Die Richter am Landgericht Passau sind überzeugt, dass die Verurteilte das Testament von Niels Kampmann, Schwiegersohn des Dichters Hans Carossa, gefälscht hat und sich selbst als Alleinerbin des schwerreichen Fabrikanten einsetzen wollte. Der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung: "Sie haben sich erdreistet, Testamente zu fälschen, um an das Vermögen eines alten Mannes zu kommen. Das ist kriminelle Energie." Die 56-Jährige selbst machte während der mehrtägigen Verhandlungen keine Angaben.
Streitsache Gutachten
Kernstück der Verhandlung war das Schriftgutachten eines Experten des Landeskriminalamtes. Er hatte Schriftproben von Kampmann aus verschiedenen Lebensphasen analysiert und mit den handschriftlichen Testamenten des Fabrikanten verglichen. Ergebnis: Bei den Testamenten handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Fälschungen – wohl verfasst von der 56-Jährigen, die Kampmann bis zu dessen Tod im September 2021 gepflegt hatte.
Verteidiger fordern Freispruch
Während die Richter und die Staatsanwaltschaft das Gutachten für "absolut nachvollziehbar" hielten, zweifelten die Verteidiger das Ergebnis und die Kompetenz des Experten bis zum Schluss der mehrtägigen Verhandlung an. Rechtsanwalt Helmut Mörtl unmittelbar nach dem Urteil zu BR24: "Natürlich werden wir in Revision gehen. Wir sind mit dem Urteil nicht einverstanden. Man hat so den Eindruck, dass der gehörte Sachverständige die Heilige Kuh des Gerichts war." Die Verteidiger hatten in ihrem Plädoyer Freispruch gefordert, die Staatsanwaltschaft dagegen sieben Jahre Gefängnis.
Immobilien, Gold, Kunstgegenstände und mehr
Das Vermögen von Niels Kampmann, der im September 2021 starb, wird auf etwa 20 Millionen Euro geschätzt. Dazu gehören unter anderem dutzende Grundstücke, Immobilien, Kunstgegenstände, Gold, Fahrzeuge, Waffen, Gesellschaftsanteile und das Archiv des Dichters Hans Carossa (1878 – 1956). Kampmann hatte in einem beim Notar hinterlegten Testament den Naturschutzfonds des Freistaates Bayern als Erben benannt. Nach dem Tod des Carossa-Schwiegersohns hatte die Pflegedienstleiterin zwei handgeschriebene Testamente dem Nachlassgericht vorgelegt. Als erste Zweifel aufkamen, begann die Ermittlungen.
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