Opulenter kann die Kulisse für einen Staatsempfang in Bayern kaum sein. Im "Schloss unter allen Schlössern", in der Würzburger Residenz, mit barocken Sälen, Stuckdecken und kunstvoll gestutztem Garten, ehrte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) rund 200 Pflegekräfte aus ganz Bayern. Das Ziel: Die Arbeit der Pflegekräfte angemessen würdigen.
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Gemischte Reaktionen auf Staatsempfang
Doch während der Rahmen der Veranstaltung hübsch daherkam, bleiben die Herausforderungen im Pflegeberuf im Schatten. Die Geste von Judith Gerlach stieß auf gemischte Reaktionen. Die zur Schau gestellte Wertschätzung helfe nur bedingt, es brauche endlich Lösungen für die Probleme in der Pflege.
Rita Stiller, stellvertretende Stationsleitung am Klinikum Regensburg, zeigte sich gegenüber BR24 zwiegespalten. Einerseits freue sie sich über die Einladung und empfinde es als Auszeichnung, Teil der Veranstaltung zu sein. Andererseits bemängelte sie, dass bei solchen Empfängen oft nicht gefragt werde, wie es den Mitarbeitenden an der Basis wirklich gehe.
Wertschätzung allein reicht nicht
Die Pflegerin Talina-Joy Heß aus Mittelfranken, die auf einer Onkologie-Station arbeitet, sprach über die emotionale Belastung des Berufs. Trotz der schwierigen Umstände erfahre sie viel Dankbarkeit von den Patienten. "Auf der Onkologie habe ich schon Abschiedsbriefe mit Patienten geschrieben", berichtet die 22-Jährige. Dennoch betonte sie, dass der Personalmangel in der Pflege dringend gelöst werden müsse. Mehr Personal könnte viele der aktuellen Probleme entschärfen.
Rita Stiller teilt diese Einschätzung und geht noch einen Schritt weiter. Sie macht klar, dass nicht nur mehr Personal, sondern auch eine gerechtere Bezahlung wichtig sei. In den letzten Jahren seien die Aufgaben im Pflegebereich deutlich umfangreicher geworden. Pflegekräfte übernähmen immer häufiger Tätigkeiten, die zuvor Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. Trotzdem habe sich das Gehalt in den meisten Fällen nicht entsprechend angepasst. "Ohne bessere Bezahlung werden viele junge Pflegekräfte den Beruf verlassen", warnt Stiller.
Nordische Vorbilder: Ein Arbeitsmodell auf Augenhöhe
Bei der Suche nach Lösungen hilft der Blick ins Ausland. Christine Lehmacher-Dubberke verwies etwa auf das Arbeitsmodell der nordischen Länder. Sie ist Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe Südost. In Skandinavien gehe es weniger um starre Berufsbezeichnungen und Hierarchien, sondern vielmehr um die Kompetenzen und Fähigkeiten der jeweiligen Fachkräfte. Die Pflegekräfte würden dort stärker als gleichwertige Partner im Gesundheitssystem wahrgenommen, was auch die Arbeitszufriedenheit erhöhe.
In Deutschland hingegen fühlen sich viele Pflegekräfte weiterhin nicht ausreichend gehört und respektiert. Auch in Bayern ist der Mangel an Pflegepersonal spürbar, viele Pflegekräfte geraten an ihre Belastungsgrenze. Die hohe Arbeitsbelastung, gepaart mit unzureichender Bezahlung, führt dazu, dass der Pflegeberuf für viele junge Menschen unattraktiv bleibt.
Bayern sucht dringend Pflegekräfte
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist kein neues Problem. Bereits seit Jahren wird der Personalmangel in der Pflege als eine der größten Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen diskutiert. Besonders in der Intensivpflege, die hohe Fachkompetenz erfordert, fehlen qualifizierte Pflegekräfte. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in Bayern suchen dringend nach Fachkräften, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Alleine in Bayern werde die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit rund 580.000 auf wohl 1,1 Millionen im Jahr 2050 steigen, erklärte Judith Gerlach.
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