Über eine Notfallstelle wurde der Schriftzug geschlossen montiert.
Bildrechte: picture alliance / ZB | Sascha Steinach
Bildbeitrag

Über eine Notfallstelle wurde der Schriftzug geschlossen montiert.

Bildbeitrag
>

"Unkontrolliertes Kliniksterben"? Wer es verhindern kann

"Unkontrolliertes Kliniksterben"? Wer es verhindern kann

Kliniken machen Pleite und müssen schließen – auch in Bayern. Der Städtetag sieht die Staatsregierung in der Pflicht und fordert einen Krankenhausplan. Ministerin Gerlach zeigt auf den Bund. Doch der Druck wächst. Wer muss handeln und wie?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Hohe Betriebskosten und Inflation machen den Kliniken zu schaffen. Obendrein sorgt das langwierige Ringen um die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Verunsicherung. Die Folge: Immer mehr Krankenhäuser geraten finanziell in Schieflage. Manche müssen schließen. Laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft rechnen acht von zehn bayerischen Krankenhäusern damit, dieses Jahr Verluste zu schreiben. Viele Bürger fragen sich: Werden wir im Notfall künftig noch rechtzeitig versorgt?

Die Kliniklandschaft müsse und werde sich ändern. Da ist sich der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Markus Pannermayr (CSU), sicher. Doch wer entscheidet über das Aus einer Geburtshilfe hier und den Ausbau zum Herzzentrum dort? Pannermayr sieht Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) in der Pflicht. Sie dürfe nicht warten, bis womöglich wichtige Kliniken schließen, sondern müsse die Umstrukturierung aktiv gestalten.

FW gegen CSU: Enders fordert von Gerlach "mehr Rückgrat"

"Bei dieser Planung spielt die kommunale Ebene natürlich eine wichtige Rolle. Wir sind Träger der Krankenhäuser", sagt der Vorsitzende des bayerischen Städtetags. "Aber wir können das nicht alleine tun.“ Die Planung müsse über Landkreis- und Bezirksgrenzen hinweg gehen, so Pannermayr. "Deshalb kann man das nur mit dem Blick von oben auf die Dinge tun. Und Planungsbehörde ist nun mal der Freistaat." Tatsächlich ist gesetzlich festgelegt: Die Krankenhausplanung obliegt den Ländern.

Das betont auch der Koalitionspartner Freie Wähler. "Viel zu zögerlich, zu lethargisch" sei die Krankenhausplanung in Bayern schon seit Jahren, kritisiert die gesundheitspolitische Sprecherin der FW, Susann Enders. Gerade ländliche Regionen könnten bald unterversorgt sein. Auch sie sagt: Die Ministerin müsse die Planung in die Hand nehmen, "wilde, unkontrollierte Klinikschließungen" verhindern und dann aber auch "das Rückgrat haben" unbeliebte Entscheidungen zu verkünden.

Gerlach kündigt Rahmenplan an

Viel Druck auf Judith Gerlach. Die CSU-Ministerin aber sieht den Bund in der Pflicht und kritisiert Lauterbach: Dass dessen Reform noch nicht ausverhandelt sei, mache die Planungen auf Landesebene unwägbar. Länger warten könne sie aber nicht, sagt Gerlach selbst.

Sie habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das einen Überblick über die Versorgungslage in Bayern geben soll, teilt die Ministerin BR24 mit. Wo ist Bayern unter-, wo überversorgt? Welche Angebote gibt es zu wenig, welche zu viel? Gerlach verspricht, einen Rahmen vorzugeben, der die konkrete Planung in den Regionen erleichtert. Das "Maßnahmenpaket" werde sie demnächst im Kabinett vorstellen.

Gerlach: "Krankenhäuser sind keine nachgelagerten Behörden"

Die Entscheidung über Klinik-Schließungen müsse aber vor Ort getroffen werden, sagt Gerlach: "Die Krankenhäuser sind keine nachgelagerten Behörden von mir, denen ich kleinteilig vorschreibe, was sie zu tun haben." Dafür seien die Träger verantwortlich - egal ob privat, freigemeinnützig oder kommunal.

Gesundheitsexperte Andreas Beivers von der Hochschule Fresenius in München (hat nichts zu tun mit der größten deutschen Klinikgruppe Helios Fresenius) hält das grundsätzlich für ein gutes Vorgehen. Beivers mahnt wegen der angespannten Lage vieler Kliniken aber zur Eile. Gerlach müsse ihren Masterplan rasch erarbeiten und dann mit Bürgerdialogen in die Regionen gehen.

"Wir müssen die Menschen vor Ort überzeugen, sonst kriegen wir eine Anpassung für die Versorgung der Zukunft nicht hin", warnt der Gesundheitsexperte. Ärzte, Pflegekräfte, Bürger – alle müssten schließlich mitmachen.

Kommen wir künftig noch rechtzeitig in eine Klinik?

Wer garantiert aber, dass jeder Bürger mit Herzinfarkt oder Schlaganfall auch künftig noch rechtzeitig ins Krankenhaus kommt? Notfälle müssten natürlich gut versorgt werden, sagt Beivers, aber nicht jedes Krankenhaus könne das auch: "Wenn Sie mit einem Schlaganfall in einem Klinikum behandelt werden, das keine Intensivmedizin hat und keine bildgebende Diagnostik, ist es zwar schön, dass Sie ein Krankenhaus haben, aber es hilft nicht."

Es gehe darum, schnell in die richtige Klinik zu kommen. Bei den anstehenden Planungen müsse und werde das im Fokus stehen, ist sich der Gesundheitsexperte sicher. Eine Idee könnte sein, gerade auf dem Land mehr Rettungshubschrauber einzusetzen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!