Die Debatte um eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche hat zuletzt Fahrt aufgenommen. Der Bundestag diskutiert über die Streichung von Paragraf 218 im Strafgesetzbuch. Stand jetzt ist ein Abbruch rechtswidrig – bleibt unter bestimmten Voraussetzungen aber straffrei für Frauen und Ärzte.
CSU und FW gegen Telemedizin bei Abtreibung
Auch im Landtag ist nun eine Debatte über den Schwangerschaftsabbruch entbrannt. Auslöser ist das Gesundheitsdienstgesetz, das die Staatsregierung eingebracht hat, um den sogenannten "medikamentösen Schwangerschaftsabbruch" neu zu regeln. Am Dienstag soll das Gesetz verabschiedet werden. Für Diskussionen sorgt dabei ein Änderungsantrag von CSU und Freien Wählern. Die Regierungsfraktionen wollen die Telemedizin bei Schwangerschaftsabbrüchen per Medikament explizit verbieten.
Teile der Opposition sowie "Pro Familia" sehen den Vorstoß der Regierungsfraktionen äußerst kritisch. Auch das CSU-geführte Gesundheitsministerium wertete ihn zwischenzeitlich als "eigentlich nicht möglich".
CSU-Fraktion: Staat hat "Wächteramt für das ungeborene Leben"
CSU-Gesundheitspolitiker Bernhard Seidenath erklärt, der Gesetzentwurf der Staatsregierung sehe einige "Erleichterungen" vor, für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch mit Medikamenten entschieden. So dürften künftig auch Ärzte, die nicht ausgebildete Gynäkologen sind, bei nachgewiesener Expertise solche Abbrüche vornehmen. Den bereits von Ärzten praktizierten Abbruch mit Tabletten – wie Seidenath formuliert – "locker mal schnell telemedizinisch" zu machen, will man in Bayern nun aber verbieten. Der Staat habe "ein Wächteramt" für das ungeborene Leben, "das so keine Lobby hat", argumentiert der CSU-Gesundheitspolitiker. Er fordert: Wer einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wolle, was den "Tod eines menschlichen Lebens" zur Folge habe – und zwar "irreversibel" – solle das "vor Ort, Auge in Auge mit dem behandelnden Arzt" tun.
SPD: Verbot bedeutet "Gängelung" von Frauen und Ärzten
Kritik an dem Telemedizin-Verbot kommt vor allem von der SPD im Landtag. Die Vize-Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Ruth Waldmann, wähnt hinter dem Vorstoß der Regierungsfraktionen "Symbolpolitik, so ein bisschen kulturkämpferisch".
Versorgungslage in Bayern gilt als besonders schlecht
Waldmann betont: Die Entscheidung für einen Abbruch der Schwangerschaft im Frühstadium sei von den Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen. Es gehe also nicht darum "ob ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird, oder nicht, sondern um die medizinische Durchführung, sodass es für die Frauen möglichst wenig belastend ist". Sie empfinde den Vorstoß von CSU und Freien Wählern als "Gängelung". Auch, weil gerade in Bayern die Versorgungslage mit Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, besonders schlecht sei, argumentiert Waldmann. Sie bezieht sich dabei auf die sogenannte ELSA-Studie, die im April veröffentlicht wurde. Danach sei besonders in ländlichen Regionen in Süddeutschland der Versorgungsgrad schlecht.
Pro Familia: Telemedizin "wichtiger Baustein"
Der Landesverband von "Pro Familia" wandte sich kürzlich mit einer Stellungnahme an die Fraktionschefs im Landtag und forderte, vom Telemedizin-Verbot abzusehen. Telemedizin sei ein "wichtiger Baustein" und ein "erprobtes Verfahren". Der Abbruch per Medikament – ohne gynäkologischen Eingriff – wird derzeit von Ärzten bis zur siebten Schwangerschaftswoche durchgeführt.
Vor "Manipulationsgefahr" bei Telemedizin, warnt dagegen CSU-Gesundheitspolitiker Seidenath. So könnten Frauen mit falsch datierten Ultraschallbildern versuchen, Medikamente für einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen, obwohl es dafür bereits zu spät sei. Pro-Familia-Geschäftsführer Thoralf Fricke ärgert sich über dieses Argument. Er betont, keine Frau treibe "leichtfertig" ab. Ihn irritiere auch, dass Ärzten "misstraut" werde. Außerdem berücksichtige der Antrag die "Berufsfreiheit der Ärzte" nicht.
Ministerium lehnte Verbot zunächst ab
Im Gesetzentwurf des Bayerischen Gesundheitsministeriums ist kein Telemedizin-Verbot vorgesehen. Im mit beratendem Wissenschaftsausschuss erklärte eine Regierungsrätin aus dem Ministerium kürzlich, der Änderungsantrag von CSU und Freien Wählern werde seitens der Staatsregierung "abgelehnt". Die telemedizinische Beratung gehöre zum ärztlichen Berufsrecht. "Die angestrebte Regelung im GDG (Anm.: Gesundheitsdienstgesetz), als Verbot" sei "eigentlich nicht möglich".
Auf Nachfrage von BR24, schreibt ein Ministeriums-Sprecher nun: "Das Verbot jeglicher telemedizinischen Intervention bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch wird mit dem Schutz des ungeborenen Lebens gerechtfertigt. Wenn diesem überragenden Rechtsgut vom Gesetzgeber der Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und der Berufsfreiheit des Arztes eingeräumt wird, ist dies legitim."
In der Ärzteschaft ist die Frage nach dem Abbruch einer Schwangerschaft per Telemedizin ähnlich umstritten wie in der politischen Debatte.
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