Auf manchen Feldern und Wiesen ist es jetzt wieder zu hören: das "Kiwit, Kiwit" des schwarz-weißen Kiebitzes. Nach dem Winter ist der Vogel des Jahres aus dem Mittelmeerraum nach Bayern zurückgekehrt. Wer Glück hat, kann sogar seinen spektakulären Balzflug beobachten. Aber dazu braucht es wirklich viel Glück. Denn der Vogel mit der markanten Federhaube steht auf der roten Liste, ist also vom Aussterben bedroht.
Um ganze 90 Prozent ist sein Bestand in den letzten 25 Jahren laut dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (externer Link) bundesweit zurückgegangen. Dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) (externer Link) zufolge gibt es in Bayern aktuell nur noch zwischen 5.500 und 7.000 Brutpaare.
Zu wenig Nahrung, zu wenig Ruhe
Grund für die sinkenden Bestandszahlen ist, wie bei so vielen Wiesenbrütern, dass der bevorzugte Lebensraum des Vogels, nämlich das offene Feuchtgrünland, in der modernen Landwirtschaft selten geworden ist. Laut LBV hat sich der Kiebitz zwar angepasst und ist auch mittlerweile vermehrt auf Ackerflächen anzutreffen – trotzdem ist der Bruterfolg gering.
Der Vogel findet schlichtweg zu wenig Nahrung, zu der vor allem Insekten und deren Larven zählen. Außerdem gefährden Fressfeinde den Kiebitz. Auch Spaziergänger und Hunde stören häufig den Bodenbrüter, so der Vogelschutzbund.
Schwaben: Schutzflächen zum Brüten gegen finanziellen Ausgleich
In Schwaben gibt es deshalb bereits seit 2017 ein einzigartiges Schutzprogramm, das dem Kiebitz hierzulande eine Zukunft sichern soll. Es sieht vor, dass landwirtschaftliche Flächen für Bodenbrüter wie den Kiebitz unter Schutz gestellt werden.
Auch Landwirt Hans Heinzelmann aus Kirchheim im Unterallgäu nimmt daran teil. Auf seinem Acker lassen sich jedes Jahr regelmäßig Kiebitze zum Brüten nieder. Das begeistert den Familienvater. Früher, als seine Kinder noch klein waren, hätten sie regelmäßig gemeinsam die Kiebitze beim Balzflug beobachtet, erzählt er. Ein richtig tolles Erlebnis sei das gewesen. Vielleicht ein Grund, warum er sich mit dem Vogel verbunden fühlt. Für den Bauern steht fest: Er wird den Bereich um die künftigen Nester erst einmal nicht bewirtschaften. Dafür bekommt Hans Heinzelmann einen Ausgleich: 600 Euro pro Hektar gibt es dafür von der Regierung von Schwaben. Im vergangenen Jahr flossen insgesamt 200.000 Euro in den Wiesenbrüter-Schutz.
Gute Kooperation mit den Landwirten
Der Landschaftspflegeverband (externer Link) bespricht die konkreten Maßnahmen mit den Grundbesitzern. Noch nie habe einer abgelehnt, sagt Geschäftsführer Jens Franke. Im Gegenteil: "Es kommt auch vor, dass die Landwirte bei uns anrufen und sagen: Ich hab da was gesehen, könnt ihr mal kommen."
Auch Vogelschützer und andere Ehrenamtliche informieren den Landschaftspflegeverband, wenn sie Brutpaare entdecken, so die Organisation. Das Ziel: Es sollen wieder mehr Kiebitze in Ruhe schlüpfen können.
Neues Kiebitz-Forschungsprojekt in Oberbayern
Wie gut solche Maßnahmen greifen, das untersucht ab diesem Frühjahr auch das "Kiebitz-Forschungsprojekt" in Oberbayern. In den Landkreisen Altötting, Mühldorf, Rosenheim und Traunstein werden deshalb frisch geschlüpfte Kiebitz-Küken kurz gefangen und beringt.
Doch es geht nicht nur darum, zu schauen, wie gut die Wiederansiedelung der Vögel in Bayern gelingt. Die beringten Kiebitze können auch Informationen liefern, wie sich die Population in den Folgejahren entwickelt und ob ein Austausch zwischen den Populationen stattfindet. Zuständig sind die Mitarbeiter des Landschaftspflegeverbands Altötting, die vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie geschult wurden.
Hoffnungsschimmer: Neue Vögel siedeln sich an
Am Chiemsee ist Gebietsbetreuer Dirk Alfermann derzeit unterwegs. Etwa 50 bis 60 Brutpaare habe es noch Anfang der 60er-Jahre allein im südlichen Bereich des Sees gegeben, berichtet er. Für heuer erwartet er nur rund 15 Brutpaare – und das für das gesamte Chiemsee-Umfeld. Ein Grund dafür sei der hohe Freizeitdruck rund um den See, insbesondere frei laufende Hunde oder querfeldein fahrende Radfahrer störten die Vögel zur Brutzeit. Doch es gebe auch Lichtblicke: Im Raum Bernau brüteten im letzten Jahr wieder Kiebitze, zogen drei Jungvögel auf. Das erste Mal seit 30 Jahren. Für Dirk Alfermann eine Sensation. Auch heuer konnte der Biologe wieder drei potenzielle Brutpaare beobachten.
Wenn alles gut läuft, werden dort Mitte bis Ende April die Küken schlüpfen. Sie werden dann nach Möglichkeit beringt, um den Kiebitz besser beobachten und damit besser schützen zu können.
Im Video: Ein einzigartiges Schutzprogramm in Schwaben soll dem Kiebitz eine Zukunft sichern
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