Ella war neun Jahre alt, als sie 2013 in London an einem Asthma-Anfall starb. Ellas Mutter ging daraufhin durch alle juristischen Instanzen – und am Ende bescheinigte ein Gericht, dass zumindest mitverantwortlich für Ellas Tod Londons schlechte Luft gewesen ist. Ein wegweisendes Urteil, sagt die Epidemiologin Prof. Annette Peters vom Helmholtz-Zentrum München. Denn "das war der erste Totenschein, auf dem die Luftschadstoffe als Grund angegeben wurden. Allerdings hat die Mutter dafür klagen müssen."
Auch hierzulande reagieren vor allem Menschen mit Vorerkrankungen sensibel auf schlechte Luft. Menschen, "die Asthma haben, können das oft spüren, dass sich dann die Atemwege doch verengen, wenn sie an hochbelasteten Tagen mehr Schadstoffe einatmen müssen. Es gibt Kinder, die einfach nicht so spielen können, wenn die Luft schlecht ist, weil sie dann eben einen Asthmaanfall haben können", so die Epidemiologin.
Luftverschmutzung kann zu Atemwegserkrankungen führen
Die Deutsche Umwelthilfe, DUH, hat vor dem Verwaltungsgerichtshof in München geklagt – zusammen mit dem Verkehrsclub Deutschlands, VCD. Der Vorwurf: Die Landeshauptstadt hält die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub nicht ein und setzt den Luftreinehalteplan nicht ausreichend um. Jürgen Resch, Geschäftsführer der DUH, erklärt, dass seit über zehn Jahren sowohl die Stadt München als auch die Staatsregierung wüssten, "was sie ihren Mitbürgern antun, wenn Grenzwerte gerissen werden." Er gehe davon aus, "dass man mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit bei Kindern Lungenerkrankungen, Atemwegserkrankungen auslöst."
Luftreinhalteplan nur in Teilen umgesetzt
Die Stadt München hat bisher nur die erste Stufe des Luftreinhalteplans umgesetzt: Dieselfahrzeuge der Euro-4-Norm und schlechter dürfen in der Umweltzone nicht fahren. Stufe 2 – also auch Dieselfahrzeuge mit Euro-Norm 5 – sind derzeit ausgesetzt. Voraussichtlich im Frühjahr soll über die nächste Stufe beraten werden – auf der Grundlage der Jahresmittelwerte von 2023.
Noch gilt für Stickstoffdioxid (NO₂) ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das allerdings könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Auf EU-Ebene wird gerade ein Gesetz geplant, das diese Grenzwerte noch einmal halbiert – auf 20 Mikrogramm. Epidemiologin Annette Peters begrüßt das, denn die Überarbeitung der Grenzwerte sei in der Europäischen Union "lange überfällig".
Große europäische Studien hätten seit 2013 gezeigt, dass auch in Europa klar nachweisbar ist, dass die Luftschadstoffe zu hoch seien. Das bedeutet aus Sicht der Wissenschaftlerin, "dass wir in der Tat in den urbanen Räumen, aber möglicherweise auch auf dem Land Maßnahmen ergreifen müssen, um die Luft deutlich zu verbessern."
Auch Feinstaub-Belastung senken
Gesenkt werden sollen auch die Grenzwerte für besonders kleine Feinstaub-Partikel PM 2,5 – sie haben Teilchen in der Größe von 2,5 Mikrometer Durchmesser. Diese Partikel können in die Lunge gelangen und dort Schaden anrichten, etwa Atemwegserkrankungen auslösen. Es gibt allerdings noch weit kleinere Partikel – erklärt Annette Peters. Aus experimentellen Studien sei bekannt, "dass die ultrafeinen Partikel, also die kleiner als hundert Nanometer sind, die Lunge verlassen können und auch über den Riechnerv in das Gehirn gelangen können."
Je weniger Schadstoffe, desto besser für die Gesundheit
Aus gesundheitlicher Sicht steht für die Epidemiologin fest: Je weniger Schadstoffe in der Luft sind, desto besser. Klar ist schon jetzt: Die Klage der DUH und auch die geplante Gesetzesverschärfung aus Brüssel – beides könnte zu massiven Veränderungen führen – sowohl für die Mobilität als auch für die Luftqualität.
Im Video: Luftreinhalteplan - Umwelthilfe klagt gegen Stadt München
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