Die Generalsekretärin der Freien Wähler in Bayern sieht den Koalitionspartner in der Pflicht: Susann Enders lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich von Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) mehr erwartet. "Wir brauchen einen eigenen bayerischen Klinik-Rettungsplan – unser Gesundheitsministerium im Freistaat muss alle Hebel betätigen und die bayerische Krankenhausplanung jetzt starten", sagt Enders, die auch gesundheitspolitische Sprecherin der FW-Fraktion im Landtag ist.
Sie warnt vor einer Zweiklassengesellschaft. Stadt und Land dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Eine schnelle medizinische Behandlung müsse es für alle geben, nicht nur für diejenigen, die in und um die Großstädte leben. Die Nähe zur nächsten Klinik könne schließlich entscheiden, ob ein Patient überlebt oder stirbt. "Daran muss sich die Krankenhausplanung des Freistaats künftig messen lassen", betont Enders.
Freie Wähler: Lauterbachs Reform kommt zu spät
Doch die finanzielle Lage vieler Kliniken sei kritisch. Bundesweit seien derzeit 70 Prozent der Kliniken um ihre Existenz besorgt. Die Ursache: eine verfehlte Bundespolitik. Die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) komme zu spät, beklagt Enders. Aber auch der Freistaat müsse nun dringend handeln.
Überraschend scharf formuliert die FW-Generalsekretärin ihre Forderung an Gerlach: "Das CSU-geführte Gesundheitsministerium muss JETZT handeln und einen bayerischen Klinik-Rettungsplan schnellstmöglich auf den Weg bringen", heißt es in einer Pressemitteilung. Die ist gespickt von Ausrufezeichen. Das soll wohl klarmachen: Wir FW meinen es ernst!
Druck auf Gerlach: Freie Wähler fordern regelmäßigen Bericht
Man erwarte "die Erarbeitung eines breit angelegten Klinikkonzeptes, an dem die kommunalen Spitzenverbände beteiligt werden, sowie alle betroffenen Pflege- und Gesundheitsverbände genauso wie der Rettungsdienst". Und Enders fordert: Gerlach soll den Freien Wählern künftig regelmäßig über die Lage der Kliniken Bericht erstatten – "um bei Fehlentwicklungen rasch gegensteuern zu können".
Dass ein Regierungspartner den anderen mit derart scharfen Worten öffentlich kritisiert, ist durchaus bemerkenswert – wenn auch nicht neu. Eher eine Retourkutsche? Im Februar hatte die CSU Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger aufgefordert, künftig halbjährlich einen Bericht über seine Arbeit abzugeben. Die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, spottete daraufhin, Aiwanger solle wie "ein Schulbub zum regelmäßigen Rapport einbestellt" werden.
Gerlach kontert: FW sind schlecht informiert
Gesundheitsministerin Gerlach weist die Kritik des Koalitionspartners entschieden zurück. "Die Freien Wähler sind leider schlecht informiert und vermischen verschiedene Themen miteinander", sagt sie BR24. Bayern nehme die Aufgabe der Krankenhausplanung verantwortungsvoll wahr und sei bei der Investitionskostenförderung vorbildlich aufgestellt. Der Freistaat habe in den vergangenen Jahren gemeinsam mit den Kommunen "alle notwendigen Projekte zeitgerecht finanziert".
Das akute Problem seien nicht die Investitionen, sondern die laufenden Betriebskosten. Für diese sei aber der Bund zuständig – und Gesundheitsminister Lauterbach weigere sich bislang, seiner Verantwortung gerecht zu werden, betont Gerlach. "Es ist wichtig, dass alle das endlich verstehen."
"Krankenhauslandschaft in akuter Gefahr"
Das Ganze darf aber auch nicht auf einen reinen Koalitionszwist reduziert werden. Das Thema Klinikrettung ruft nicht nur die Freien Wähler auf den Plan. Auch dem Bayerischen Städtetag geht es zu langsam voran mit der Krankenhausplanung im Freistaat.
Geschäftsführer Bernd Buckenhofer zeigt sich ebenfalls verärgert: Es müsse nun schnell gehen. Viele Krankenhäuser seien von einer Insolvenz und folglich einer Schließung bedroht. "Die flächendeckende Krankenhauslandschaft unseres Landes ist in akuter Gefahr", warnt Buckenhofer auf Anfrage von BR24.
Städtetag verlangt von Gerlach mehr Tempo
Der Bund müsse seiner Pflicht nachkommen, die Betriebskosten für Krankenhäuser sicherzustellen. Aber auch der Freistaat müsse aufs Tempo drücken und seiner Verantwortung für die Krankenhausplanung gerecht werden. "Die möglicherweise nötige Reduzierung von Krankenhausstandorten muss geplant erfolgen, ansonsten droht ein unstrukturiertes Krankenhaussterben", sagt Buckenhofer. Es brauche also eine genaue Karte, auf der zu sehen ist, welche Klinikstandorte in Bayern keine Zukunft haben.
Er erhöht damit den Druck auf Gesundheitsministerin Gerlach und fordert sie auf, schnell tätig zu werden, anstatt nur Kritik am Bund zu üben. Denn solange sich Bund und Länder gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, gehe nichts voran, ärgert sich der Bayerische Städtetag.
Länder schließen sich zusammen
Aus Bayern hagelt es seit Monaten scharfe Kritik für Lauterbachs Reformvorschläge. Gesundheitsministerin Gerlach äußerte immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken und beruft sich dabei auf ein Rechtsgutachten von Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg. Darin heißt es, die Reform beschneide die Planungsbefugnis der Länder übermäßig.
Mit dieser Kritik steht Bayern aber nicht allein da. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Bundesländer nun Lauterbach auf, den Entwurf für die Krankenhausreform anzupassen. Das Gesetz müsse unter anderem als "zustimmungspflichtig" angelegt sein. Also so, dass die Länder im Bundesrat zustimmen müssen. Das Bundeskabinett soll sich voraussichtlich am 8. Mai mit dem Gesetzentwurf befassen. Wann die Krankenhausplanung im Freistaat konkret wird und im bayerischen Kabinett behandelt wird, darüber ist nichts bekannt.
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