Kinder beim Klettern und beim Tischtennisspielen in der Kirche in Trabitz.
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Kirche für Gottesdienst und als Jugendtreff

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Tischtennis unter dem Kreuz: Wie Kirchengebäude weiternutzen?

Tischtennis unter dem Kreuz: Wie Kirchengebäude weiternutzen?

Was passiert mit Kirchen, in denen keine Gottesdienste mehr stattfinden? Experten aus ganz Europa haben diese Woche im Freistaat nach neuen Nutzungsideen gesucht. In Trabitz in der Oberpfalz haben sie ein bayernweit einzigartiges Projekt besucht.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

In der evangelischen Kirche von Trabitz geht es an diesem Tag lebhaft zu: Kinder spielen Tischtennis, zwei Mädchen klettern an einer Wand entlang. Ein großes Kreuz prangt an der Wand, doch der Altar ist abgedeckt. Die Liedtafel über dem Taufstein bleibt leer. Heute dient das Gotteshaus nicht dem Gebet, sondern der Betreuung von Kindern und Jugendlichen.

Diese ungewöhnliche Nutzung geht auf Stephan Müller zurück. Mit seinem Unternehmen Learning Campus betreibt er Kindergärten und Jugendhilfeeinrichtungen und wagte vor zwei Jahren einen neuen Schritt. "Letztlich haben wir die Kirche gemietet, haben die Bänke raus, Kletterwand rein, Tischtennisplatte rein. Unser Kindergarten in Trabitz kommt hier her. Die Jugendhilfeeinrichtung nutzt es für Beratungen. Die Kids chillen hier auch", erklärt Müller.

Kirche als Spielraum? – "Meiste Kritik von Kindern"

Etwa zehnmal im Jahr bleibt das Gotteshaus seiner ursprünglichen Bestimmung treu und wird für Gottesdienste genutzt. Für die evangelische Gemeinde Neustadt am Kulm, zu der die Kirche gehört, eine Win-win-Situation. Dennoch gab es nicht nur Zustimmung.

"Vorbehalte kamen eher durch unsere eigenen Kids in unserer Jugendhilfeeinrichtung. Von denen haben wir die meiste Kritik kassiert, dass man das in der Kirche nicht machen kann", berichtet Müller.

Die emotionale Bindung an Kirchengebäude ist stark. Die kleine Kirche am Waldrand wurde in den 1950er Jahren von einer Unternehmerfamilie errichtet. Auf einer Holzempore steht eine Orgel, bunte Glasfenster tauchen den hohen Raum in farbiges Licht. Heizstrahler hat Müller bereits installiert, bald soll eine kleine Küche zum Brotbacken hinzukommen.

Europäischer Austausch zu Kirchennutzung

Eine internationale Besuchergruppe bestaunt die neue Nutzung. Im Rahmen eines europäischen Projekts tauschen sich Fachleute aus Deutschland, Lettland, Italien, Polen, Spanien, Tschechien und den Niederlanden aus. Ziel ist es, Strategien für die sinnvolle Nach- oder Weiternutzung von Kirchengebäuden zu entwickeln.

"Wir haben zum Beispiel Holländer dabei, da hat der Prozess, der bei uns gerade losgeht, schon vor drei oder vier Jahrzehnten stattgefunden. Und es sind auch welche aus südlichen Ländern dabei, oder Polen, wo der Prozess aktuell noch nicht ansteht", erklärt der Oberpfälzer Bezirksheimatpfleger Tobias Appl.

Kirchen sind in ganz Europa zentrale Kulturgüter und eng mit der Ortsgeschichte verknüpft. "Die meisten Kirchen stehen unter Denkmalschutz, in den meisten Ortschaften sind die Kirchen die ältesten und bedeutendsten Gebäude. Da hängen gerade an den Kirchen und den Friedhöfen außen herum wahnsinnig viele Emotionen", betont Appl.

Kirche im Wandel: "Wir müssen uns verändern"

Der evangelische Dekan Thomas Guba sieht in Trabitz ein gelungenes Beispiel für neue Wege. "Wir müssen uns verändern", betont er und sieht die Zukunft auch an außergewöhnlichen Orten: "Vielleicht gibt es dann noch ein Wirtshaus, wo man Gottesdienst feiert, oder auf der Waldwiese."

Auch die Struktur der Kirchenlandschaft verändert sich zunehmend. Aufgrund sinkender Mitgliederzahlen und rückläufiger Einnahmen strukturiert die Evangelische Landeskirche in Bayern (ELKB) sich neu. Ein zentraler Schritt ist die Reduzierung der Kirchenkreise. Im Süden des Freistaats wurde bereits der Kirchenkreis Schwaben-Altbayern gegründet, während für Nordbayern noch an einer Lösung gearbeitet wird.

Auf ihrer Website erklärt die ELKB: "Wegen sinkender Mitgliederzahlen und knapper Kassen muss die Kirche schlanker werden." Doch was bedeutet das konkret? Werden in diesem Zuge weitere Kirchengebäude nicht mehr benötigt, und ist eine alternative Nutzung geplant? Eine Anfrage von BR24 hierzu blieb vom Landeskirchenamt unbeantwortet.

Allgemeingültige Lösungen gibt es nicht

Eine allgemeingültige Lösung gibt es nicht, darin sind sich derweil die Beteiligten des europäischen Projekts einig. Entscheidend sei, dass die Menschen sehen, dass hier etwas passiere, sagt Guba. "Der Raum wird besser genutzt als vorher." Und plötzlich würden sich Menschen begegnen, die sonst nie in die Kirche gekommen wären – zum Beispiel, weil sie ihre Kinder abholen.

Sogar die anfangs skeptischen Jugendlichen haben sich an ihre neue Umgebung gewöhnt. In Trabitz zeigt sich, wie ein Kirchraum auch in einem veränderten gesellschaftlichen Umfeld weiterbestehen kann.

Im Audio: Was passiert mit Kirchen, in denen keine Gottesdienste mehr stattfinden?

Doppelnutzung der evangelischen Kirche in Trabitz (Landkreis Neustadt/Waldnaab)
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Doppelnutzung der evangelischen Kirche in Trabitz (Landkreis Neustadt/Waldnaab)

Mit Informationen von epd

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