"Firmensitz" im Ebersberger Forst.
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Setzte sich ein Minister für eine "Steueroase" im Wald ein?

Nach Veröffentlichung der Panama Papers 2016 gerieten Briefkastenfirmen weltweit in die Kritik. Ein "Firmensitz" im Ebersberger Forst sollte deshalb zügig aufgelöst werden - was dann aber doch nicht passierte. Warum? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

"St. Hubertus 2" im Ebersberger Forst: Das war einmal die wohlklingende Adresse mehrerer Firmen aus dem Konzern der HypoVereinsbank. Wer sich die Mühe gemacht hat, dort mal vorbeizuschauen, dürfte wohl etwas erstaunt gewesen sein. Denn hinter der Adresse verbarg sich kein Geschäftsgebäude, sondern der sogenannte Seegrasstadel - ein unscheinbarer und etwas verwitterter Holzschuppen der Staatlichen Forstverwaltung im Ebersberger Forst.

Von 2004 bis 2020 hing an dem Stadel ein Briefkasten, darauf zwei Schilder mit insgesamt sieben Firmennamen. Sogar Bürozeiten gab es laut einem provisorisch aufgeklebten Zettel - drei Stunden pro Woche.

Kündigung nach Veröffentlichung der Panama-Papers

Nach Veröffentlichung der "Panama Papers" im April 2016 gerieten Briefkastenfirmen in Steueroasen weltweit in die Kritik. Dem Staatsforst war danach vermutlich unwohl geworden, denn nach BR-Informationen wurde der Mietvertrag zwischen den Bayerischen Staatsforsten und der Firma H.F.S. Leasingfonds GmbH zum 31. Dezember 2016 gekündigt.

Das Landratsamt von Ebersberg bestätigte dem BR auf Anfrage: "Die Staatsforsten haben die Mietverträge 2016 rein 'vorsorglich' aufgrund der Medienberichterstattung zu den Panama Papers und ohne einen konkreten Hinweis gekündigt." Und weiter: "Auf Seiten der Verwaltung des Landkreises Ebersberg war auch stets davon ausgegangen worden, dass es sich auch tatsächlich um Betriebsstätten im rechtlichen Sinne gehandelt hatte."

Hat sich der Landwirtschaftsminister für die Steueroase eingesetzt?

Nun stellt sich also die Frage, warum die Mietverträge nach der Kündigung im Jahr 2016 dann doch noch weitergelaufen sind und letztendlich erst im Jahr 2020 aufgelöst wurden? Laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), die sich auf Ermittlungsakten beruft, soll damit der ehemalige Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) etwas zu tun haben. So soll der Minister beim Chef der Staatsforsten, Martin Neumeyer, angerufen haben. Das berichtet zumindest laut "SZ" Neumeyer selbst, der bei den laufenden Ermittlungen als Zeuge ausgesagt hatte.

"Den Ermittlungsakten zufolge hatte Minister Brunner mit seinem Anruf Erfolg", berichtete die "SZ" weiter. Brunner soll bei dem Telefonat gefordert haben, die Staatsforsten solle eine einvernehmliche Lösung mit dem Landkreis finden.

Der Ex-Minister Helmut Brunner teilt dazu auf BR-Anfrage mit: "Was einen möglichen Anruf bei Herrn Neumeyer anbelangt, kann ich mich beim besten Willen nach 7 Jahren nicht mehr erinnern. Ich habe mir in den letzten Tagen tatsächlich den Kopf darüber zerbrochen (...). Nach Rücksprache mit meinen damaligen Mitarbeitern im Ministerium, wissen diese auch nichts von so einem derartigen Telefonat." Und weiter erklärt Brunner: "Es stand nie zur Debatte, eine 'Briefkastenfirma' oder 'Steueroase' zu unterstützen, das hätte ich bestimmt nicht getan."

Vonseiten der Staatsforsten heißt es dazu: "Herr Neumeyer ist seiner Zeugenpflicht nachgekommen. Er hat seiner Zeugenaussage nichts hinzuzufügen."

Staatsanwaltschaft München ermittelt

Laut "SZ" kam die Steuerfahndung Rosenheim zu dem Ergebnis, dass bei den Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst eine "erhebliche kriminelle Energie" vorgelegen habe. Sieben Geschäftsleute aus dem HVB-Konzern würden der Steuerhinterziehung verdächtigt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München. Auf BR-Anfrage heißt es: "Da die Ermittlungen in dem von Ihnen erwähnten Verfahren noch nicht abgeschlossen sind, kann ich derzeit keine Aussage dazu treffen, ob beziehungsweise in welchem Umfang aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein Tatnachweis geführt werden kann."

