Vor über zwei Jahren, am 24. Februar 2022, begann die Invasion russischer Truppen in der Ukraine. Seitdem leben die meisten Menschen in der Ukraine unter ständiger Angst, dass sie oder ihre Angehörigen Opfer von Angriffen werden. Und für viele Menschen ist diese Angst schon zur Realität geworden, sie sind traumatisiert. 15 Therapeutinnen und Therapeuten aus der Ukraine lernen nun fünf Tage lang in Würzburg neue Methoden der Traumabewältigung. So sollen die psychischen Schmerzen des Krieges gelindert werden.
Psychische Schmerzen durch schlimme Erlebnisse
Einer von ihnen ist Oleskii Smirnov. Der 37-Jährige arbeitet in Lwiw, im größten Rehazentrum der Ukraine. Schwerste Kriegsverletzungen werden dort behandelt. "Mit den körperlichen Wunden können wir gut umgehen. Die schlimmen Erlebnisse lösen bei vielen auch psychische Schmerzen aus, hier wollen wir besser helfen", sagt Smirnov.
In Würzburg wurde ein Programm entwickelt, um Therapeutinnen und Therapeuten unkompliziert und schnell zu qualifizieren. Davon soll nun auch die Ukraine profitieren. DAHW, Universitätskilinum Würzburg und Lions Clubs ermöglichen die Fortbildungen.
Durch Augenbewegungen Trauma verarbeiten
Eine einfache Methode hilft, dass traumatisierte Menschen belastende Erfahrungen weitgehend selbst verarbeiten können – in manchen Fällen genügen wenige Sitzungen. EMDR heißt diese Anwendung. Der Klient oder die Klientin folgt mit den Augen den Fingern der therapierenden Person. Die Augenbewegungen sind mit dem REM-Schlaf vergleichbar – in der Phase des Schlafes, in der die Geschehnisse des Tages verarbeitet werden. Ähnlich funktioniert das auch mit traumatischen Erlebnissen. Nach einem Attentat in der Würzburger Innenstadt zeigte sich – innerhalb kurzer Zeit konnte vielen Menschen mit dieser Methode geholfen werden.
Lebenslanges Leid verhindern
Werden traumatische Erlebnisse nicht behandelt, können sie lebenslange Folgen nach sich tragen, die sogar die nächste Generation spürt. Die Nachfahren leiden dann an Symptomen wie Schlaflosigkeit oder Depressionen, ohne dass sie das Trauma selbst erlebt haben. Das zeigte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
"Mit einfachen Methoden können wir in vielen Fällen ein ähnliches Leid in der Ukraine verhindern", so die Leiterin der Würzburger Trauma-Ambulanz, Marion Schowalter. Deshalb sollen weitere ukrainische Therapeutinnen und Therapeuten in Würzburg geschult werden. Oleskii Smirnov ist dankbar für das Angebot. Er will seine Erfahrungen auch an andere Therapeuten in der Ukraine weitergeben und meint: "Mit der ersten Schulung in Würzburg ist ein wichtiger Stein ins Rollen gekommen."
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