Das NS-Regime ging überall in Bayern mit äußerster Brutalität gegen Oppositionelle und Widerständler vor. Den Druck, den dieser Terror auf die Bevölkerung ausgeübt hat, untersucht derzeit das Landshut-Museum in einer Ausstellung, die noch bis zum Frühjahr zu sehen ist. "Wir haben es mit verschiedensten Verhaltensweisen zu tun, Wegducken, Anpassung, Zustimmung und Mitmachen", sagt die Kuratorin Doris Danzer.
Landgerichtsdirektor durch Landshut getrieben
Und natürlich auch mit Widerstand. Einer der Landshuter Widerständigen war der Landgerichtsdirektor Ignaz Tischler: Nach der antisemitischen Pogromnacht im November 1938 sagte er zu einem Mitarbeiter, dass er die Plünderer vor Gericht stellen würde, wenn er etwas zu sagen hätte.
Der Mitarbeiter, der auch bei der SA war, hat ihn deshalb denunziert. "Und dann hat man Tischler aus seinem Wohnhaus geholt und eine Volksmenge hat ihn dann durch die Stadt getrieben, mit einem Schild umgehängt: 'Ich bin ein Volksverräter'", erzählt Doris Danzer. Tischler hat danach die Stadt verlassen und wurde zu seinem Glück nicht belangt.
Aufrechter Pfarrer kommt in "Schutzhaft"
Weniger Glück hatte der Pfarrer von Oberglaim, Maximilian Frammelsberger. Weil er in seinen Predigten immer wieder gegen die Nazis wetterte, kam er schon 1933 für einige Tage in so genannte "Schutzhaft" im Landshuter Landgerichtsgefängnis, später kam er ins KZ Dachau.
Die Schutzhaft war eine Terrormaßnahme des NS-Regimes, um die Menschen in Angst zu halten und mundtot zu machen. Ohne Gerichtsbeschluss konnte der Staat jedweden vorbeugend und auf unbestimmte Zeit inhaftieren, die Opfer durften keinen Anwalt einschalten und erfuhren nicht einmal, wie lange und warum sie festgehalten wurden.
"Das war eine der effektivsten Maßnahmen, um unglaublich schnell viele Menschen, die missliebig waren, auszuschalten, um eine Gesellschaft zu formieren, wie man sie sich vorgestellt hat", sagt Doris Danzer vom Landshut-Museum. "Die Schutzhaft diente dazu, die Bevölkerung zu terrorisieren und abzuschrecken." Ab 1938 kamen Schutzhäftlinge immer ins KZ.
Briefe gegen das NS-Regime
Pfarrer Frammelsberger hat sich von der Schutzhaft aber nicht einschüchtern lassen. In seinen Briefen an Landshuter Soldaten an der Front "hat er immer wieder ganz offen ausgedrückt, wie sehr ihm beispielsweise die NS-Propaganda als Heuchelei vorkommt, was alles verschwiegen wird, was getan werden müsste, um den Krieg zu unterbinden", so Danzer.
Einer der Briefe wird Frammelsberger dann zum Verhängnis. Darin schreibt er: "So viel prächtige Leute fallen und wofür? Wo bleibt die große Rede zum Beginn des fünften Kriegsjahrs? Wo die Bilanz über die bisherigen Verluste? Wie wird dieser Kampf enden, der nebenbei gegen Gott geführt wird? Wäre es nicht besser für die Stimmung des Volkes, diesen Kampf jetzt noch rechtzeitig abzublasen? Warum begreift man nicht, dass das Volk vollständig zermürbt ist? Wir möchten wieder ein freies Volk werden, keine Sklaven."
Auf "Wehrkraftzersetzung" stand die Todesstrafe
Die NS-Zensur fängt den Brief ab, Frammelsberger kommt in Regensburg in Gestapo-Haft und schließlich ins Gefängnis nach Berlin. In der Haft stirbt er dann – möglicherweise an Folterungen. "Er ist wirklich einer der wenigen Geistlichen, die offen Kritik geäußert haben am Regime und die in Kauf genommen haben, dass sie mit ihrem Leben bezahlen", sagt Doris Danzer.
Auf "Wehrkraftzersetzung" stand während des Zweiten Weltkriegs die Todesstrafe durch das Fallbeil. Allein auf der Guillotine von München-Stadelheim sind während der NS-Diktatur mindestens 1.200 Menschen gestorben – unter ihnen viele Oppositionelle.
Schreiner macht 1934 Flugblatt-Aktion über KZ Dachau
Ein Mann, der ebenfalls kaum bekannt ist, ist der Münchner Schreiner und ehrenamtliche Rettungssanitäter Ludwig Wörl (siehe Titelfoto). Schon 1934 hat der 28-Jährige bei einer Flugblattaktion mitgemacht, um die Bevölkerung über die unmenschliche Behandlung der Dachauer KZ-Häftlinge zu informieren. Er wurde ohne rechtsstaatliches Verfahren verhaftet, kam selbst nach Dachau, wo er monatelang in Ketten-, Einzel- und Dunkelhaft saß, aber offenbar keine Namen von Mittätern genannt hat.
Anschließend saß Wörl elf Jahre lang in den Konzentrationslagern von Dachau, Flossenbürg, Auschwitz und Mauthausen und arbeitete dort als Pfleger im Häftlingskrankenbau. Weil er vor allem in Auschwitz viele auch jüdische Häftlinge vor der Gaskammer oder der Todesspritze gerettet hat, ist Ludwig Wörl von der Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt worden [externer Link].
Wichtiger Zeuge in Auschwitzprozess
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Ludwig Wörl in mehreren Prozessen gegen die ehemaligen SS-Männer ausgesagt und zu ihrer Verurteilung beigetragen. Auch das erforderte Mut, weil den ehemaligen KZ-Häftlingen wenige Jahre nach dem Krieg die Angst vor Verfolgung noch in den Knochen steckte und sie in der Bevölkerung immer noch geächtet waren. Abgesehen davon, dass Wörl nach elf Jahren in Konzentrationslagern ein körperliches Wrack war und auch seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben konnte.
Wörl hat ein Ehrengrab am Münchner Waldfriedhof. Das Dachauer Gedächtnisbuch hat kürzlich ein Gedächtnisblatt für Wörl [externer Link] erarbeitet und nun veröffentlicht. Die Recherchen hat unter anderem die Dachauer Schülerin Isabella Rumpler gemacht.
Im Video: Nationalsozialismus – Ausstellung über Frauen im Widerstand
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