Seit Tagen im Einsatz: Pilot Frank Frieß (links) und Windenoperator Harald Heinlein (rechts)
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Seit Tagen im Einsatz: Pilot Frank Frieß (links) und Windenoperator Harald Heinlein (rechts)

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Frau überlebt 62 Stunden in Baumkrone – so gelang die Rettung

Mehr als zwei Tage harrte eine 32-Jährige in einer Baumkrone aus, wo sie Schutz vor dem Hochwasser gesucht hatte. Die Besatzung eines ADAC-Hubschraubers rettete sie aus dem Wald bei Neu-Ulm. Im BR-Gespräch schildert der Winden-Operator den Einsatz.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Tagelang harrt eine 32-Jährige in einem überfluteten Gebiet des schwäbischen Silberwalds in einer Baumkrone aus. Doch dann kommt Rettung - Harald Heinlein gehörte zur Besatzung des ADAC-Hubschraubers, die die Frau am Dienstagmittag nach mehr als zwei Tagen befreite.

"Das Schwierigste war, sie unter den Bäumen überhaupt zu lokalisieren", beschreibt Heinlein im BR die Herausforderung bei dem Einsatz. Beim Silberwald nahe Neu-Ulm handelt es sich um ein größeres Waldgebiet: "Alles war überspült mit Wasser und nur sehr schwer von oben einsehbar". Schnell sei klar gewesen, dass eine Landung unmöglich war und die Frau über die Rettungswinde des Hubschraubers an Bord geholt werden musste.

Landung unmöglich - die Stunde der Rettungswinde

Zur Besatzung gehören neben ihm und dem Piloten immer auch ein Notarzt und ein Notfallsanitäter, manchmal auch ein Experte von der Wasserwacht. Heinlein ist der Mann an Bord des Helikopters, der diese Rettungswinde bedient. Bei einem Hochwassereinsatz wie diesem könne der Hubschrauber nicht im Wasser landen, erklärt er. Zu groß sei die Gefahr von Treibholz; auch die Strömungen des Gewässers seien nur sehr schwer einzuschätzen, so Heinlein.

Zuerst kommt die ärztliche Versorgung

Nachdem die Frau in der Baumkrone entdeckt worden war, wurde zuerst ein Notarzt zu ihr hinuntergelassen. Er sollte feststellen, inwieweit die 32-Jährige überhaupt transportfähig war, in welchem medizinischen und psychischen Zustand sie sich befand. Als Unterstützung wurde zusätzlich ein Wasserretter von der Wasserwacht mit abgeseilt, um bei der Rettung zu helfen. Nach einer ersten Untersuchung habe man sich dazu entschieden, die Frau halbsitzend über ein Rettungsdreieck, eine Art Windel, die der Person angelegt wird, in den Hubschrauber zu ziehen.

Zuvor habe man der 32-Jährigen alles genau erklärt und sie beruhigt. Es sei wichtig, dass die Betroffenen genau wüssten, was passiert, sagt Heinlein "Man ist aufgeregt – und nach zwei Tagen im Wald auch nicht mehr aller Kräfte Herr". Nachdem Patientin, Notarzt und Wasserretter wieder im Hubschrauber waren, flog dieser zu einem Landeplatz in der Nähe, an dem bereits Rettungswagen und Bodennotarzt bereitstanden. Sie brachten die Frau ins Krankenhaus, wo sie sich nach wie vor befindet, wie es am Mittwoch hieß. Ihr Zustand sei stabil - und sie habe erstmals mit der Polizei gesprochen.

32-Jährige konnte Notruf absetzen

Der Frau war es gelungen, am Samstagabend selbst noch mit dem Handy Hilfe zu rufen, bevor sie sich vor dem Wasser in den Baum rettete. Ein Drohnenteam der Polizei fand die 32-Jährige schließlich und alarmierte den Rettungshubschrauber. Der Hubschrauber der ADAC-Flugrettung ist derzeit als zusätzliche Hochwasserabdeckung auf dem Dach des Augsburger Klinikums stationiert und benötigte etwa 20 Minuten für den Anflug.

Im Video: Silberwald bei Neu-Ulm: Frau wird nach Tagen von Baum gerettet

Silberwald bei Neu-Ulm
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Silberwald bei Neu-Ulm

62-stündiges Warten auf Hilfe

Doch insgesamt musste die Frau 62 Stunden in der Baumkrone ausharren. Das wurde am Mittwoch bekannt. Ursprünglich hatte die Polizei in einer ersten Mitteilung noch von 52 Stunden gesprochen. Bei einer Pressekonferenz in Neu-Ulm hieß es: Es sei fraglich, ob die Frau noch eine weitere Nacht auf dem Baum überlebt hätte.

Die 32-Jährige hatte sich am Samstagabend gegen 23 Uhr vor dem Hochwasser in die Krone eines umgestürzten Baumes geflüchtet. Am Dienstag konnte die Mannschaft des ADAC-Hubschraubers sie dann retten. Der Rettungsaktion vorausgegangen waren zahlreiche Versuche, die Frau zu finden. Weder mit Booten, Spürhunden noch mit Drohnen konnten die Einsatzkräfte die Vermisste zunächst orten. Man habe den Wald immer wieder durchsucht.

Erst beim sechsten Versuch gelang es einem Drohnenteam, die Frau in der Krone eines umgestürzten Baumes auszumachen. Da war es bereits 13 Uhr, und die Frau hatte bis dahin insgesamt 62 Stunden in etwa zwei Metern Höhen verbracht, ohne Schutz, Nahrung oder Trinkwasser.

Hilfsbedürftige sollen auf sich aufmerksam machen

Im Gespräch betont Winden-Operator Heinlein deswegen immer wieder, wie wichtig es sei, dass hilfsbedürftige Menschen auf sich aufmerksam machen: "Von oben sieht alles gleich aus, alle Straßen sind überflutet, die Häuser stehen dicht aneinander. Deshalb ist es so schwierig, beim Überflug jemanden mitten im Wasser zu finden."

Im Notfall solle man am besten ein weißes Bettlaken oder Kopfkissen mit auf den Balkon oder das Dach nehmen, um damit zu winken. Oder – noch besser – über ein Lichtsignal mit der Taschenlampe oder dem Handy auf sich aufmerksam machen. "Sobald wir jemanden aus dem Hubschrauber entdeckt haben, zeigen wir ihm, dass er gesehen wurde", erklärt Heinlein. Dann solle man Ruhe bewahren, auf die Rettungsspezialisten warten und sich auf keinen Fall selbst in Gefahr bringen.

Im Audio-Beitrag: Die Rettung aus Sicht der Hubschrauber-Crew

Symbolbild: Die Rettung aus Sicht der Helikopter-Crew
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Symbolbild: Die Rettung aus Sicht der Helikopter-Crew

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