"Wir sind wohl das kirchenfreundlichste Bundesland in Deutschland", betonte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jüngst im Bundestagswahlkampf. Als Beispiele nannte er Kreuze in öffentlichen Gebäuden, den Religionsunterricht, Kirchensteuern – und "übrigens auch Gehälter, die bezahlt werden". Damit spielte er auf Verträge an, die bereits 100 Jahre alt sind.
Evangelische Kirche und Freistaat feiern
Während das Bayern-Konkordat mit der katholischen Kirche im vergangenen Jahr sein Jubiläum feierte, rückt nun auch die evangelische Seite ins Rampenlicht: Am Montag wird mit einem Festakt an den 100 Jahre alten Staatskirchenvertrag zwischen Bayern und der evangelischen Landeskirche erinnert. Das Abkommen, das Anfang 1925 in Kraft trat, prägt bis heute das Verhältnis zwischen Staat und Kirche.
Besonders die finanziellen Leistungen des Freistaats sorgen immer wieder für Diskussionen. Rund 26 Millionen Euro fließen jährlich als Zuschüsse und Zuweisungen an die evangelische Landeskirche. Die katholischen Bistümer und Erzbistümer in Bayern erhalten insgesamt ungefähr 80 Millionen Euro. Für kirchliche Gebäude, die nicht nach Konfessionen getrennt werden, wurden rund 28 Millionen Euro veranschlagt. Das teilte das bayerische Kultusministerium auf BR-Anfrage mit. Die Zahlungen haben historische Gründe.
Historische Wurzeln: Die Entstehung des Staatskirchenvertrags
Nach dem Ende der Monarchie 1918 musste das Verhältnis zwischen Staat und Kirche neu geordnet werden. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 sicherte den Kirchen ihre Eigenständigkeit zu, schaffte jedoch die Staatskirche ab. Bis dahin stand die evangelische Kirche Bayerns unter der Oberhoheit des Königs, der als oberster Bischof fungierte. Mit der Revolution von 1918 entfiel diese Verbindung – eine neue rechtliche Grundlage wurde notwendig.
Im Jahr 1924 begannen daher intensive Verhandlungen zwischen der bayerischen Regierung und der evangelischen Landeskirche. Am 15. November 1924 wurde der Staatskirchenvertrag unterzeichnet. Ziel war es, die Rechte und Pflichten der Kirche in Bayern klar zu definieren und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Staat zu etablieren.
Die zentralen Inhalte des Vertrags
Der Vertrag legte grundlegende Prinzipien für das Miteinander von Kirche und Staat in Bayern fest:
- Kirchliche Autonomie: Die evangelische Kirche erhielt volle Eigenständigkeit in ihren inneren Angelegenheiten, insbesondere bei Verwaltung und Organisation.
- Eigentumsschutz: Kirchliches Eigentum wurde gesichert, und die Kirchensteuer wurde als Finanzierungsquelle anerkannt.
- Finanzielle Unterstützung: Der Staat verpflichtete sich zu finanziellen Leistungen (Staatsleistungen), vornehmlich für kirchliche Verwaltungsstrukturen und die Seelsorge.
- Bildung und Schulwesen: Der evangelische Religionsunterricht wurde als ordentliches Lehrfach festgelegt, und die Kirche erhielt ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Religionslehrern.
- Theologische Fakultäten: Der Landeskirchenrat wird bei der Besetzung evangelisch-theologischer Lehrstühle angehört. (Anders als in der katholischen Kirche, wo die Zustimmung des Bischofs nötig ist.)
Diese Regelungen bildeten eine stabile Grundlage für das kirchliche Leben in Bayern nach der Weimarer Zeit.
Bis heute gültig: Die Auswirkungen des Vertrags
Der Staatskirchenvertrag von 1924 prägt das Verhältnis zwischen Bayern und der evangelischen Kirche bis heute. Die Grundprinzipien – kirchliche Selbstverwaltung, Kooperation mit dem Staat und finanzielle Unterstützung – haben Bestand. Die Bayerische Verfassung von 1946 bestätigte ausdrücklich die Gültigkeit bestehender Staatskirchenverträge. Seitdem gab es mehrere Anpassungen, insbesondere in Bezug auf das Schulwesen und kirchliche Staatsleistungen.
Doch gerade letztere sind heute umstritten: Während Kritiker die fortlaufenden Zahlungen des Staates an die Kirchen als überholt ansehen, argumentieren Befürworter mit einer historischen Verpflichtung und der bewährten Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche.
Aktuelle Diskussionen: Soll der Staat weiter zahlen?
Die Ampel-Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag von 2021 das Ziel gesetzt, die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen. Diese Zahlungen, die auf Enteignungen kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgehen, summieren sich bundesweit jährlich auf über 600 Millionen Euro.
Im August 2024 kündigten Vertreter der Ampel-Fraktionen an, im Herbst einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen vorzulegen. Die Bundesländer zeigten sich jedoch skeptisch gegenüber diesen Plänen. Viele Landesregierungen lehnten eine Ablösung der Staatsleistungen ab, unter anderem wegen der hohen finanziellen Belastungen, die damit verbunden wären.
Ministerpräsident Söder: "Gut angelegtes Geld"
Ministerpräsident Söder machte bereits im Juni 2024 deutlich: Die 77 Millionen Euro, die Bayern aus dem Staatshaushalt an die Kirchen zahlt, seien "gut angelegtes Geld". Eine stabile Kirche stabilisiere auch den Staat. Er sei daher "gegen eine komplette Trennung von Staat und Kirche".
Bis zum heutigen Datum wurde kein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Ob und wann es zu einer Reform kommt, bleibt offen.
Mit Informationen von epd
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