Söder am Rande des ARD-Sommerinterviews
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"Mit mir nicht": Was hinter Söders Nein zu Schwarz-Grün steckt

"Mit mir nicht": Was hinter Söders Nein zu Schwarz-Grün steckt

Wenn CSU-Chef Söder austeilt, trifft es oft die Grünen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl schließt er Schwarz-Grün strikt aus – und stellt die Schwesterpartei CDU vor vollendete Tatsachen: "Ohne uns geht nichts." Dahinter steckt eine Doppel-Strategie.

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Markus Söder reicht es nicht, über die CSU zu reden. Als er sich am Rande des ARD-Sommerinterviews Fragen von Usern stellt, schlägt er immer wieder den Bogen zu den Grünen. Was er von einem Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen halte? Man müsse alles prüfen, sagt Söder im Online-Format "Frag selbst!", doch wegen der Grünen passiere nichts in der Flüchtlingspolitik. Ein User fragt nach den Kosten seiner Social-Media-Auftritte – der CSU-Chef spricht über eine Stellenausschreibung von Grünen-Minister Robert Habeck. Warum Söder oft sein Essen fotografiere, will ein anderer wissen. Er esse halt gerne Bratwurst und Pizza, die Grünen aber wollten "Brokkoli-Döner" oder "Dinkel-Brunch".

Auch im eigentlichen ARD-Sommerinterview arbeitet sich der bayerische Ministerpräsident an den Grünen ab. Mehr noch. Der Chef der kleineren Schwesterpartei schließt kurzerhand für die ganze Union Schwarz-Grün im Bund strikt aus: Mit den Grünen werde es keine Zusammenarbeit geben. Auf den Einwurf, dass er dies doch ohne den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gar nicht ausschließen könne, antwortet Söder selbstbewusst: "Doch, das kann ich. Denn ohne uns geht nichts." Und er fügt hinzu: "Mit mir geht Schwarz-Grün nicht, da kann sich auch jeder darauf verlassen."

Damit diktiert Söder im Grunde der CDU ein Jahr vor der Bundestagswahl Bedingungen für ein mögliches künftiges Regierungsbündnis in Berlin – obwohl Merz sich die Möglichkeit einer Koalition auch mit den Grünen offenhalten will. Welches Kalkül treibt Söder an? Und welche Folgen kann seine Strategie haben?

Wahlforscher: Söder schwächt Verhandlungsposition der Union

Zwar würde es Umfragen zufolge rein rechnerisch derzeit für Schwarz-Grün knapp gar nicht reichen, wie Stefan Merz vom Wahlforschungsinstitut Infratest dimap erläutert. In letzter Konsequenz lege Söder sich aber jetzt schon auf die Neuauflage einer Koalition mit der SPD als einzige Möglichkeit fest. "Und damit schwächt er die Verhandlungsposition der Union in Koalitionsgesprächen, weil sie die SPD nicht mit anderen Optionen unter Druck setzen könnte", sagt der Wahlforscher.

Denn: Selbst wenn die FDP es erneut in den Bundestag schaffen sollte, dürfte sie nur in einem Dreierbündnis eine Rolle spielen können. Eine Koalition mit der Linken und auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht bezeichnet Söder als "völlig unvorstellbar", und die Brandmauer der Union zur AfD soll weiter stehen. Bleibt folglich nur die SPD.

Doppelte Strategie Söders

Die Münchner Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl vermutet hinter Söders Äußerungen gleich zwei Strategien. Zum einen wolle er sich für den Fall eines unionsinternen Wettstreits um die Kanzlerkandidatur in Position bringen: "Weil Merz eben die Koalition mit den Grünen nicht vollständig ausschließt oder sich zumindest die Option offenhalten möchte, ist es dann ein klares Gegenbild, was Söder damit zeichnet."

Zum anderen seien die Grünen in Söders Strategie eine Art Projektionsfläche "für alles Schlechte in der Politik aktuell", erläutert Riedl. Immer wenn der CSU-Chef gegen die Grünen schieße, schwinge die Botschaft mit, dass er es anders und besser machen würde. In Bayern konkurriere Söder in diesem Punkt mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der die Grünen ebenfalls als Feindbild pflege. "Das hat Markus Söder mit Blick auf den Bundestagswahlkampf sicherlich auch mit im Hinterkopf." Er wolle verhindern, dass Aiwanger als der "passendste Gegenspieler der Grünen" gesehen werde - und die CSU Stimmen an die Freien Wähler verlieren könnte.

"Kein Frontalangriff gegen Merz"

Müsste Söder aber sein striktes Nein zu Schwarz-Grün nicht mit der Schwesterpartei absprechen? Kann CDU-Chef Merz Söders Vorpreschen gelassen sehen? In der CDU hat man nicht vergessen, wie Söder vor drei Jahren mit dem damaligen Parteichef und Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet umgegangen ist – die Sticheleien und Angriffe gelten als einer der Gründe für die Wahlniederlage der Union 2021.

Für die Politologin Riedl aber ist die Lage aktuell eine völlig andere als damals. "Das ist ja kein Frontalangriff gegen Friedrich Merz", sagt sie. Söders Anti-Grünen-Rhetorik sei für die CDU "nichts Neues". Der CSU-Chef habe durchaus aus dem vorigen Bundestagswahlkampf gelernt, dass Streit der Union insgesamt auf die Füße falle.

Söder klang schon mal ganz anders

Riedl will Söders Nein zu Schwarz-Grün auch nicht überbewerten. Es handle sich um Äußerungen vor einer Wahl. "Und da kann er zunächst einmal viel behaupten, viel ankündigen." Nach einer Wahl könne die Lage wieder anders aussehen.

Tatsächlich klang auch Söder schon mal ganz anders. Vor weniger als vier Jahren - gegen Ende der Großen Koalition aus Union und SPD – sprach sich der CSU-Chef im "Spiegel" gegen Schwarz-Rot aus und lobte den "großen Reiz" eines schwarz-grünen Bündnisses, "weil beide politischen Kräfte die ganz großen Fragen unserer Zeit im Blick haben". Anfang 2021 bezeichnete er im "Stern" Schwarz-Grün als "ein spannendes Zukunftsteam, das Inspiration bieten könnte".

Aktuell ist eine weitere Kehrtwende nicht zu erwarten. In den nächsten Wochen wollen Merz und Söder sich auf einen Kanzlerkandidaten einigen. Einmal mehr räumt der CSU-Chef in der ARD ein, dass "normalerweise" die CDU den Vortritt habe. Er versäumt es aber zugleich nicht, auf seine vergleichsweise guten Umfragewerte hinzuweisen. Es sei nicht sein "Lebensplan", Kanzler zu werden, versichert Söder. "Wenn die CDU einen bittet, dann komme ich in die Bredouille."

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