Der Neujahrsempfang des Hofer Grünen-Kreisverbands in Helmbrechts ist am Wochenende zur Zielscheibe einer unangemeldeten Protestaktion geworden. Als Rednerin war auch die Fraktionschefin im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, geladen. Gäste der Veranstaltung im Textilmuseum der Stadt sprechen von Einschüchterungsversuchen am Rande des Empfangs.
Sprechchöre und Hämmern an Fensterscheiben
So hätten sich viele der Protestierenden nach Beginn der Veranstaltung "wie eine Wand" um den Veranstaltungsort gestellt, berichtet Mirjam Kühne vom Grünen-Kreisverband Hof am Montag im Gespräch mit BR24. Einige von ihnen hätten vorübergehend gegen die Scheiben gehämmert. Auch zu Sprechchören und einer zeitweisen Behinderung der Fluchtwege aus dem Museum sei es gekommen. Zwar waren die Vorhänge in den Fenstern zugezogen. "Trotzdem hat das von innen sehr bedrohlich gewirkt", so Kühne. "Aus meiner Sicht eine Grenzüberschreitung."
Ein Eindruck, den der Bürgermeister von Helmbrechts, Stefan Pöhlmann (SPD), teilt. Auch er war zu dem Neujahrsempfang eingeladen. Pöhlmann erinnert sich, welcher Lärm vor der Tür herrschte und wie immer wieder an die drei Glasfronten des Textilmuseums geklopft wurde. "Das war etwas, das über eine normale Demonstration hinausging." Weil die Demonstrierenden vor dem Haus "dicht an dicht" gestanden seien, habe man vorsorglich die Türen des Museums versperrt.
Polizei: "Alles in geregelten Bahnen"
Erste Hinweise auf mögliche Störungen hatten die Hofer Grünen-Mitglieder kurz vor Beginn der Veranstaltung erhalten – und dann auch gleich die Polizei verständigt. "Auch für uns war die Spontan-Demonstration überraschend, aber als Polizeieinsatz problemfrei", erklärt einer der Streifenbeamten, die vor Ort im Einsatz waren, auf BR24-Anfrage. Etwa 100 Personen und 25 Traktoren befanden sich laut Polizei vor dem Museum. "Es lief eigentlich alles in geregelten Bahnen ab. Den einen oder anderen dummen Spruch kann man natürlich nicht verhindern."
Der Schilderung des Polizisten zufolge haben sich Bauern, Handwerker und Selbstständige an dem Protest beteiligt. Doch offenbar nicht nur. "Da waren auch welche draußen, die man uns nicht zuordnen kann", berichtet Kreisbäuerin Elke Browa. Auch sie war offiziell auf dem Empfang mit Katharina Schulze zu Gast. "Wir Bauern kennen uns ja alle untereinander und da waren einige da, die wir nicht kannten." Überrascht gab sich Browa im Gespräch mit BR24 von der Anzahl der Demonstrierenden. Man habe zwar gewusst, dass einige Personen dazukommen wollten, "aber nicht, dass es so viele werden".
Mobilisierung im Internet begann schon Tage vorher
BR-Recherchen zeigen, dass der Grünen-Neujahrsempfang bereits am vergangenen Mittwoch, also zwei Tage vor der Veranstaltung, in einschlägigen Online-Kanälen Thema war. So fragte ein Nutzer in einer Hofer Telegram-Gruppe: "Wer geht am Freitag nach Helmbrechts? Demo gegen die Grünen". Er schrieb, dass auch "die Bauern" mit dabei seien. Telegram-Gruppen wie die in Hof wurden hauptsächlich während der Corona-Pandemie gegründet und von Kritikern der Corona-Maßnahmen, Impfgegnern und Verschwörungsanhängern zum Austausch und zur Mobilisierung genutzt.
Auch auf Facebook wurde für eine Gegenveranstaltung zu dem Neujahrsempfang geworben – ebenfalls bereits am Mittwoch. So schrieb ein AfD-Aktivist, dass man sich vor dem Textilmuseum treffen wolle und "aus Versehen Trillerpfeifen und kleine Transparente dabei" haben werde, "vielleicht auch bearbeitete Regenschirme". Die geplante Aktion vor dem Textilmuseum in Helmbrechts bezeichnete er als "Bauernprotest gegen Grüne/Kriegstreiber".
Am Tag nach dem Neujahrsempfang kommentierte schließlich noch ein lokaler AfD-Politiker die Proteste. Via Telegram teilte er eine Fotocollage mit Aufnahmen von der Demonstranten, Traktoren und sich selbst. Er schrieb dazu: "Bilder sprechen eine klare Sprache. Frau Schulze war in Helmbrechts nicht willkommen!"
Bürgermeister: Störaktion beim Neujahrsempfang aufarbeiten
Für den Helmbrechtser Bürgermeister Stefan Pöhlmann ist klar, dass die Störungen beim Grünen-Neujahrsempfang noch einmal aufgearbeitet werden müssen. Zwar hatte sich am Veranstaltungstag um 17.50 Uhr – fast eine Stunde nach Beginn des Empfangs – noch ein Verantwortlicher bei der Polizei gemeldet. Da waren die Proteste jedoch schon in vollem Gange. Das Landratsamt, das für die Genehmigung der Demonstration im Landkreis zuständig gewesen wäre, wurde nicht informiert. Bürgermeister Pöhlmann hat zu Wochenbeginn extra noch einmal nachgefragt, ob dort am Freitag eine entsprechende Mail eingegangen war. "Da lag nichts vor."
"Die Sicherheitsbehörden müssen darüber nachdenken, wie man mit solchen unangemeldeten Demonstrationen umgeht", bilanziert Mirjam Kühne von den Hofer Grünen die Störaktion während des Neujahrsempfangs. Selbstverständlich gebe es ein Demonstrationsrecht für alle und man müsse Gegenstimmen auch aushalten können. "Was aber nicht sein kann, ist, dass so etwas an Behörden und Auflagen vorbei organisiert wird, und dann meldet man es halt nachträglich an und tut so, als sei alles in Ordnung." Außerdem fragt sie sich, was es für die Demokratie bedeuten kann, wenn jeder, der ein Anliegen hat, "Veranstaltungen stören und Menschen unter Druck setzen kann".
Druck auf Wirt im Landkreis Bamberg vor Grünen-Treffen
Welche Folgen dieser Druck hat, zeigt auch ein Vorfall aus dem Landkreis Bamberg. Dort wollte der Kreisverband Bamberg-Land seine Jahreshauptversammlung in einem Gasthof in Kemmern abhalten. Der Wirt sagte allerdings ab. Einem Medienbericht zufolge hatten Landwirte und Lieferanten der Brauerei im Vorfeld Stimmung gegen das Treffen gemacht – offenbar so sehr, dass der Wirt sich gezwungen sah, einen Rückzieher zu machen und seine Räume nicht für das Grünen-Treffen zur Verfügung zu stellen. Auch bei diesem Protest soll die AfD involviert gewesen sein.
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