Wo auch immer die Grünen derzeit eine Veranstaltung organisieren – sie müssen mit Gegenwind rechnen. Bei Veranstaltungen der Partei häufen sich in den letzten Tagen die Demonstrationen, etwa beim Neujahrsempfang des Grünen-Kreisverbands in Hof am Wochenende. Ihren Polit-Aschermittwoch in Biberach in Baden-Württemberg hat die Partei gar ganz abgesagt. Dennoch zeigen sich die Grünen gesprächsbereit - und Gespräche kommen auch zustande: zum Beispiel am Mittwochabend in Tiefenellern, ebenfalls in Oberfranken.
Protest in Tiefenellern: Grüne mit Landwirten im Dialog
In Tiefenellern, einem Gemeindeteil von Litzendorf im Landkreis Bamberg, hatte die Ortsgruppe der Grünen im Ellertal am Mittwochabend für ihren politischen Aschermittwoch einen Saal im örtlichen Brauereigasthof reserviert. Bevor drinnen einige Dutzend Grüne zu diskutieren begannen, versammelten sich draußen rund 170 Landwirte und Vertreterinnen und Vertreter des Mittelstands, um gegen die Politik der Bundesregierung zu protestieren und auf ihre Probleme und Sorgen aufmerksam zu machen.
Die Partei-Vertreterinnen und -Vertreter stellten sich. Sie waren schnell von der Menge der Protestierenden umringt. Rund eine Stunde lang standen unter anderem Bundestagsabgeordnete Lisa Badum und Landtagsabgeordnete Ursula Sowa inmitten der Demonstrierenden im Hof der Brauerei; vier Polizisten beobachteten die Situation. Die Politikerinnen führten einen Dialog. Dabei mussten sie sich viel Kritik anhören, teils auch den Spott einzelner. Doch letztlich blieb das Gespräch konstruktiv und friedlich. Einige Personen riefen immer wieder Dinge wie "Zurücktreten!" oder "Das bringt doch nichts!", wurden aber zum Teil von anderen Demonstrierenden eingebremst.
Grünen-Politikerin: "Ich hatte auch Angst"
Rund drei Tage vor dem Polit-Aschermittwoch in Tiefenellern hätten die Grünen-Politikerinnen bereits erfahren, dass Bauern und Handwerker am Rande ihrer Veranstaltung demonstrieren würden. "Ich gebe zu, ich hatte auch Angst und habe überlegt, nicht zu kommen", so Ursula Sowa im Gespräch mit BR24. Doch es sei wichtig, miteinander zu reden. Daher hätten sich die Politikerinnen und Politiker der Grünen abgesprochen, sich dem Dialog in Tiefenellern zu stellen. Die Gespräche mit den Landwirtinnen und Landwirten seien positiv verlaufen. "Ich bin beflügelt, den Landwirten zu helfen", so Sowa.
Auch für die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum war im Vorfeld schnell klar, dass sie in den Dialog treten wollte. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", erklärt Badum gegenüber BR24. Sie setze sich unter anderem für die oberfränkischen Brauereien, Biogasanlagen und regionale Wertschöpfung ein. Da sie gewusst hätten, dass vor Ort Protestierende auf sie warten würden, hätten sie sich auf die Situation einstellen können.
Veranstaltungsabsage und "Drohkulisse" bei Grünen-Events
Dass das Treffen in Tiefenellern friedlich verlief, ist keine Selbstverständlichkeit. Vergangene Woche belagerten Demonstrierende den Neujahrsempfang der Hofer Grünen mit Landtags-Fraktionschefin Katharina Schulze in Helmbrechts. Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlten sich von den Demonstrierenden wie eingekesselt und berichteten von einer "Drohkulisse". Schon Tage zuvor war im Netz in einschlägigen Online-Kanälen für die Veranstaltung mobilisiert worden. Bereits am Mittwoch hatte ein AfD-Aktivist beispielsweise auf Facebook zum, so wörtlich, "Bauernprotest gegen Grüne/Kriegstreiber" aufgerufen. Auch der "örtliche Querdenker" hatte die Protestaktion offenbar beworben, wie Tim Pargent, Landtagsabgeordneter der Grünen am Donnerstag im Gespräch mit BR24 erklärte.
Proteste häufig nicht oder erst spät angemeldet
"Kritisch wird es, wenn die Landwirte oder Handwerker Schwurblern auf den Leim gehen", mahnt Pargent, der für den Protest der Landwirte und Handwerker viel Verständnis habe. Seine Tür stehe immer offen. Wichtig sei ihm, dass die Protestaktionen nicht stärker eskalierten und dass bekannt sei, von wem die Demos organisiert wurden. Auch die Anmeldung von Demonstrationen oder Protesten sei wichtig.
Dies sei in der Vergangenheit nicht immer so gewesen. Die Demonstration vergangene Woche in Helmbrechts wurde erst angemeldet, als sie schon lief. Der Protest in Tiefenellern sei im Vorfeld ebenfalls nicht angemeldet gewesen, wie ein Polizeisprecher vor Ort gegenüber BR24 erklärte.
Landwirt: "Hat sehr viel gebracht" - Verständnis soll weiter wachsen
Auf den Austausch mit den Politikerinnen am Mittwoch in Tiefenellern blicken auch die Landwirte positiv. "Es hat sehr viel gebracht. Ich glaube, Frau Badum und ihre Partei haben verstanden, was unsere Forderungen sind", erklärt Maximilian Büttner, der einen Pferdepensionsbetrieb hat, im Gespräch mit BR24. Er war gekommen, um auf die Probleme der Bauern aufmerksam zu machen. "Ich möchte das, was meine Eltern und Urgroßeltern geschaffen haben, weiterführen", das sei nur möglich, wenn die Politik die Rahmenbedingungen ändert. Neben dem Bürokratieabbau sei es wichtig, dass mehr Geld bei den Bauern ankomme. "Wir müssen investieren", sagt Büttner.
In Berlin sei inzwischen allen klar, dass etwas passieren müsse, so Lisa Badum. Auf ihrem Zettel stünden Themen wie die Tierhaltung, aber auch die Marktmacht der Konzerne. Dort müssten Änderungen her. "Wir werden uns dafür einsetzen", verspricht die Abgeordnete. Und auch das gegenseitige Verständnis soll wachsen: Lisa Badum und Ursula Sowa wollen landwirtschaftliche Betriebe besuchen. Und Landwirte sollen die Möglichkeit bekommen, ihnen bei ihrer Arbeit in Bundestag und Landtag über die Schulter zu schauen.
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