange Forderung von uns als Polizeigewerkschaft".
Dann kommt er aber nochmal zur Anzahl der Schüsse: Wenn ein Schuss nicht ausreiche, um Angriffe zu unterbinden, dann brauche es eben einen zweiten oder mehrere. Und auf die Beine zu schießen, sei nur schwer möglich. Denn damit schaffe man es nicht so leicht, Frau oder Mann zu stoppen.
Betroffene Beamten werden psychologisch betreut
Natürlich sei das Geschehen für die betroffenen Beamten eine psychische Ausnahmesituation gewesen, erläutert Grimm. Nicht nur der Versuch, das eigene Leben und das Leben beziehungsweise die Gesundheit anderer zu schützen, sei belastend, sondern auch die Untersuchungen, die darauf folgten.
Grimm verwies darauf, dass seine Kollegen psychologisch betreut werden, dass es dafür bei der Polizei gute Anlaufstellen gebe – und dass Einsatzkräften nach solchen Situationen der Rücken gestärkt werden müsse.
Einer unabhängigen Untersuchung – von anderer Stelle als der Polizei – erteilte er eine klare Absage: Das Landeskriminalamt leiste hier hervorragende Arbeit, es sei völlig neutral und objektiv und habe sich damit mehr als bewährt. Entsprechende Forderungen sind aus seiner Sicht vor allem politisch motiviert.
Selbsthilfegruppe: Gerade tödliche Schüsse belasten
Wie belastend der Gebrauch einer Schusswaffe für Polizistinnen und Polizisten sein kann, hat auch Reinhold Bock von der Selbsthilfegruppe "Schusswaffenerlebnis" geschildert: Im Interview mit Bayern 2 sagte er mit Blick auf das Geschehen am Montagabend, gerade tödliche Schüsse würden sich auf Dauer "in die Festplatte des Gehirns einbrennen".
Statt zu verdrängen müsse man dann für sich aufarbeiten, dass die Schüsse das letzte Mittel gewesen seien, das eigene Leben zu verteidigen, so Bock. Er selbst hat vor gut dreißig Jahren eine ähnliche Situation erlebt. Wie lange es dauere, bis man mit dem Erlebten zurechtkomme, hänge auch vom Umfeld ab: von Kollegen, der Familie, von Freunden – und von den Medien. Im aktuellen Fall stellten sich ihm "alle Haare auf", wenn er Schlagzeilen oder Überschriften sehe, die so verkürzt sind, dass sie den Fokus eher auf die Polizeischüsse legen als auf die Vorgeschichte mit der mutmaßlichen Messerattacke.
Im Video: In München-Sendling ist eine Frau von Polizisten erschossen worden
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