Was tun, wenn eine Stadt in Finanznot ist und bei den Ausgaben keinen Spielraum mehr sieht? Dann muss sie die Einnahmen erhöhen. Der größte Hebel dafür ist die Gewerbesteuer, für die jede Kommune ihren eigenen Hebesatz festlegen kann. Im oberfränkischen Hof haben am Montag alle Fraktionen außer der CSU-Fraktion für eine Gewerbesteuererhöhung gestimmt, befristet auf drei Jahre. Der Hebesatz steigt damit von 400 auf 415 Punkte.
Ohne Erhöhung der Gewerbesteuer keine Stabilisierungshilfe
Das ist mehr als in Bamberg, Bayreuth oder Coburg – aber noch immer weniger als in Plauen, Nürnberg, Fürth und Erlangen. Die meisten Hofer Stadträte sahen keine andere Wahl: Die Regierung von Oberfranken hatte Hof die Steuererhöhung nahegelegt, um "Konsolidierungswillen" zu beweisen, damit wieder staatliche Stabilisierungshilfe in Millionenhöhe fließt, um marode Brücken, Straßen und Schulen zu sanieren.
CSU-Fraktion: Steuererhöhung schlechtes Signal an die Wirtschaft
Dass die Erhöhung negative Folgen haben könnte – also etwa Unternehmen vertreiben – glaubt auch die CSU-Stadtratsfraktion nicht, die gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer stimmte. Dafür sei der finanzielle Sprung zu gering, sagte Fraktionschef Wolfgang Fleischer dem BR: "Das kann jeder Unternehmer wegstecken. Nur: Es ist einfach ein schlechtes Signal an die Wirtschaft." Die SPD hatte demgegenüber betont, nachdem der Stadtrat viele Gebühren erhöht habe, die einzelne Bürgerinnen und Bürger treffen, es sei gerecht, wenn jetzt auch Unternehmen einen Beitrag leisteten.
Nach Hof müssen auch andere Städte die Gewerbesteuer erhöhen
Ein Sprecher des Bayerischen Städtetags sagte dem BR, Hof sei in der gegenwärtigen Situation kaum eine andere Wahl geblieben, als die Gewerbesteuer zu erhöhen. Andere Städte würden in der nächsten Zeit wegen steigender Kosten ähnliche Entscheidungen zu treffen haben.
Mit einem Hebesatz von 415 Punkten hat Hof den höchsten Gewerbesteuersatz in Oberfranken. Das war im Vorfeld vom Hofer IHK-Gremium kritisiert worden. Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Hofer Stadtrat, Wolfgang Fleischer, hatte vor der Abstimmung befürchtet, die geplante Erhöhung könnte "das gute Miteinander mit den Betrieben beschädigen".
OB: Unternehmen müssen Lasten mittragen
Die Hofer Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) hatte die Erhöhung als notwendigen Schritt bezeichnet. "Die Gewerbesteuererhöhung tut weh. Man macht so etwas nicht leichtfertig. Ich bin auch der Meinung, dass die Belastungen gleichmäßig verteilt werden sollen, auf Bürgerinnen, Bürger und Gewerbe." Der Hintergrund: Die finanzschwache Stadt Hof stand unter starkem Druck der Aufsichtsbehörde Regierung von Oberfranken, beim städtischen Haushalt "mehr Konsolidierungswillen" zu zeigen. Ansonsten droht Hof auch für 2024 der Entzug der sogenannten Konsolidierungshilfe des Freistaats. Diese soll besonders hoch verschuldeten Gemeinden wieder auf die Beine helfen. Dabei geht es um mehrere Millionen Euro. Im Jahr 2023 waren die Hilfen tatsächlich gestrichen worden. Oberbürgermeisterin und Stadtrat wollen sie in diesem Jahr unbedingt wieder bekommen. In einem Schreiben an die Stadt Hof hatte die Regierung die Erhöhung der Gewerbesteuer als eine Möglichkeit genannt, den nötigen Konsolidierungswillen zu zeigen.
