Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat bei den Schlussworten im Landtag vor der Sommerpause vor einer Entfremdung zwischen Politikern und Teilen der Bevölkerung gewarnt. "Vielleicht könnte es sein, dass wir gar nicht all die erreichen, die wir erreichen müssen", sagte der CSU-Politiker.
"Fühlen sich wirklich die Facharbeiter von uns allen so angenommen, wie wir glauben?" Ob Selbstständige, Handwerksmeister, Landwirte, eine Kassiererin, Pflegekräfte oder Busfahrer: "Glauben sie, dass, was wir hier diskutieren, ihre Realität berührt? Oder haben sie manchmal das Gefühl, dass all das, was so getan wird in der großen Politik, doch weitgehend an ihrer Lebensrealität vorbeigeht?"
Söder: Junge Menschen bei Fehlern nicht beschimpfen
Eine große Aufgabe für die Politik sei, diese Lebensrealitäten der Menschen anzunehmen. Das betreffe nicht nur den Umgang mit sozialen Fragen, sondern auch mit der Jugend. "Junge Leute nur zu belehren oder zu beschimpfen, weil vielleicht ein junger Mensch auch einen Fehler macht, ist nicht das Richtige. Wir müssen sie ernst nehmen!"
Wichtig sei auch, mit jungen Menschen so zu kommunizieren, wie diese kommunizieren, sagte Söder mit Blick auf die sozialen Medien. "Wir sollten nicht bereit sein, die Kommunikationsform von jungen Leuten allein einigen wenigen Extremen zu überlassen. Das wäre der falsche Weg." Die Politik müsse auf Herausforderungen reagieren, sonst entstehe Distanz. Dies nutze "nur den extremen Rändern, die übrigens noch nie – egal für was – je eine Lösung gehabt haben." Die Kernaufgabe, die Politiker hätten, sei "der Erhalt unserer Demokratie".
Aigner beklagt Radikalisierung und Verrohung in der Politik
Auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) rief zum Einsatz für Demokratie auf. Mit Blick auf das Attentat auf Donald Trump in den USA mahnte sie: "Keine politische Differenz darf dazu führen, dass die Mitmenschlichkeit verkümmert."
Der Anschlag sei die nächste erschütternde Zuspitzung einer seit Jahren dauernden Entwicklung. "Wir erleben eine Radikalisierung des politischen Diskurses. Feindseligkeit hat Einzug gehalten in die Politik. Und das ist echt schädlich." Auch in Deutschland sei eine Radikalisierung zu beobachten, Enthemmung und Verrohung, beklagte Aigner.
"Lassen wir uns nicht mitreißen!"
Besonders unter den Nägeln brenne ihr die politische Kultur im Bayerischen Landtag, betonte Aigner und kritisierte das zum Teil "infame" Vorgehen der AfD-Fraktion. Es sei stets dieselbe Methode: "Täter-Opfer-Umkehr, zur Mobilisierung der eigenen Anhänger, zur Anstachelung." In den vergangenen Monaten habe es immer wieder Angriffe auf die Würde des Hauses gegeben. Ihr Appell an alle Abgeordneten: "Lassen Sie sich bitte nicht mitreißen!"
Es sei gut, dass sich im Landtag verschiedene Anschauungen, Ziele und Ideen zeigten. "Davon lebt auch die Demokratie!" Demokratinnen und Demokraten müssten dabei aber auf Augenhöhe diskutieren, respektvoll, an Fakten orientiert. Unversöhnlichkeit und Hass hätten in der Demokratie keinen Platz. "Ich persönlich hasse nicht. Ganz im Gegenteil: Ich will eben das Land versöhnen."
AfD-Fraktionschefin: Grenzverlauf im Osten geht uns nichts an
Bei den Schlussworten hat neben der Landtagspräsidentin und dem Ministerpräsidenten nur die stärkste Oppositionsfraktion ein Rederecht. Als deren Vertreterin warf AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner der Staatsregierung und den anderen Fraktionen vor, sich "in den ersten Monaten dieser Legislatur vor allem als Maurergesellen betätigt" zu haben. "Mit Ziegelsteinen aus schlechter Politik und ideologischem Mörtel haben Sie Ihre sogenannte Brandmauer gegen die AfD immer höher aufgezogen."
Eine Bandmauer wünscht sich die AfD-Politikerin mit Blick auf den Krieg in der Ukraine gegen "eine brandgefährliche Außenpolitik" der Bundesregierung. "Stoppen Sie den möglichen Flächenbrand!", rief Ebner-Steiner. Die AfD sei strikt gegen die Einmischung in die inneren und äußeren Konflikte anderer Länder. "Es geht uns als Bayern und Deutsche nichts an, wie ein Grenzverlauf im Osten tausend Kilometer weit weg aussieht."
Söder warnt vor Kniefall vor Putin
Ministerpräsident Söder dagegen betonte, der Krieg in der Ukraine "mag nicht vor unserer Haustür sein, geografisch". Aber er sei es politisch. Was dort geschehe, werde am Ende darüber entscheiden, "wie wir bedroht, herausgefordert sind". Wer heute eine Art Kniefall vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mache und zum Vasallen werde, "der gefährdet die Freiheit und Unabhängigkeit unserer Demokratie in fundamentaler Weise".
Kritik äußerte Söder daran, dass sich die AfD-Fraktion seit Monaten regelmäßig um die Wahl eines Landtagsvizepräsidenten aus ihren Reihen bemüht. "Muss ein Bayerischer Landtag wirklich jede Woche dreimal eine Wahl durchführen? Eines Vizepräsidenten, der eh nie gewählt wird?" Er empfinde das als Belastung. Aber die AfD habe natürlich das Recht, den Antrag zu stellen. "Deswegen: Was brauchen wir? Geduld, wir brauchen Kraft, wir brauchen ein Rückgrat." Und um all das aufzubringen, müsse man auch mal verschnaufen. "Deswegen haben Sie sich alle Ihren Urlaub verdient."
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