Als weit über 100.000 Menschen im Januar 2024 auf der Münchner Leopoldstraße gegen Rechts demonstrierten, kam selbst die Polizei kaum durch.
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Als weit über 100.000 Menschen im Januar 2024 auf der Münchner Leopoldstraße gegen Rechts demonstrierten, kam selbst die Polizei kaum durch.

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Suche nach Lücken: Demo-Schutz nach Münchner Anschlag

Suche nach Lücken: Demo-Schutz nach Münchner Anschlag

Hätte die Verdi-Demonstration in München besser geschützt werden können? Dieser Frage gehen Ermittler aktuell nach. Einige Veranstalter verzichten bereits auf Umzüge. Welche Schlüsse sind schon jetzt aus dem Anschlag vom 13. Februar zu ziehen?

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Der Schock über den verheerenden, mutmaßlich islamistischen Anschlag auf einen Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi mitten in München sitzt tief. Am Vormittag des 13. Februar war ein Pkw auf der Seidlstraße von hinten in die Menschenmenge gerast. Grausame Bilanz: zwei Todesopfer und 37 zum Teil schwer Verletzte. Und das trotz großen Polizeiaufgebots, um den Verkehr zu sichern. Stoppen konnten die Einsatzkräfte den Attentäter erst, nachdem er bereits Menschen überfahren hatte.

"Fridays for Future" demonstriert nur stationär

Die "Fridays for Future" -Bewegung reagierte prompt: Sie sagte ihren Demonstrationszug mit rund 3.000 erwarteten Teilnehmern am Tag nach dem Anschlag aus Sicherheitsgründen ab. Der Münchner Faschingsumzug, der "Unsinnige Donnerstag" und der "Tanz der Marktweiber" wurden aus Gründen der Anteilnahme inzwischen komplett abgeblasen.

Vor allem aber die gestiegenen Sicherheitsanforderungen führten in einigen Städten wie Aschaffenburg und Kempten zur Absage der Faschingszüge. "Fridays for Future"-Sprecherin Jana Häfner sagte, dass man nach Rücksprache mit den Behörden dann nur noch eine Stand-Demo auf dem Münchner Königsplatz organisiert habe – mit erhöhtem Polizeischutz: "Die Zufahrtsstraßen wurden nicht nur mit Polizeiautos, sondern auch mit mobilen Pollern abgesperrt."

Verunsicherung spürbar

Solche mobilen Poller sollen zusätzlich verhindern, dass ein Fahrzeug in die Menge rast. Doch es gab auch Absagen von angekündigten Teilnehmern, wie Häfner aus ihrem direkten Umfeld weiß: "Auch wenn diese Personen zu mir gesagt haben: Ich weiß, das ist ein irrationales Denken, dass ich mich jetzt unsicherer fühle. Aber mit kleinem Kind komme ich trotzdem nicht." Jana Häfner geht der Tod der Mutter mit ihrem zweijährigen Kind nach dem Anschlag sehr nahe. Die "Fridays for Future"-Demo aber komplett abzusagen, kam für sie nicht infrage. Dafür ist ihr die Klimarettung zu wichtig.

Stadt will Sicherheit "anlassbezogen" optimieren

Derweil kommen für Münchens Kreisverwaltungsreferentin, Hanna Sammüller-Gradl von den Grünen, die städtischen Sicherheitsauflagen auf den Prüfstand: "Die Geschehnisse rund um den Anschlag in München wie zuvor in Magdeburg nimmt mein Kreisverwaltungsreferat zum Anlass, mit allen beteiligten Behörden die Sicherheitsanforderungen bezüglich der anstehenden Veranstaltungen erneut zu überprüfen und anlassbezogen bei Bedarf weiter zu optimieren und anzupassen."

Nur bei Bedarf anpassen? Oder muss sich generell an der Einsatztaktik der Polizei etwas ändern? Der Demonstrationszug der streikenden Gewerkschaftsmitglieder war letzten Donnerstag durch mehrere Streifenwagen und Polizisten zu Fuß gesichert. Wie der Attentäter mit seinem Pkw trotzdem von hinten in die Menschenmenge rasen konnte, wird noch im Detail untersucht.

Polizei: Hundertprozentiger Schutz unmöglich

Damian Kania, Sprecher der Münchner Polizei, blickt voraus: "Pauschal kann man nicht sagen, was das jetzt in Zukunft bedeutet - ob mit mehr Maßnahmen oder mit mehr Polizei zu rechnen ist. Das ist eine Einzelfallbewertung von Versammlung zu Versammlung." Man müsse aber auch so ehrlich sein und feststellen: "Einen hundertprozentigen Schutz von Versammlungen, die offen bleiben müssen, um die Versammlungsfreiheit auch zu gewährleisten, den wird es so auch nicht geben."

Die Sicherheitskonzepte würden immer wieder neu an die Bedrohungen angepasst. Doch allen Veranstaltern nun zu raten, auf Umzüge zu verzichten, so weit will der Polizeisprecher nicht gehen. Eine stationäre Versammlung sei zwar "definitiv leichter zu schützen ist als eine sich fortbewegende Versammlung. Aber selbst wenn wir ein Vetorecht hätten, würden wir in dem Fall kein Veto einlegen, sondern wir werden alles Menschenmögliche dafür tun, dass wir diese Versammlung dann auch, wenn sie sich fortbewegt, schützen. Das gilt im Übrigen auch für Veranstaltungen wie Faschingsumzüge oder Ähnliches."

Innenministerium: Nur abstrakte Gefahr

Das bayerische Innenministerium sieht aktuell keine konkreten Gefährdungen für Straßenversammlungen in Bayern. Nur eine abstrakte Gefahr. Mögliche Schwachstellen bei der Sicherheit würden nun überprüft. Denkbare Maßnahmen wollte auch Polizeisprecher Kania nicht nennen. Mögliche Täter sollen nicht vorgewarnt sein.

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