Stadtrat nahm Sparmöglichkeiten unter die Lupe
In den vergangenen Wochen hatten die Mitglieder des Hofer Stadtrats in langen Sitzungen nach Sparmöglichkeiten gesucht und um jeden Euro gerungen. Doch ohne die Gewerbesteuererhöhung kann im städtischen Haushalt nicht die so genannte Mindestzuführung in den Vermögenshaushalt erreicht werden, es bleibt eine Lücke von mehr als einer Million Euro. Das heißt: Hof müsste, um laufende Kredite zu bedienen, in die Rücklagen greifen.
Ausgaben steigen bei vielen Städten
Nach Einschätzung des Bayerischen Städtetags ist die Situation Hofs zwar einerseits besonders zugespitzt, andererseits aber auch typisch für die derzeitige Finanzlage der bayerischen Kommunen. Diese verschärft sich laut Städtetags-Sprecher Achim Sing dramatisch. Grund sei die Inflation, die zu steigenden Ausgaben führt: "Zum Beispiel fürs Personal, für Soziales, für Bauinvestitionen in Schulen und Kitas, für das Krankenhauswesen - alles!" Die Stadt Hof hat nach Ansicht Sings keine anderen Spielräume mehr, so dass die Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes "eigentlich der einzige Ausweg ist, um aus dieser misslichen Situation wieder herauszukommen". Das werde in nächster Zeit in einer Reihe anderer bayerischer Städte genauso der Fall sein.
In Sachsen sind die Gewerbesteuern höher
Wie aus einer Übersicht des statistischen Bundesamts hervorgeht, wäre die Gewerbesteuer nach der geplanten Erhöhung auf 415 Punkte in Hof zwar tatsächlich so hoch wie nirgends sonst in Oberfranken. Im benachbarten Sachsen liegen die Sätze dagegen vielerorts noch höher: Plauen, Zwickau, Chemnitz und Dresden verlangen bei ihrer Gewerbesteuer jeweils einen Hebesatz von 450 Prozent. Generell fallen die Gewerbesteuersätze in Bayern oft niedriger aus als in den meisten anderen Bundesländern. Denn die bayerischen Kommunen sind im Bundesländervergleich finanzkräftig.
In München zahlen Unternehmen am meisten
Nach einer Auswertung des bayerischen Landesamts für Statistik verlangten 2023 dennoch 16 Prozent der bayerischen Kommunen einen Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 oder mehr. An der Spitze lag mit 490 Prozent die Landeshautstadt München. Danach folgen die Großstädte Augsburg mit 470 Prozent und Nürnberg mit 467 Prozent. Unter den Kommunen mit geringerer Gewerbesteuer sind vielfach kleinere Gemeinden. Das ist laut Achim Sing vom Bayerischen Städtetag kein Zufall: "Je größer die Stadt, desto größer sind die Aufgaben, die zu erfüllen sind." Viele Einrichtungen, die von Städten finanziert werden, dienen auch der Bevölkerung des Umlands, so Sing – etwa Krankenhäuser, weiterführende Schulen, soziale Einrichtungen oder Kultureinrichtungen wie Volkshochschulen, Schulen oder Theater.
Vertreibt eine höhere Steuer Unternehmen?
Trotzdem bestehe die Gefahr, dass Unternehmen wegen der Gewerbesteuer abwandern, gibt Achim Sing zu Bedenken. Aber: "Eine Standortentscheidung fällt ja aufgrund mehrerer Kriterien. Und da ist die Höhe der Gewerbesteuer nur eines von vielen und sicherlich nicht immer das entscheidende Kriterium." Auch die Hofer Oberbürgermeisterin erwartet keine Betriebsverlagerungen – zumal Hof beabsichtigt, die Gewerbesteuer nach drei Jahren wieder zu senken: "Wir haben das ganz bewusst zeitlich begrenzt und sind uns deshalb auch sicher, dass die Schreckgespenster der negativen Begleiterscheinungen kleiner sind als sie gemalt werden."
Keine Änderung bei Personengesellschaften
Dazu trägt auch bei, dass eine Gewerbesteuererhöhung nur Kapitalgesellschaften trifft, etwa AGs oder GmbHs. Personengesellschaften, also Freiberufler, Einzelunternehmer und auch GmbH und Co. KGs, bekommen die erhöhte Gewerbesteuer bei ihrer Einkommensteuer angerechnet. Für sie ändert sich also das Steueraufkommen nicht – ihre Heimatstadt erhält davon aber einen größeren Anteil.
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