Den ganzen Tag hängen dunkle Wolken über dem Regierungsviertel. Dann kommt Markus Söder an und der Himmel reißt auf. Weiß und blau strahlt es überm CSU-Chef. Aber Söder selbst strahlt nicht. Mit ernster Miene und Sorgenfalten sitzt er auf einem roten Sessel, gegenüber das Berliner Reichstagsgebäude, und erklärt, dass der Ernst der Lage noch nicht bei allen angekommen sei.
Gemeint ist die Ampel-Koalition, die aus Söders Sicht verfehlte Krisenpolitik von SPD, Grünen, FDP. Das alte Motto Wohlstand für alle werde gerade umgemünzt in Verzicht für viele, sagt Söder. Das wolle er nicht. Söder warnt mit Blick auf fehlendes Gas aus Russland vor einem "Schlaganfall" der deutschen Wirtschaft, vor dem "Abstieg" der Normalverdiener und "tausenden, möglicherweise Millionen von Menschen", die im Winter in Wärmehallen untergebracht werden müssten.
Söder diagnostiziert kurzsichtiges Krisenmanagement
Monatelang sei diskutiert worden, ob Deutschland aus dem russischen Gas aussteige. Dass Putin von sich aus das Gas zudrehen könnte, habe man nicht auf dem Plan gehabt. Das wundere ihn, sagt Söder und verweist auf Italien: Andere Länder hätten ihre alternative Gasversorgung bereits abgeschlossen. In Deutschland dagegen sei nichts sicher. Auch nicht die Versorgung Süddeutschlands, das besonders vom Gas abhängt.
Atomkraft? Ja, bitte, sagt Söder
Söders mittlerweile oft wiederholte Lösung des Problems: Atomkraftwerke am Netz zu lassen, auch um Gas zu sparen, das dann nicht zur Stromgewinnung genutzt würde. Den Grund, warum das nicht geschehe, sieht Söder in "einer Partei": den Grünen. Die hielten aus "ideologischen Gründen" am Ausstieg fest. Und die FDP mache mit, was Söder als "völlig unverständlich" bezeichnet.
Söder: "Wenn der Süden was macht, dann macht er es richtig"
Den Einwand, dass gerade Bayern beim Ausbau der Windkraft blockiert hat und vergangenes Jahr nur sechs neue Anlagen gebaut wurden, wischt Söder weg. In Baden-Württemberg sei auch kaum etwas geschehen, trotz grünem Ministerpräsidenten. Bayern werde sein Flächenziel "locker" erreichen. Und Bayern werde, prognostiziert der Ministerpräsident, bis zum Ende des Jahrzehnts unter den führenden Ländern bei der Energiegewinnung aus Wind auf dem Festland sein. "Denn wenn der Süden was macht, dann macht er es richtig."
"Seltsame" Entlastungspolitik der Ampel
In der Ampel dagegen läuft aus Söders Sicht so gut wie nichts. Söder startet mit angezogener Handbremse in seinen Verriss zum Thema Entlastungen: "Das Problem ist, dass man bislang sehr seltsam agiert hat", und dann redet er sich in Rage. Milliarden habe der Finanzminister ohne Not vor der Krise ausgegeben. Konzepte, "die nicht klingen", wie das 9-Euro-Ticket umgesetzt. Er habe die Rentnerinnen und Rentner beim Energiezuschuss ausgespart. "Essen Rentner nichts? Heizen Rentner nicht? Also absurd! Und alles endet dann im September." Nur der Tankrabatt ist aus Söders Sicht richtig, aber auch zu kurz bemessen.
Teure CSU-Lösungsvorschläge für die Top-Krise
Söder fordert, den alten Haushalt komplett neu zu strukturieren. Kalte Progression abzuschaffen. Steuern auf Strom zu senken. Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel maximal zu senken. Alle Flächen für die Landwirtschaft zur Nahrungsmittelproduktion zu nutzen. Und wer soll das bezahlen? Söder sagt: "Das hier ist jetzt die Top-Krise! Das ist viel wichtiger als viele andere Projekte."
Söder zu Corona-Tests: "fundamentale Fehlentscheidung"
Die Streichung der kostenlosen Tests sei eine "fundamentale Fehlentscheidung". Und die Bundesregierung gebe ein fatales Bild ab: "Der eine" – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – warne ständig vor Killervarianten, "der andere" – Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) – wolle erst mal klären, ob Masken überhaupt wirken, das müsse man prüfen. Das sei so, als ob ein Regenschirm beweisen muss, dass er gegen Regen schützt. Söders eigene Kehrtwende von "Team Vorsicht" zu "Team Volksfest" erklärt er mit gutem Monitoring und verweist darauf, dass die Bevölkerung das mittrage.
Eher keine Kanzlerkandidatur 2.0
Die Frage, ob Söder noch einen Anlauf in Sachen Kanzlerkandidatur macht, beantwortet der in einer von der letzten Bundestagswahl bekannten Form: Der Chef sei Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU. Söder sieht seine Aufgabe darin, in Bayern ordentlich zu arbeiten. Und schiebt nach, ein Bayer sei noch nie Kanzler geworden und in der Vergangenheit hätten alle nur eine Chance gehabt. Und dann seien da noch erfolgreiche CDU-Ministerpräsidenten wie Hendrik Wüst. "Die CSU komme da eh nicht mehr infrage."
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