Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sich in der Sendung "jetzt red i" im BR-Fernsehen am Mittwochabend den Fragen der anwesenden Bürgerinnen und Bürger gestellt. Als es um die Situation der Landwirte und deren Proteste ging, teilte er in Richtung Finanzminister Lindner (FDP) aus.
Dessen Auftritt auf einer Bauern-Kundgebung in Berlin habe er "unmöglich" gefunden. "Sich dahinzustellen und zu sagen: Ich habe auch mal in meinem Leben einen Stall gesehen, und deswegen bin ich einer von euch, das muss man sich mal vorstellen“, so Söder. Und er legte nach: "Oder ich bin Jäger. Man stellt sich das vor, wie Lindner mit dem Porsche zum Revier fährt." Das sei "ein Hohn gegenüber den Leuten."
Finanzminister Lindner hatte bei der Großdemonstration die Streichung der Subventionen verteidigt und war dabei beschimpft und ausgebuht worden. Wörtlich hatte Lindner gesagt: "Ich bin Jäger, ich bin schon fertig, wenn ich den Pferdestall ausgemistet habe." Deswegen wisse er, "was das für eine Arbeit ist, es den ganzen Tag und jeden Tag zu machen."
Söder macht sich über Scholz lustig: "Ich weiß es, ich sag’s euch aber nicht"
Über Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte Söder: "Ich finde, der Bundeskanzler, der könnte auch mal was sagen." Scholz müsse – Stichwort "Mentalität" – motivieren. Der CSU-Chef verglich Scholz mit einem Fußballtrainer, der seinen Spielern auf die Frage, wie sie spielen sollten, antworte: "Ich weiß es, ich sag’s euch aber nicht."
Söder: Bund hätte eher beim Bürgergeld als beim Agrardiesel sparen sollen
Die Wut der Bauern, sie war an diesem Abend auch in der Gerold-Strobel-Halle im oberfränkischen Bad Rodach zu spüren: Der Landwirt Johannes Jugenheimer beklagte sich über die wachsende Zahl an Auflagen, die sich zu oft wieder ändern würden. Der bayerische Ministerpräsident zeigte Verständnis und kritisierte in Hinblick auf die Ampelregierung eine "geringe Wertschätzung, die da gerade stattfindet".
Statt den Agrardiesel zu streichen, hätte der Bund lieber an anderen Stellen sparen sollen: "Mit einer Änderung von Heizungsgesetz oder Bürgergeld hätte man die Milliarde locker finanzieren können", so Söder. Stattdessen habe es die Bauern getroffen.
Angst vor Abwanderung der heimischen Industrie ins Ausland
Doch nicht nur bei den Landwirten war die Stimmung an diesem Abend angespannt: Markus Geflitter, Mitarbeiter eines Automobilzulieferers, äußerte seine Angst vor der Abwanderung der heimischen Industrie ins Ausland, speziell nach Osteuropa. Dort würden "mehr Förderungen fließen". Ein entsprechender Förderantrag seiner Firma liege der Bayerischen Staatskanzlei vor.
Söder zeigte sich zuversichtlich und meinte, die Genehmigung des Antrags "müsste klappen" - wenn es denn ein "halbwegs vernünftiger Antrag" sei. Und er kritisierte die bestehenden Förderbedingungen: "Wir haben relativ unfaire Fördersysteme", so Söder. Er nannte als Beispiel Thüringen, wo diese höher seien, außerdem nutzte er die Gelegenheit, um die – aus seiner Sicht – Benachteiligung Bayern durch den Länderfinanzausgleich zu kritisieren.
Sorge um Wettbewerbsfähigkeit
Als Kernproblem für die heimische Industrie nannte der Ministerpräsident die zu hohen Energiepreise: "Wenn das so weitergeht", so Söder, "werden wir nicht wettbewerbsfähig sein". Entscheidend, so Söder, sei aber die "Mentalität", die sich ändern müsse: "Da ist das Problem, dass in Deutschland Leistung nicht zählt."
Deswegen habe er – anders als bei den Protesten der Bauern – wenig Verständnis für die Lokführer. Denn: "Die wollen immer weniger arbeiten." Auch von einer "drei, vier-Tage-Woche" halte er nichts, mit dieser könne der Wohlstand nicht dauerhaft gesichert werden. Er wiederholte in diesem Zusammenhang seine Kritik am Bürgergeld: "Wer arbeitet, hat nicht viel mehr als jemand, der nicht arbeitet", so Söder. Das sei ein "grundlegend falscher Weg".
Schulleiter: Teilzeit-Modell darf nicht angetastet werden
Mehr Leistung – das forderte Söder, zumindest indirekt, auch von den Lehrern. Als es um den Ausbau der Nachmittagsbetreuung in Schulen ging, meinte er: "Ich finde es sehr wichtig, dass man manchmal Teilzeit hat." Wenn aber deshalb Stellen fehlten und mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in Teilzeit arbeiteten, müsse man "überlegen", ob man daran - zumindest übergangsweise - etwas ändert.
Widerspruch erhielt er an dieser Stelle von Max Lachner, einem Schulleiter einer Grund- und Mittelschule in der Region. Seine Frau sei ebenfalls Lehrerin, erzählte der vierfache Familienvater, und arbeite in Teilzeit: "Nur so ist es möglich, dass wir Familie und Beruf vereinbaren können." Die Teilzeit sollte man deswegen "nicht antasten".
Klimaaktivistin wirft Staatsregierung "Ambitionslücke" vor
Nicht nur von dem Schulleiter bekam Söder Gegenwind. Klimaaktivistin Helena Lakemann war sichtlich aufgebracht und attestierte wiederum der bayerischen Staatsregierung eine "Ambitionslücke", was die Bewältigung der Klimakrise angehe. Und verwies darauf, dass in Bayern zwischen 1990 und 2021 nur 18 Prozent der Treibhausgase eingespart wurden - bundesweit waren es mehr als doppelt so viel. Sie kritisierte Söder außerdem für das "populistische Klima", das ihr Sorgen bereite. Ihre Frage an den Ministerpräsidenten: "Wann hören Sie auf mit der Sündenbock-Rhetorik und mit dem Grünen-Bashing?"
Söder entgegnete, Bayern habe bundesweit den niedrigsten Pro-Kopf-Ausstoß von CO2. Die Staatsregierung nehme das Thema Klima "ernst", aber: Nur mit einer Rückkehr zur Kernenergie, so Söder, seien "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Klimaneutralität" schneller zu erreichen. Auf die Nachfrage des Moderators, ob die Grünen zuletzt als alleiniger "Sündenbock" in der Ampelkoalition hätten herhalten müssen, meinte Söder: "Nö, die verdienen das schon."
Söder weiterhin gegen AfD-Verbot
Angesprochen auf ein mögliches Verbot der AfD, zeigte sich Söder skeptisch. Ein AfD-Verbotsantrag werde "nicht funktionieren", weil er "rechtlich extrem schwierig umzusetzen" sei. Außerdem finde er es "absurd", dass man das Erstarken der AfD "mit einem Verbot zu lösen" versuche. Man müsse sie "in der Sache" stellen.
Den AfD-Politiker Björn Höcke kritisierte er für dessen Bewunderung für Russlands Präsident Putin: "Ich bin so aufgewachsen, dass wir gesagt haben, vor dem Kommunismus passen wir auf", so Söder. "Wir sind an der damaligen Grenze aufgewachsen mit Schießbefehl - also ich brauche das nicht noch mal."
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