Rinder mit Hörnern: Ein Bild, das vielen vertraut sein dürfte. Der Trend geht jedoch in eine andere Richtung. Die Hörner werden weggezüchtet. Ob das gut oder schlecht ist, daran scheiden sich die Geister.
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Rinder mit Hörnern: Ein Bild, das vielen vertraut sein dürfte. Der Trend geht jedoch in eine andere Richtung. Die Hörner werden weggezüchtet.

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Rinder ohne Hörner: Unnatürlich oder mehr Tierwohl?

Rinder ohne Hörner: Unnatürlich oder mehr Tierwohl?

Viele Rinder in Bayern haben keine Hörner mehr. Diese werden weggezüchtet oder den Tieren werden die Hornknospen schon kurz nach der Geburt verödet. Aber trägt Hornlosigkeit zu mehr Tierwohl bei? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Die Zucht von Rindern, denen gar keine Hörner mehr wachsen, ist auf dem Vormarsch. Denn die meisten Landwirte wollen hornlose Tiere im Stall haben. Die Rinder sollen weder Bauer oder Bäuerin noch sich gegenseitig mit ihren Hörnern verletzen können. Kühen, die nicht durch Zucht hornlos sind, werden üblicherweise kurz nach der Geburt – unter Gabe von Schmerz- und Beruhigungsmitteln – die Hornknospen mit einem 600 Grad heißen Brennstab verödet, damit ihnen keine Hörner wachsen.

Dieses Veröden der Hornknospen ist schmerzhaft und deshalb umstritten. Künftig soll der Vorgang nur noch mit einer zusätzlichen lokalen Betäubung möglich sein, die nur ein Tierarzt oder eine Tierärztin vornehmen darf. So sieht es das neue Tierschutzgesetz vor.

Kein Enthornen dank Zucht

Um das Enthornen zu vermeiden, setzen viele Landwirtinnen und Landwirte inzwischen auf sogenannte genetische Hornlosigkeit. Seit gut 30 Jahren wird in Bayern bei Fleckvieh-Milchkühen in diese Richtung gezüchtet. Diesen Tieren wachsen dann keine Hörner mehr.

Derzeit sind laut Landesanstalt für Landwirtschaft aber nur 16 Prozent aller Fleckvieh-Milchkühe in Bayern natürlich ohne Hörner. Noch ist die Hornlos-Zucht nicht so weit, dass alle Nachkommen von hornlosen Tieren auch hornlos sind. Obwohl das Hornlos-Gen dominant vererbt wird, setzen sich ab und zu doch wieder Hörner durch.

Keine Hörner: Was bedeutet das für die Tiere?

Doch fehlt den Tieren nicht etwas, wenn sie keine Hörner haben? Nein, sagt Prisca Kremer-Rücker, Professorin für Tierzucht an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. So wie der Mensch die Tiere halte, müssen sich diese nicht mehr gegen Beutegreifer wehren oder gegen Artgenossen durchsetzen. Dafür würden Hörner vor allem eingesetzt.

Kremer-Rücker wertet die Zucht auf genetische Hornlosigkeit als "ganz natürlichen Vorgang". Zum einen werde das Hornlos-Gen dominant vererbt, zum anderen sei es seit Jahrtausenden üblich, dass Tiere an menschliche Bedürfnisse angepasst werden.

Bioverband Demeter: Nur Rinder mit Hörnern

Der Bioverband Demeter sieht das anders. Hörner seien für eine Kuh sehr wichtig. Die Tiere kommunizieren mit den Artgenossen über die Hörner. Außerdem wirken die Hörner wie eine Klimaanlage. Denn über die Oberfläche der gut durchbluteten Hörner werde Wärme an die Luft abgegeben.

Demeter verbietet seinen Mitgliedern als einziger Bioverband das Enthornen von Kälbern. Wer für Demeter produziert, muss Rinder mit Hörnern halten. Auch eine Zucht auf genetische Hornlosigkeit ist ausgeschlossen. Da sich diese Zucht aber immer mehr durchsetze, seien Kühe mit Hörnern mittlerweile vom Aussterben bedroht, warnt der Verband.

Kühe mit Hörnern: Größere Ställe, höhere Kosten

Demeter-Berater Ulrich Mück räumt ein, dass es den Landwirten mehr abverlangt, Tiere mit Hörnern zu halten. Die Verletzungsgefahr sei höher. "Deswegen braucht die Haltung von Horntragenden auch mehr Aufmerksamkeit als die Haltung von Hornlosen", sagt Mück.

Auch die Ställe müssen größer sein. Christian Warkus, Berater für Rinder-Ställe bei der Stallbau-Firma Hörmann in Buchloe, erklärt: "Hier ist es wichtig, keine Engstellen zu haben, um Platz für rangniedrige Tiere zu schaffen, damit sie anderen Tieren ausweichen können in der Herde und um für die Rangkämpfe möglichst viel Platz zu haben, um Verletzungen der Tiere untereinander vermeiden zu können."

Für Rinder mit Hörnern sei eine Stallfläche von zehn Quadratmetern pro Tier empfohlen, wohingegen es bei hornlosen Tieren nur sechs pro Tier brauche. Warkus zufolge kostet der Stall bei einer Herde mit Hörnern pro Tier circa 1.000 bis 1.500 Euro mehr. Ein Grund von vielen, warum Demeter-Milch teurer ist. Laut Warkus sind es hauptsächlich Biobetriebe, die behornte Tiere halten. Er schätzt jedoch, dass inzwischen mindestens 90 Prozent der Ställe, die seine Firma baut, für Rinder ohne Hörner gedacht sind.

Kremer-Rücker: Sinnvoller Eingriff im Sinne des Tierschutzes

Tierzucht-Professorin Kremer-Rücker plädiert auch deswegen für die Hornloszucht, weil die Kühe sich in den Ställen nicht so gut aus dem Weg gehen können wie in der freien Natur. "In dem Moment, wo wir sie einschränken, haben wir die Verantwortung für das, was wir machen. Und dann müssen wir eben in meinen Augen auch dafür sorgen, dass sie sich nicht verletzen können, zumindest nicht mit den Hörnern."

Genetische Hornlosigkeit sorge für weniger Verletzungsgefahr und den Tieren bleibe damit das Enthornen erspart. Dadurch ist die Hornloszucht aus Sicht der Professorin ein sinnvoller Eingriff im Sinne des Tierschutzes.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Sendung "Funkstreifzug". Sie wird am 28.8. um 12:17 Uhr im Programm von BR24 Radio ausgestrahlt und ist auch als Podcast verfügbar.

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