Stephan Biebl begibt sich auf die Pirsch. Ein- bis zweimal im Jahr besucht er das Königliche Schloss in Berchtesgaden. Hier macht er Jagd auf winzig kleine Tierchen. Denn was in den 220 Räumen herumsteht oder hängt, ist kostbar, weil Jahrhunderte alt und von historischer Bedeutung.
Die erste Station seiner Stippvisite ist der Renaissance-Saal mit einem drei Mal drei Meter großen Wandteppich aus dem 16. Jahrhundert.
Die "Barys" müssen ran
Weil der ein gefundenes Fressen für Motten sein kann, hat Stephan Biebl gleich viele potenzielle Feinde in einem Plastikröhrchen mitgebracht. Es handelt sich um Nützlinge: Die Schlupfwespen mit dem schönen Namen "Baryscapus" sollen gleich rauskrabbeln, um Eier oder Mottenlarven in organischem Material wie dem wollenen Wandteppich aufzuspüren. Biebl ist von ihren Diensten überzeugt: "Die Schlupfwespe ist wie der Spürhund, der die Trüffel im Wald oder die Bettwanze im Hotel sucht."
Bevor sie losgelassen werden, werden die "Barys", wie die Schlupfwespen genannt werden, noch unter einer Lupe, die 60-fach vergrößert, begutachtet. Sind sie agil, werden die Tiere aus dem Röhrchen auf den Boden geklopft. Danach beginnen sie ihre Arbeit und schwärmen aus. Doch in diesem Fall krabbeln sie zunächst weg vom Wandteppich. Biebl grinst sich eins: "Ab und zu dauert es, bis sie sich orientiert haben. Die sind ja neu hier, die kommen aus Berlin und müssen sich in Berchtesgaden erst zurechtfinden."
Besser vorbeugen, als teuer restaurieren
Die Inspektion ist eine reine Präventionsmaßnahme, denn Schädlinge können in einem historischen Gebäude große Schäden anrichten. Motten nisten sich gerne in Wolle ein oder auch im Rosshaar, dem Füllmaterial für Sitzpolster von Sofas oder Sesseln. Schäden, die sie anrichten können, sind nicht zu unterschätzen: Ein Kleidermottenweibchen kann 200 Eier legen. Sind es nur fünf Weibchen, die sich eingenistet haben, schwirren schon bald 1.000 Falter aus.
Holzwürmer fressen sich mit Vorliebe durch Bilderrahmen, wertvolle Schränke oder Kassettendecken. Holz ist ohnehin die Spezialität von Stephan Biebl, denn er ist studierter Holzingenieur. Sein Spitzname in Fachkreisen: der Holzwurmflüsterer. Seit 20 Jahren kommt Biebl ins Schloss Berchtesgaden. Durch seine Maßnahmen halten sich die Schädlinge in Grenzen.
Der "Holzwurmflüsterer": Ein Mann für alle Schädlingsfälle
Die Familie von Stephan Biebl betreibt das Geschäft mit dem Ungeziefer bereits seit über 130 Jahren. Der Schädlingsbekämpfer aus Benediktbeuern hat sich jedoch auf historische Gebäude wie Burgen und Schlösser, aber auch Kirchen und Museen spezialisiert. Seine Expertise und seine Dienstleistung sind gefragt, in Deutschland und weltweit. Und so hat ihn sein Beruf sogar schon bis nach Brasilien geführt.
Kampf dem Pelzkäfer: Krickerl müssen ins Gefrierfach
Derzeit machen Biebl in alten Gemäuern Papierfischchen Sorgen, die sich mitunter auf kostbaren Tapeten breitmachen. Teppich- und Pelzkäfer tun ihr Übriges.
Auch im Rehmuseum des Schlosses Berchtesgaden gibt es Pelzkäfer, die Haut und Knochen fressen. Sie knabbern sich leider auch durch das eine oder andere Exponat der über 4.000 Rehschädel und Krickerl der umfangreichen wissenschaftlichen Sammlung von Herzog Albrecht von Bayern und lassen sie wie Kekse regelrecht zerbröseln. Da hilft nur eins: Mehrere Exponate, bei denen es bereits rieselt, müssen ab ins Gefrierfach. Denn Kälte killt die Pelzkäfer.
Überhaupt: Die Chemiekeule packt Stephan Biebl nur in absoluten Härtefällen aus. Wenn nichts mehr hilft und der Schädlingsbefall zu umfangreich ist, muss das von Schädlingen befallene Objekt sogar eingepackt und mit CO₂ begast werden. Im Schloss Berchtesgaden war das vor vielen Jahren bei historischen Stühlen mit Rosshaarfüllung der Fall.
Im Video: Die Arbeit von "Kammerjägern" heute
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