Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) informierte sich am Donnerstag (24.08.23) zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) über die im Bau befindliche Geothermie-Anlage nahe Geretsried. Die deutschen Politiker, Vertreter der kanadischen Regierung und Mitarbeiter der kanadischen Betreiberfirma "Eavor Loop" besuchten das Gelände in einem Waldstück in der Nähe von Geretsried.
Kein heißes Wasser unter Geretsried – dafür heißer Stein
Im Oktober 2022 hatte Eavor Loop mit den Vorbereitungen des Bohrplatzes begonnen, im Juli 2023 war die sogenannte Meißelweihe zum Beginn der Bohrungen. Bereits vor zehn Jahren waren erste Bohrungen auf der Suche nach heißem Wasser bis in die Rekordtiefe von 6.000 Metern vorgedrungen. Wasser wurde damals nicht gefunden, aber heißes Gestein.
Dieses Gestein will die Firma jetzt als Tiefenwärme-Tauscher zur umweltfreundlichen Energie-Gewinnung nutzen, erklärt Daniel Mölk, der isländische Projektleiter für das Geothermie-Kraftwerk, dem BR. Damit will die kanadische Firma Energie gewinnen.
Scholz: Erdwärme-Einspeisung soll sich bis 2030 verzehnfachen
Die Politiker zeigten sich in Geretsried angetan von dem Projekt. Ministerpräsident Söder sagte, man sitze in Bayern praktisch wie auf einer Wärmflasche, Bundeskanzler Scholz erklärte, die Geothermie im Rahmen der Energiewende zur Wärmegewinnung einzusetzen, sei schon deswegen "naheliegend", da "sie ja immer da ist". 12 neue Geothermieanlagen seien derzeit in Deutschland im Bau und 82 weitere in Planung, so Scholz: "Das läuft also ganz gut, aber da geht noch mehr", sagte er.
Geothermie sei insbesondere für Kommunen und deren Wärmeversorgung interessant, daher spiele sie im Mix der erneuerbaren Energien, bei denen man nicht nur "auf eine Sache setzen" könne, eine wichtige Rolle. Der Bund fördere daher entsprechende Projekte, Ziel sei es, bis zum Jahr 2030 "zehnmal so viel Erdwärme ins Netz einzuspeisen wie heute".
Energiequellen: Sonne, Wind – und bald auch Gestein?
Bei dem Projekt in Geretsried wird eine Vielzahl von horizontalen Röhren (Loops) wie eine Fußbodenheizung ins Gestein gebohrt und Süßwasser in die Tiefe geleitet. Dieses Wasser erhitzt sich im süddeutschen Molassebecken – der Gesteinsschicht, die Geothermie im Großraum München ermöglicht – und kommt mit einer Temperatur von bis zu 120 Grad Celsius wieder an der Oberfläche an.
Damit wird ein grundlastfähiges Kraftwerk zur Stromgewinnung betrieben. In einem weiteren Schritt soll die Stadt Geretsried an die Fernwärme angeschlossen werden. Jedes Loop wird in einer Tiefe von etwa 4.500 Metern ein geschlossenes Röhrensystem von insgesamt 80 Kilometern Länge bilden. Das erste von insgesamt vier geplanten Loops soll im Herbst 2024 fertiggestellt werden.
Wichtiger Schritt für deutschen Energiemix?
In der Nähe der kanadischen Stadt Calgary betreibt Eavor Loop ein kleines Modell-Kraftwerk, das mit ihrer Technik bereits Energie gewinnt. Hier in Deutschland ist Geretsried der erste Standort, an dem die Technologie erprobt wird. Sollte sie auch hierzulande funktionieren, wäre das ein wichtiger Schritt für den Energiemix in Deutschland: Nach Ansicht von Geowissenschaftlern wäre damit nämlich in vielen Teilen Deutschlands eine Wärmegewinnung möglich.
Die Baukosten werden auf 250 bis 300 Millionen Euro beziffert. Die Europäische Kommission unterstützt das Vorhaben mit rund 92 Millionen Euro aus einem Innovationsfonds.
Scholz unterstützt bayerische SPD im Wahlkampf
Nach seinem Besuch in Geretsried ging es für den Kanzler noch zu einem Wahlkampftermin nach München, um sich in einer Diskussion mit Landtagsspitzenkandidat Florian von Brunn Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu stellen. Erst am vergangenen Freitag war Scholz gemeinsam mit von Brunn bei einer Wahlkampfkundgebung auf dem Münchner Marienplatz aufgetreten.
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