"Justizzentrum Würzburg" steht auf einem Schild im Eingangsbereich zum Landgericht.
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"Querdenker" soll wegen Plakataktion über Bahnstrecke in Haft

"Querdenker" soll wegen Plakataktion über Bahnstrecke in Haft

Das Landgericht Würzburg hat einen mutmaßlichen Anhänger der Querdenkerszene wegen Nötigung zu einem Jahr und vier Monaten Haft verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Mann einen Zug zu einer Schnellbremsung gezwungen hatte.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Mehr als vier Jahre nachdem mutmaßliche "Querdenker" über eine Bahntrasse in Unterfranken Plakate gespannt hatten, hat das Landgericht Würzburg einen der Beteiligten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen Nötigung soll der Mann ein Jahr und vier Monate ins Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine weitere Angeklagte wurde in dem Berufungsprozess freigesprochen.

Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass der 40-jährige Familienvater am Dreikönigstag 2021 an der Planung der Aktion beteiligt war. In der Nähe des unterfränkischen Thüngen hatten Personen Planen über eine Zugstrecke gespannt. Diese Plakate waren an Holzlatten befestigt. Ein aus Schweinfurt kommender ICE hatte eine der Planen durchfahren. Der Lokführer leitete eine Schnellbremsung ein. Verletzte gab es nicht. Durch die anschließende Verspätung entstand der Bahn ein Schaden in fünfstelliger Höhe. Der Zug konnte nach vier Stunden weiterfahren.

Richter: Keine Zweifel an Täterschaft

Zwar könne nicht bewiesen werden, dass der Vater von vier Kindern am Tattag auch am Tatort war. Allerdings sei eine Beteiligung des Mannes an der Planung der Aktion nachgewiesen, etwa weil sein Auto an der Bahnstrecke gesehen worden sei. "An seiner Täterschaft bestehen für die Kammer keine Zweifel", sagte der Richter.

Im Berufungsprozess hatte der angeklagte Mann eine Beteiligung an der Aktion bestritten. Überraschend machte er vergangenen Frühling eine umfassende Aussage. Demnach habe er sich gemeinsam mit der Mitangeklagten zum Tatzeitpunkt an einem anderen Ort befunden. Durch die Aussage eines Kriminalpolizisten kamen erhebliche Zweifel an dieser Version auf. Unter anderem wollte der Angeklagte anhand von Fotos seine Aussage belegen. Aus Sicht des Gerichts ist hingegen erwiesen, dass mehrere dieser Aufnahmen zu einem anderen Zeitpunkt entstanden.

Das Amtsgericht Gemünden hatte den Vater von vier Kindern bereits im Dezember 2022 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Er war bereits in anderen Fällen aufgefallen. Die Frau erhielt damals eine Bewährungsstrafe. Sie wurde nun freigesprochen. Eine Beteiligung ließ sich aus Sicht des Landgerichtes nicht zweifelsfrei belegen. Das Gericht geht zwar davon aus, dass die vierfache Mutter an der Aktion beteiligt war. "Wir können es aber nicht nachweisen", sagte der Richter. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. 

Mahnende Worte des Richters

Gegen den Mann ist am Landgericht Schweinfurt ein weiteres Strafverfahren anhängig, zudem zahlt er nach eigenen Worten coronabedingt entstandene Bußgelder ab. Der Richter appellierte an den 40-Jährigen, sich dem Urteil zu stellen und es anzuerkennen, vor allem im Sinne seiner Kinder, denn die Pandemie sei vorbei. "Wir haben kein Geständnis, keine Schuldeinsicht, keine Reue", sagte der Richter. "Es ist glücklichen Umständen zu verdanken, dass letztlich kein Personenschaden entstanden ist."

Bei einigen Menschen hätten die Corona-Maßnahmen das Vertrauen in den Staat erschüttert. "Es war keine einfache Zeit." Manche seien Verschwörungstheorien erlegen, einige hätten gegen die Einschränkung ihrer Freiheitsrechte protestiert. Menschen in einem Zug zu gefährden, sei aber eine Radikalisierung, die "der kleine Mann" nicht mehr verstehe.

Landgericht: Aktion war wohl Teil eines sogenannten D-Day 2.0

Der 40-Jährige und unbekannte Mittäter waren nach Überzeugung des Gerichts am 6. Januar 2021 daran beteiligt, fünf an Holzlatten befestigte Plakate über die Gleise auf der Bahnstrecke Gemünden-Waigolshausen im Abstand von jeweils etwa zwei Kilometern aufzustellen. Auf den Transparenten war unter anderem in roter Farbe geschrieben zu lesen: "Achtung Gleisbruch 2km" und "Diesmal Fake". 

Der Berufungsprozess startete bereits im vergangenen Frühling. Die Verhandlung wurde zeitweise ausgesetzt, um ein weiteres Gutachten einzuholen und Nachermittlungen zu ermöglichen. Das Landgericht geht davon aus, dass die Aktion Teil eines sogenannten "D-Day 2.0" war. Zu diesem hatten Personen aus dem "Querdenker"-Spektrum im Vorfeld des 6. Januar 2021 aufgerufen. An verschiedenen Orten im Bundesgebiet gab es an diesem Datum Störaktionen, zum Beispiel Versuche, den Straßenverkehr zu behindern.

Beide Angeklagten traten auch wiederholt bei Corona-Protesten in Erscheinung. Der Mann hatte Versammlungen in der Region Main-Rhön angemeldet. Gegen das Urteil kann er innerhalb einer Woche Revision einlegen.

Mit Informationen von dpa und afp

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