Insgesamt 123 Sekunden – also gut zwei Minuten – benötigten Autofahrerinnen und Autofahrer 2023, um im Münchner Stadtzentrum einen Kilometer Strecke zurückzulegen. Seit 2021 steigt die Fahrzeit wieder leicht. Der aktuelle Wert liegt nur noch eine Sekunde unter dem von 2019. "Alle Einschränkungen sind aufgehoben und relativ viele Leute gehen wieder ins Büro", sagt Lisa Kessler, die an der TU München zu Verkehr und Stau forscht. "Die Menschen sind wieder genauso mobil, wie sie es gewohnt waren." Hinzu komme, dass während der Pandemie Baustellen aufgeschoben wurden, die nun die Fahrzeit verlängern.
München belegt mit Reisezeit fünften Platz im deutschlandweiten Vergleich
Mit der benötigten Reisezeit für einen Kilometer im Stadtzentrum belegt München im deutschlandweiten Vergleich den fünften Platz - in vier Städten dauert es noch länger. In Nürnberg und Augsburg ist man schneller, die Städte liegen deutlich dahinter auf Platz 15 und 23. Die Fahrzeit für einen Kilometer im Augsburger Stadtzentrum betrug im vergangenen Jahr nur 88 Sekunden. An der Spitze steht Hamburg. Dort dauerte es am längsten.
Das geht aus dem aktuellen Traffic-Index des Spezialisten für Kartierungs- und Geolokalisierungstechnologie TomTom hervor, der weltweite Verkehrstrends beschreibt. Aus Deutschland finden sich insgesamt 27 Städte und Regionen im diesjährigen Ranking.
TomTom untersuchte nicht nur das Stadtzentrum, sondern auch das weitere Stadtgebiet inklusive Umland. Hier sieht das Ranking wiederum ganz anders aus – Nürnberg liegt dabei noch vor München auf Platz sechs. Die Werte von 2019 und 2023 unterscheiden sich auch hier kaum.
Interaktive Grafik: Fahrzeit für einen Kilometer im Stadtzentrum und im weiteren Stadtgebiet 2023
Die Pandemie hatte zur Folge, dass in vielen Unternehmen die Möglichkeit des Homeoffice eingeführt wurde, was wiederum den Verkehr beeinflusste. In München kam ab Februar zudem das Dieselfahrverbot hinzu. Außerdem wurde im Mai 2023 das Deutschlandticket eingeführt. Die Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen auf Münchens Verkehr sind allerdings eher gering.
Neun-Euro-Ticket hatte Einfluss auf den Verkehr, 49-Euro-Ticket nicht
Das zeigt sich am von TomTom berechneten Stauniveau. Es drückt aus, wie lange man zu einem bestimmten Zeitpunkt braucht, um eine Strecke mit dem Auto zurückzulegen, die man zu völlig staufreien Zeiten in 30 Minuten schaffen würde. Liegt dieser Wert beispielsweise bei 20 Prozent, dauert die Strecke sechs Minuten länger als im Referenzzeitraum, also 36 Minuten.
Grafik: Stauniveau an Werktagen im Münchner Stadtzentrum
Während im Zeitraum des Neun-Euro-Tickets von Juni bis August 2022 das sogenannte Stauniveau im Münchner Stadtzentrum trotz Tankrabatts tatsächlich niedriger wurde, scheint das 49-Euro-Ticket kaum einen Einfluss auf den Verkehr zu haben. "Bei dem Neun-Euro-Ticket kommt dazu, dass es ein Angebot während des Sommers war. Leute haben eher Ausflüge gemacht, die sie sonst vielleicht nicht oder nicht mit dem öffentlichen Nah- oder Regionalverkehr gemacht hätten", sagt die Verkehrsexpertin Lisa Kessler. Das 49-Euro-Ticket sei eher etwas für Pendlerinnen und Pendler, die nun vom günstigeren Preis profitieren. Für Menschen, die schon immer das Auto nutzen, seien 49 Euro eine Menge Geld. In vielen Fällen lohne sich der Umstieg vom Auto auf die Bahn nicht.
Auch das Dieselfahrverbot habe kaum Auswirkungen. Es gebe so viele Ausnahmen beispielsweise für Anwohnerinnen und Anwohner oder Handwerkerinnen und Handwerker, sagt Lisa Kessler. Die Zahl der Fahrzeuge, die nicht mehr ins Stadtzentrum fahren dürfen, würden das Verkehrsaufkommen und somit das Stauniveau nicht relevant beeinflussen.
