Es ist ein sensationeller Fund: 85 Jahre nach dem Abriss der Münchner Hauptsynagoge durch die Nazis sind bei Bauarbeiten Überreste des Gebäudes gefunden worden. Die Reste lagerten wohl seit den 1950er-Jahren an der Isar.
Es sind unter anderem Säulenteile aus der alten Münchner Hauptsynagoge, die Arbeiter bei der Erweiterung des Großhesseloher Isarwehrs entdeckten. Gefunden wurde auch eine Gesetzestafel aus Stein, die früher im Inneren der Synagoge über dem Tora-Schrank angebracht war.
Teile der abgerissenen Synagoge am Isarufer wiederentdeckt
Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums in München, ist fast sprachlos angesichts des Sensationsfunds. Seitdem Adolf Hitler den Abriss der Synagoge noch vor dem Novemberpogrom im Juni 1938 befohlen hatte, war unklar, wo der Schutt des riesigen Gebäudes abgeblieben war.
Die Firma Leonhard Moll, die die Zerstörung der Synagoge in Stachus-Nähe durchgeführt hatte, lagerte den Schutt zunächst auf dem Firmengelände im Münchner Westen. Nach dem Krieg, im Jahr 1956, wurde Gebäudeschutt – also auch die Überreste der Synagoge – von dort zur Isar für Renovierungsarbeiten am Wehr verwendet. Was nun mit den 150 Tonnen Schutt geschieht, ist noch unklar. Museumsdirektor Purin jedenfalls hofft auf weitere Funde aus dem Innenleben der zerstörten Synagoge.
Die jetzt gefundenen Fragmente seien überaus bedeutsam, freut sich auch die liberale jüdische Gemeinde Münchens. Sie sieht sich als Nachfolger dieser Synagoge und hofft, dass zumindest einer der dort entdeckten Steine auch in ihre Gemeinde kommt – als Erinnerung.
Im Video: Bei Bauarbeiten wurden Überreste der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge entdeckt
Laut Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) herrschte im ersten Moment nach dem Bekanntwerden Entsetzen über die würdelose Verwendung des Abbruchmaterials aus der alten Hauptsynagoge, deren Bruchstücke offensichtlich als Füllmaterial auf einer Baustelle verwendet worden waren. Die Präsidentin der IKG, Charlotte Knobloch, war selbst noch als kleines Kind in der Synagoge, bevor diese vor fast genau 85 Jahren zerstört wurde. Die übrigen Münchner Synagogen wurden fast ausnahmslos in der Reichspogromnacht am 9. November vernichtet. Lediglich die Synagoge in der Reichenbachstraße wurde nur teilweise zerstört.
Münchens Bürgermeister nennen Fund Glücksfall und Sensation
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte auf BR-Anfrage, dass der Abriss der Hauptsynagoge auf Befehl Hitlers den Beginn von Ausgrenzung, Verfolgung und Zerstörung jüdischer Kultur markierte. "Dass wir heute Überreste des ehemals stadtbildprägenden Prachtbaus finden, ist ein Glücksfall und berührt mich sehr", sagte Reiter. "Jüdisches Leben war und ist ein fester Bestandteil unserer Stadtgeschichte, Gegenwart und Zukunft."
Der Fund hätte einen unschätzbaren Wert für die Münchner Stadtgeschichte und sei eine Sensation, betonte Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne): "Der Abriss der Synagoge durch die Nazis vor 85 Jahren war einer der schwärzesten Tage Münchens. Es ist deshalb unsere historische Verpflichtung, die Funde zu sichern und der jüdischen Gemeinde zurückzugeben", so die Kommunalpolitikerin.
Laut Kulturreferat hat nun das Landesamt für Denkmalpflege die Koordination der archäologischen Arbeiten am Wehr übernommen. Die Stadtverwaltung wolle das Landesamt für Denkmalpflege dabei bestmöglich unterstützen, teilte das Kulturreferat auf BR-Anfrage mit.
Im Audio: Reste der alten Hauptsynagoge entdeckt
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