In dem vielbeachteten Webvideo der Gewerkschaft fragt ein Polizist seine Kollegin in einem Streifenwagen, wie lange sie schon warte. Antwort: "Vier Monate." Bei ihm wären es sogar sechs Monate, antwortet der Beamte. Dann steigen beide aus dem Einsatzfahrzeug und gehen. Oben mit Uniformjacke und Schirmmütze, unten fehlen die Hosen. Sie treten ihren Dienst in Unterwäsche an.
Das nur scheinbar scherzhafte Webvideo ist in Wirklichkeit ein Hilferuf, der auf ein akutes Problem hinweist: Bei der bayerischen Polizei gibt es erhebliche Lieferengpässe bei Uniformteilen.
Bis zu einem Jahr Lieferzeit
Hemden, Hosen, Blusen, Schirmmützen – teilweise müssten bayerische Polizistinnen und Polizisten bis zu einem Jahr auf ihre Dienstkleidung warten, berichtet Michael Reo, der im Landesvorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sitzt. Als Ausbilder stört ihn dabei eines besonders: Die Rekruten haben teilweise in ihrem ersten Jahr als bayerische Polizisten keine Uniform, sondern müssen ihre Ausbildung im schwarzen Einsatzanzug absolvieren.
Das sei ein erheblicher Motivationsdämpfer, kritisiert Reo: "Die erste Uniform ist besonders wichtig, die Erfahrung von einheitlichem Auftreten und auch, wie eine saubere, korrekte Uniform auf den Bürger wirkt, diese Erfahrung ist für angehende Polizisten leider momentan nur eingeschränkt möglich."
Schnellere Lieferungen offenbar möglich
Mit dem selbst produzierten Video, in dem aus beamtenrechtlichen Gründen Schauspieler die Rolle der Polizisten in Unterhosen übernehmen mussten, hat die Gewerkschaft für viel Wirbel gesorgt. Beim DPolG-Landesvorsitzenden Jürgen Köhnlein meldeten sich nach diversen Fernsehberichten mehrere Textilhersteller, die die Situation beschämend fanden und für Abhilfe sorgen wollten.
Einer davon ist Torsten Adler, der Sohn des Gründers der Adler-Modemärkte. Er produziert mit seiner Firma in Südostasien Berufsbekleidung und will das Argument von Lieferkettenstörungen wegen des Krieges in der Ukraine nicht gelten lassen: "Wenn man das wirklich will, dann muss man eben die Auftragsbedingungen definieren und dann einen Produzenten beauftragen. Ohne mich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wir könnten solche Aufträge in zwei oder drei Wochen produzieren", erklärt der Brancheninsider.
Uniform-Mangel Thema im Landtag
Solche Aussagen lassen aufhorchen. Sowohl bei der Politik als auch bei betroffenen Polizisten. Mittlerweile war der Uniform-Mangel auch Thema im Innenausschuss des bayerischen Landtages. Dabei zeigte sich, dass das extrem komplizierte Ausschreibungsverfahren ebenfalls ein Hindernis darstellt. Ob hier auf die Schnelle große Verbesserungen möglich sind, bezweifelt Jürgen Köhnlein von der DPolG. Denn die Ausschreibungen, so Köhnlein, müssten nach EU-Vorgaben durchgeführt werden.
Erste Verbesserungen bei Lieferschwierigkeiten erkennbar
Dennoch sieht Köhnlein erste Fortschritte, die öffentliche Diskussion sei ein echter Weckruf gewesen: "Momentan ziehen alle Beteiligten an einem Strang, das haben wir mit unserem Video erreicht", freut sich der Landeschef. Und tatsächlich gibt es auch schon erste zählbare Ergebnisse. Auf BR-Anfrage erklärte das bayerische Innenministerium, mittlerweile sei etwa der Lieferrückstand von blauen Kurzarmblusen, der im März noch bei 16.000 Stück lag, aufgeholt.
Auch der Lieferrückstand bei Sommer-Mehrzweckhosen sei mittlerweile abgebaut worden, so das Ministerium. Mittelfristig soll ein eigenes bayerisches Logistikzentrum in Hof aufgebaut werden, dass sich um die Beschaffung der Polizeiuniformen kümmert. Bisher hatte Bayern diese Aufgabe auf das Logistikzentrum Niedersachsen übertragen.
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