In etwa vier Metern Höhe sind die speziellen PV-Module über den neu gepflanzten Apfelbäumchen auf dem Lehr- und Beispielsbetrieb des Bezirks Niederbayern für Obstbau in Deutenkofen bei Landshut montiert. Jeweils zwei Module bilden ein kleines Satteldach, damit das Regenwasser noch unten zwischen den Baumreihen ankommt. Nach einem kleinen Spalt komm das nächste Satteldach. So soll Obst vor aggressiver Sonneneinstrahlung geschützt werden.
Sonnenbrand bei Äpfeln gefürchtet
Montiert wurden keine herkömmlichen, vollflächig-dunklen PV-Module, sondern spezielle, die zwischen den einzelnen kleinen Solarzellen auch Licht durchlassen. Die Plantage wird also nur partiell beschattet. Damit soll vor allem verhindert werden, dass die Äpfel kurz vor der Ernte durch den gefürchteten Sonnenbrand zerstört werden.
Hans Göding, der Leiter des großen Beispielsbetriebs in Niederbayern, ist überzeugt: Wegen des Klimawandels haben Apfelplantagen unter freiem Himmel hier keine Zukunft mehr. "Es macht heutzutage keinen Sinn mehr, eine Plantage zu pflanzen ohne Schutzvorkehrungen", sagt er im Interview mit BR24. "Hagel und Starkregen und die starke Sonneneinstrahlung zwingen uns, unsere Bäume zu schützen."
Erste Versuche mit Netzen
Schon in den vergangenen Jahren ist man hier auf dem 20 Hektar großen Lehrbetrieb des Bezirks Niederbayern mehr und mehr dazu übergegangen, Obstbäume mit Netzen vor zu starker Sonneneinstrahlung abzuschirmen. Denn Äpfel sind auch anfällig für Sonnenbrand, besonders die Sorte Jonagold, einer der Lieblingsäpfel der Deutschen: Ab 46 Grad wird das Eiweiß an der Oberfläche des Apfels vernichtet. Und das passiert wegen des Klimawandels immer öfter.
Hans Göding zeigt auf der Plantage einen Apfel mit einer platten faulen Stelle: Hier hat der Sonnenbrand zugeschlagen. "Dieses Eiweiß ist irreversibel zerstört, die betroffene Stelle sinkt ein, wird braun und der Apfel ist weder vermarktbar noch verzehrbar."
"Ein heißer Nachmittag kann alles zerstören." Hans Göding, Leiter des Beispielbetriebs in Deutenkofen
Temperaturen deutlich über 40 Grad
Zur Beruhigung der Hobbygärtner: In Privatgärten ist die Gefahr für Apfel-Sonnenbrand nicht so groß wie auf der Plantage. Weil dort die Bäume höher werden und tiefer wurzeln. Dadurch kann der Baum besser kühlen. Bei den Plantagenbäumen mit den niedrigen Stämmen aber ist das anders. Unser Test mit einem mitgebrachten, natürlich geeichten Thermometer auf der Plantage an einem durchschnittlichen Sommertag zeigt: Auf der Freifläche steigt das Thermometer schnell auf 39,3 Grad an.
Unter den lichtdurchlässigen PV-Modulen ist es mit knapp 32 Grad deutlich kühler. Für den Obstexperten Hans Göding ein erster Hinweis, dass die Beschattung mit PV-Modulen den erhofften Effekt bringt. "Dieser deutliche Temperaturunterschied beruhigt unsere Nerven ungemein. Wir dürften also an den größten Hitzetagen vor dieser Schwellentemperatur 45, 46 Grad gefeit sein. Aber nicht nur das: Wenn es kühler ist, verliert der Boden weniger Wasser durch Verdunstung. Das heißt, es bleibt mehr Wasser im Boden und steht dann bei länger anhaltender Trockenheit zur Verfügung."
PV-Anlage liefert auch noch Strom
Und so ganz nebenbei liefert die schattenspendende PV-Anlage über den Apfelbäumen noch kostenlosen klimaneutralen Strom für das 20 Hektar große Betriebsgelände mit Wirtschaftsgebäuden und Verkaufsräumen, sagt Göding. Der Betrieb sei in jedem Fall in den Monaten März bis Oktober autark. Selbst im September, wenn die meiste Kühlenergie für einzulagernde Früchte benötigt wird, müsse man tagsüber keinen Strom kaufen. Allerdings benötigt der Betrieb nachts weiter Strom aus dem Netz, deshalb wird jetzt auch über einen Stromspeicher nachgedacht.
Hans Göding ist mit der PV-Versuchsanlage im Obstanbau auf dem Gelände des Bezirks Niederbayern einer der Pioniere. Von manchen belächelt, von Obstbau-Experten aber interessiert beobachtet. "Vielleicht sage ich in fünf Jahren, hätten wir die eine oder andere Entwicklung noch abwarten sollen, aber irgendwer muss mal anfangen", so der Betriebsleiter.
Forschung auch an neuen Schutznetzen
Einen anderen Weg geht aktuell die Hochschule in Hof: Dort wird an neuen Schutznetzen für Obstplantagen geforscht. Experimentiert wird mit Materialien, die aktiv auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren können. Bei der Herstellung der Garne will man Zusatzstoffe zusetzen, die bei bestimmten Schwellwerten "ein photochromes oder thermochromes Verhalten" aufzeigen. So können die Garne ihre Durchlässigkeit ändern und entsprechend mehr oder weniger Sonnenlicht zu den Pflanzen durchdringen lassen. Außerdem wird das Abdeckungssystem so konzipiert, dass das eigentliche Netz nicht so dicht an den Pflanzen anliegt und damit mehr Schattenwurf möglich ist.
Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Systeme sich durchsetzen. Denn eines, so der Leiter der großen Obstplantage mit dem PV-Versuch, Hans Göding, stehe fest: "Die Zukunft im Obstanbau ist weniger Licht an heißen Tagen".
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