Berufsverkehr fast wie 2019
An den "typischen" Werktagen von Montag bis Donnerstag brauchte man 2023 in München noch immer etwas weniger Zeit für einen Kilometer als 2019. In Augsburg sieht das etwas anders aus. Dort beträgt die Fahrzeit in der morgendlichen Rushhour nur noch eine Sekunde weniger als 2019. "In München sitzen größere Unternehmen, die vermutlich leichter Remote-Arbeitsplätze anbieten können", erklärt Lisa Kessler von der TU München. "In kleineren Betrieben ist es häufig relevanter, sich im Büro zu sehen."
Sie schränkt allerdings auch ein: Große Baustellen, Wetterbedingungen oder die Ampelschaltung können den Verkehr auch beeinflusst haben. Ein langfristiger Trend lasse sich noch nicht ablesen.
Da der Verkehr an Freitagen ein anderes Muster aufweist, wird er separat betrachtet: Freitags schien vor allem in München 2023 ein Homeoffice-Tag gewesen zu sein. Der Berufsverkehr am Morgen lag unter dem von 2019 – kaum anders als im Pandemiejahr 2020. Wer aber Freitag nach dem Feierabend durch die Innenstadt fuhr, zum Beispiel weil er oder sie das Wochenende in einer anderen Stadt verbringt, tat dies in München und Nürnberg nach wie vor. Die Werte sind fast wieder wie vor der Pandemie. Nur die Augsburgerinnen und Augsburger sind am Freitagnachmittag und -abend weniger lang unterwegs.
In der interaktiven Grafik können Sie zwischen München, Augsburg und Nürnberg auswählen und sich den Verlauf des Verkehrs von Montag bis Donnerstag, am Freitag und am Wochenende anzeigen lassen.
Interaktive Grafik: So verlief der Verkehr von Montag bis Donnerstag, am Freitag und am Wochenende
Am Wochenende hat die Zeit, die man für einen Kilometer im Stadtzentrum benötigt, in allen drei untersuchten bayerischen Städten zugenommen – im Vergleich zu den Werktagen ist aber deutlich weniger Verkehr.
Homeoffice besser am Mittwoch oder Donnerstag
Die verkehrsreichsten Tage im Münchner Stadtzentrum waren 2023 Mittwoch und Donnerstag. Donnerstags zwischen 17 und 18 Uhr benötigten Menschen im Münchner Stadtzentrum für einen Kilometer Strecke 169 Sekunden – also fast drei Minuten. Wer montags oder freitags ins Büro fährt, kann somit Zeit sparen.
In dieser Grafik sehen Sie die durchschnittliche Fahrzeit, die in München, Nürnberg und Augsburg 2023 für eine Strecke von einem Kilometer je Uhrzeit benötigt wurde. Durch das Klicken auf die Städtenamen können Sie sich die Ergebnisse für die jeweilige Stadt ansehen.
Interaktive Grafik: Verlauf der Rushhour in München, Augsburg und Nürnberg
Für Pendlerinnen und Pendler, die weniger im Stau stehen wollen, könnte es sich in Zukunft also lohnen, nicht Montag und Freitag als klassische Homeoffice-Tage zu wählen, sondern lieber einen Tag in der Mitte der Woche. Zudem lohnt es sich, die Rushhour zu vermeiden. Wer sich in München statt morgens um 8 Uhr erst um 10 Uhr auf den Weg ins Büro macht und statt um 17 Uhr um 19 Uhr wieder fährt, spart sich auf einer Strecke von fünf Kilometern im Stadtzentrum mittwochs gute sechs Minuten.
Über die Daten
TomTom analysierte den Verkehr in 27 deutschen Städten in zehn Bundesländern. Das Unternehmen erhält seine Daten nach eigenen Angaben aus über 600 Millionen Fahrzeugen und mobilen Geräten, wie zum Beispiel aus fest eingebauten Navigationslösungen, Smartphones, mobilen Navigationsgeräten und professionellen Telematik-Lösungen. Diese Echtzeitdaten werden archiviert und sind als historische Daten zugänglich. Auf der Grundlage dieser historischen Daten kann TomTom Geschwindigkeitsprofile und Verkehrsmuster für jede Tageszeit und jeden Wochentag erstellen.
Methodik: Die Reisezeit für einen Kilometer ist die Gesamtreisezeit aller Durchfahrten geteilt durch die Gesamtfahrleistung. Die Fahrzeit und die gefahrenen Kilometer werden für jeden Straßenabschnitt auf stündlicher Basis berechnet. Die Gesamtzeiten und die gefahrenen Kilometer der Abschnitte werden addiert und die Gesamtreisezeit durch die insgesamt gefahrenen Kilometer geteilt. Der Anbieter unterscheidet dabei zwischen dem urbanen Stadtzentrum mit einem Umkreis von fünf Kilometern im Stadtinneren und dem größeren Stadtgebiet. Die Darstellung des Berufsverkehrs basiert auf einer "typischen" Woche: Es handelt sich um den gewichteten Durchschnitt über das ganze Jahr, der jede Stunde des Tages abdeckt.
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