Die Mietverträge mit den Firmen im Ebersberger Forst jedenfalls liefen noch bis 2020 und wurden dann vonseiten des Landkreises gekündigt. Das Landratsamt Ebersberg teilt dazu mit: "Die Betriebssitze waren von den Betreibern, der dort ansässigen Firmen, bereits vor Jahren faktisch nicht mehr aktiv betrieben worden. Jedenfalls im Jahr 2020 fand seitens der im Seegrasstadel angesiedelten Firmen keine nennenswerte Geschäftstätigkeit mehr statt." Gewerbesteuereinnahmen habe es schon seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. "Um nicht weiterhin der Gefahr einer (Falsch-)Beurteilung der gewerbesteuerrechtlichen Situation seitens der Finanzbehörden zulasten des Landkreises ausgesetzt zu sein, wurden im Oktober 2020 sowohl der Mietvertrag mit den Bayerischen Staatsforsten AöR als auch der Untermietvertrag mit den Fondsgesellschaften proaktiv durch den Landkreis Ebersberg gekündigt."

Ist der Standort mehrmals überprüft worden?

Dass es auch Kontakt zwischen dem Ex-Minister und dem Landrat von Ebersberg, Robert Niedergesäß, in der Sache gab, das bestätigte auch Helmut Brunner. Er war zu dem Zeitpunkt nicht nur Landwirtschafts- und Forstminister, sondern auch Aufsichtsratschef beim Staatsforst. Es sei zwischen dem Landrat und dem Minister im Frühjahr 2016 zu einem Briefwechsel gekommen. So hat der Ebersberger Landrat laut Brunner am 31. Mai 2016 geschrieben: "Der Landkreis Ebersberg hat aber großes Interesse, diesen Gewerbestandort aufrechtzuerhalten. Wir haben im Jahr 2004 die rechtlichen Voraussetzungen umfassend geprüft, es handelt sich um keine sog. 'Steueroase'. Eine ausführliche rechtliche Beurteilung des Landratsamtes ging damals vorab zur Prüfung an die Regierung von Oberbayern und wurde von dort nicht beanstandet. Im Jahr 2006 fand eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt Ebersberg statt."

Auch das Landratsamt Ebersberg teilte auf BR-Anfrage dazu mit: "Rund ein Dutzend Betriebsprüfungen der Bayerischen Finanzverwaltung (Finanzamt) gaben ferner keinen Anlass für das Landratsamt zur Beanstandung."

Laut "SZ" bewertet das Finanzamt Rosenheim die ehemalige Firmenadresse "St. Hubertus 2" im Ebersberger Forst als "reine Fassade". Doch warum fiel das nicht schon früher auf? Hat das Finanzamt tatsächlich den Standort "rund ein Dutzend" Mal geprüft? Das Bayerische Landesamt für Steuern teilt dazu mit: "Eine Beantwortung (...) ist leider ebenfalls aufgrund des Steuergeheimnisses bzw. aus ermittlungstaktischen Gründen nicht möglich."

Wenn Firmen den Graubereich Gewerbesteuer ausnutzen

Die Staatsanwaltschaft München muss nun entscheiden, ob es zu einer Anklage kommt. Grundsätzlich gilt aber: Jede Gemeinde in Deutschland darf ihren Gewerbesteuersatz selbstständig festsetzen, denn der Steuersatz unterliegt dem Selbstverwaltungsrecht und das ist auch im Grundgesetz verankert.

Was aber, wenn Firmen das ausnutzen und nur zum Schein Objekte in Kommunen mit einer niedrigeren Gewerbesteuer anmieten? Damit auf dem Papier eine andere Adresse und Telefonnummer steht - obwohl sie eigentlich in anderen Städten arbeiten?

Oftmals handelt es sich hier um Geschäfte, die sich im Graubereich abspielen, wie möglicherweise im Fall der Unternehmerin Andrea Tandler.

  • Zum Artikel: "Graubereich Gewerbesteuer - Grünwald als Steuerparadies?"

Im Video: Ebersberger Forst - Ein Steuerparadies in Deutschland (Archiv)

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