Karel Hladeček musste mit 36 Jahren sterben, weil er im tschechischen Widerstand organisiert war. In Nürnberg hat ihn der Volksgerichtshof im Februar 1944 zum Tode verurteilt, am 19. September wurde er im Gefängnis München-Stadelheim auf die Guillotine gelegt und geköpft – eines von 1.200 Hinrichtungsopfern im nationalsozialistischen Bayern. Unter ihnen auch die Mitglieder der Weißen Rose.
NS-Guillotine seit 1945 versteckt und weggesperrt
Hladečeks Urenkelin, Helena Novotná, ist bisher die einzige Privatperson, die die Guillotine sehen durfte. Denn das Mordinstrument steht seit Jahrzehnten im Depot des Bayerischen Nationalmuseums hinter Schloss und Riegel.
Als der BR 2014 aufgedeckt hatte, dass das Fallbeil noch existiert und seit 1974 dort steht, hat der Freistaat Bayern eine Ausstellung des Stückes verboten. Ein singulärer Vorgang in der bundesrepublikanischen Geschichte – normalerweise und andernorts in Deutschland entscheiden Museumsleute über die Ausstellung.
Bisher kein Erinnerungsort für Justizmorde in Bayern
Mit dem Ausstellungsverbot will Helena Novotná sich nicht zufriedengeben und hat einen Offenen Brief an den Bayerischen Ministerpräsidenten und den Münchner Oberbürgermeister geschrieben. Sie findet es unwürdig, dass die Guillotine auseinandergenommen verräumt ist. Damit werde die Erinnerung an ihren Urgroßvater und die anderen Opfer dieser Guillotine totgeschwiegen, sagt die 32-Jährige. "Das Verbot ist damals von Politikern verhängt worden, aber sie sind keine Nachkommen der Opfer", sagt sie. "Wie können sie etwas entscheiden, was die Familien der Nachkommen betrifft?"
Bislang gibt es in Bayern keinen sichtbaren Erinnerungsort für die Opfer der Justizmorde. Auch das Münchner NS-Dokumentationszentrum streift diese vergessene Opfergruppe nur am Rande. Andere Orte wie die Gedenkstätte Berlin-Plötzensee oder die Gedenkstätten in Halle an der Saale oder in Dresden (externe Links) sind da weiter.
Freistaat: Guillotine bleibt im Depot
Deshalb fordert Novotná einen breit angelegten Diskurs mit vielen Fachleuten und auch Angehörigen der ausländischen Opfer. Am Runden Tisch von 2014, der dem Ausstellungsverbot vorausging, saßen nur Nachkommen der Weißen Rose. Tatsächlich kamen fast die Hälfte der 1.200 Opfer aus dem Ausland – unter ihnen 198 Tschechen und 185 Polen.
Das Kunstministerium beharrt in einer schriftlichen Stellungnahme auf der Entscheidung von 2014. Vor allem seien die Gefühle der Nachkommen zu berücksichtigen. Ein breiteres Meinungsbild der Nachkommen gibt es aber nicht.
Andere Gedenkstätten stellen NS-Guillotinen aus
Der Leiter des Memoriums Nürnberger Prozesse, Alexander Korb, der zu den Hinrichtungen im Dritten Reich forscht, bedauert das. "Eine Tabuisierung der Hinrichtungsmethode kann kein Weg sein." Er glaubt, dass die Annäherung über den realen Gegenstand des NS-Fallbeils "dazu einlädt, sich mit den Biografien der Opfer zu befassen." Im Gegensatz zu Bayern stellen Städte wie Ludwigsburg, Brandenburg an der Havel oder Hamburg NS-Guillotinen aus (externer Link) und berichten, dass es dabei nie zu Problemen oder verletzten Gefühlen gekommen sei.
Die 1.200 Münchner Opfer der Todesstrafe im NS-Staat waren in der Mehrzahl Widerständler, Menschen mit unangepassten Lebensentwürfen und Kleinkriminelle – nur jeder Zehnte hatte ein Kapitalverbrechen begangen. Sie alle sollten als sogenannte "Volksschädlinge" und "Gewohnheitsverbrecher" "ausgemerzt" werden, um einen "gesunden Volkskörper" zu schaffen.
Gebeine bleiben auf Münchner Friedhof
Ohne Erfolg blieb auch Helena Novotnás Wunsch, die Gebeine ihres Urgroßvaters in ihre tschechische Heimat zu holen. Sie liegen in einem Sammelgrab ("Ehrenhain II") am Friedhof am Perlacher Forst in München – direkt neben der JVA Stadelheim.
Karel Hladeček war nach seinem Tod zunächst in einem Einzelgrab bestattet worden. 1954 entschied der Münchner Stadtrat dann, die Gräber der Hinrichtungsopfer aufzulösen und die Gebeine in das Sammelgrab umzubetten – aus Platz- und Kostengründen. Die Angehörigen wurden damals nicht um ihr Einverständnis gefragt. Der Historiker Alexander Korb ist entsetzt: "Wie kann man Menschen, die einzeln bestattet worden sind, nachdem sie von einem Unrechtsregime umgebracht worden sind, in ein Sammelgrab legen, ohne die Angehörigen zu fragen!" Damit seien die Angehörigen ein zweites Mal zu Opfern geworden.
Weil die Gebeine der 93 Opfer im Ehrenhain II "dicht an dicht liegen", könne man die Gebeine von Helena Novotnás Urgroßvater heute jedoch nicht mehr entnehmen, ohne die Totenruhe der anderen Bestatteten zu stören, schreibt das zuständige Gesundheitsreferat der Stadt München und lehnt eine Exhumierung deshalb ab. Eine DNA-Untersuchung, die die Gebeine zuordnen helfen könnte, komme nicht infrage. Man wisse ja, wer da begraben liege. Zu den Familien der Opfer hat die Stadt nie Kontakt gesucht.
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