Der Landtag debattiert über den Ganztagsanspruch für Grundschulkinder
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Der Landtag debattiert über den Ganztagsanspruch für Grundschulkinder

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Reicht der "Turbo"? Debatte über Ganztagsbetreuung geht weiter

Gerade erst haben die Sozial- und die Kultusministerinnen einen "Turbo" gezündet – es gibt mehr Geld für die Ganztagesbetreuung. Damit wollen sie den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Grundschüler erfüllen. Der SPD reicht das nicht.

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Großes Gelächter und lautes Raunen im Plenarsaal des bayerischen Landtags. Die Abgeordneten, sie rufen plötzlich alle durcheinander. Welchen Knopf sollen sie denn jetzt drücken, rufen einige. Die elektronischen Abstimmungspads der Abgeordneten zeigen nämlich falsche Signale an. "Die Anzeige zeigt bei der gelben Farbe 'nein' an, jedenfalls bei mir", ruft der Landtags-Vizepräsident Tobias Reiß (CSU) in den Plenarsaal. "Das ist falsch", versucht er, schon halbverzweifelt, das Abstimmungsverfahren noch zu retten. "Ich bitte, wer mit 'nein' abstimmen möchte, soll den roten Knopf zu drücken." Zu viel Wirrwarr für manchen Abgeordneten: Die Abstimmung wird abgebrochen und eine Stunde später nachgeholt.

Bayern muss ab 2026 für jeden Grundschüler Ganztagsbetreuung anbieten

Worum es geht? Die SPD hat einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Denn aus ihrer Sicht muss die Staatsregierung beim Ganztagsausbau nachholen, nämlich versäumte Arbeit. Da habe sie jahrelang geschlafen. Die schwarz-rote Bundesregierung hatte unter Angela Merkel 2019 einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder beschlossen. Beginnend ab dem Schuljahr 2026/2027, zunächst für die Erstklässler.

Laut Martin Brunnhuber, Abgeordneter der Freien Wähler, hätten 80 Prozent der Familien mit Grundschulkindern Bedarf an einer Nachmittagsbetreuung. Nachdem in den letzten Tagen Kritik aus bayerischen Kommunen kam, dass der Zeitplan nicht zu schaffen sei, haben sich Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) und Kultusministerin Anna Stolze (Freie Wähler) zusammengetan. 7.500 Euro sollen die Kommunen zusätzlich vom Freistaat pro Ganztagsplatz bekommen. Damit können auch Möbel und Spielgeräte finanziert werden. Die beiden Ministerinnen sprechen von einem Ganztages-Turbo.

SPD bezweifelt, dass der Rechtsanspruch fristgerecht eingehalten werden kann

Dass die beiden Ministerien jetzt zusammenarbeiten, finden sowohl die kommunalen Spitzenverbände als auch die Opposition gut. Aber SPD und Grünen reichen die aktuellen Pläne nicht. Simone Strohmayr (SPD) geht davon aus, dass man den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den noch verbleibenden zwei Jahren nicht schaffen könne. Die Förderung kommt für sie zu spät. Deshalb hat die SPD einen Dringlichkeitsantrag im Landtag eingereicht. Auch die Grünen schlossen sich den Forderungen der SPD an und stimmten für den SPD-Antrag.

Sozialministerin sieht Ganztagsbetreuung auf gutem Weg

Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht dagegen Bayern auf einem guten Weg. 56 Prozent der Grundschulkinder nutzten aktuell bereits ein Nachmittagsangebot. 300.000 Plätze seien das. Gleichzeitig gibt die bayerische Sozialministerin zu: "Das reicht nicht." 130.000 Plätze würden noch immer fehlen, damit "jeder Vater und jede Mutter sagen kann: Wenn ich mehr arbeiten will, dann kann ich das auch". Jetzt zünde man deshalb mit den Fördergeldern einen "Turbo".

AfD: Ganztagsbetreuung entspricht nicht "unserem Ideal"

Die AfD-Fraktion sieht den Dringlichkeitsantrag "zwiespältig". Einerseits begrüße die Fraktion die Unterstützung von Familien. Andererseits sollte die Erziehung der Kinder "primär bei den Eltern und nicht beim Staat" liegen. Die Realität mache das unmöglich: Aufgrund steigender Lebenshaltungskosten - laut AfD ein Resultat verfehlter Politik - müssten oft beide Elternteile arbeiten und seien auf die Ganztagsbetreuung angewiesen. "Unserem Ideal einer freiheitlichen Gesellschaft entspricht das nicht, wir stehen für eine Gesellschaft, in der die Familie den Kern bildet", sagt der AfD-Abgeordnete Markus Walbrunn, der auch Mitglied im Bildungsausschuss ist.

Den Dringlichkeitsantrag der SPD wiesen CSU und FW als überflüssig zurück und stimmten gegen ihn.

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