Der Ärztemangel in Bayern trifft mittlerweile auch die Kleinsten. Auch wenn die Versorgung rechnerisch völlig ausreichend sein müsste, so wie etwa in Waldsassen. Sie liegt dort laut KVB bei über 90 Prozent. Die Realität sieht aber anders aus.
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Der Ärztemangel in Bayern trifft mittlerweile auch die Kleinsten.

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Waldsassen sucht einen Kinderarzt per Online-Werbespot

Waldsassen sucht einen Kinderarzt per Online-Werbespot

Der Ärztemangel in Bayern trifft mittlerweile auch die Kleinsten. Insbesondere im ländlichen Raum fehlen Kinderärzte. Die Stadt Waldsassen geht einen ungewöhnlichen Weg und sucht per Werbespot nach einem Kinderarzt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Ärztemangel ist ein Problem in Bayern. Das trifft mittlerweile auch die Kleinsten. Auch wenn die Versorgung mit Kinderärzten rein rechnerisch als ausreichend gilt, fehlen die Mediziner gerade auf dem Land. Die Stadt Waldsassen sucht jetzt mit einem Werbespot nach einem Kinderarzt:

Zum Artikel: Als Kinderärztin aufs Land: Bayern zahlt tausendste Prämie

Waldsassen: Dreiviertel-Stunde bis zum nächsten Kinderarzt

Ein großer dunkelblauer Wäschekorb und drin sind jede Menge Mädchenkleider, T-Shirts, kurze Hosen und allerlei Sommersachen. Während Susanne Feistenauer erzählt, legt sie die Wäsche ihrer drei Kinder zusammen. Sie sind 7, 10 und 12 Jahre alt und im Moment in der Schule. Solange bei den Feistenauers alle gesund sind, ist alles in Ordnung. Wenn nicht, dann wird es schwierig: Denn in Waldsassen gibt es seit zwei Jahren keinen Kinderarzt mehr:

"Zu unserem Kinderarzt sind wir eine Dreiviertel-Stunde unterwegs – mit Schule und beruflicher Situation ist es sehr zeitintensiv und herausfordernd.“ Susanne Feistenauer aus Waldsassen

Selbst bei kleineren Wehwehchen muss sie hinfahren – denn zur Betreuung eines kranken Kindes braucht es ein Attest für den Arbeitgeber. Das gibt es nur beim Kinderarzt: "Ich fahre dann hin und hole diesen Zettel und bin dann 1,5 - 2h unterwegs und müsste mich um ein krankes Kind kümmern", erzählt sie weiter.

Zusätzlich verstopft diese Bürokratie die Wartezimmer der Praxen, die alle schon am Limit arbeiten.

Aufnahmestopp bei Kinderärzten der Region

Bei den Ärzten in der näheren Umgebung herrscht immer wieder Aufnahmestopp. Auf einem Spielplatz im Wohngebiet Maierzelch in Waldsassen erzählt Lisa Schicker, dass sie vor knapp einem Jahr Mutter geworden ist, Sohn Levi setzt sie währenddessen in die Baby-Schaukel - bei ihr ging die Suche schon mit der Geburt los: "Nach meiner ambulanten Geburt haben wir einen Arzt gesucht, der die U1-Untersuchung bei meinem Neugeborenen macht, mein Mann hat telefoniert und telefoniert und ist schon ganz verrückt geworden, weil wir dachten, wir finden niemanden."

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Mutter Lisa Schicker mit Sohn Levi am Spielplatz

Wanted: Kinderarzt oder Kinderärztin

1.300 Kinder und Jugendliche gibt es in Waldsassen. Fahrten in die Umgebung nach Altenstadt, Kemnath, Weiden oder ins oberfränkische Selb und Marktredwitz sind für die Eltern keine Seltenheit. Um die Suche nach einem Kinderarzt zu pushen, hat die Stadt Waldsassen einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Sie hat mit Kindern und Eltern einen Werbespot gedreht.

Social Media als Jobbörse

Eine Werbeagentur hat den Spot für Waldsassen produziert. Aus Sicht von Kindern wird beschrieben, wie wichtig eine Gesundheitsversorgung ist. Man sieht ein Mädchen beim Skaten stürzen und einen Jungen von der Schaukel fallen. Kurz, prägnant und emotional. Als Zuschauer versteht man erst ganz zum Ende, worum es eigentlich geht, das war Bürgermeister Bernd Sommer wichtig.

"Der Spot läuft sehr gut, hat mehrere hunderttausend Klicks – eigentlich reicht uns ja nur ein Klick, und zwar von dem Arzt oder der Ärztin, die sagt: Mensch, da greif ich zum Hörer und da ruf ich mal an, vielleicht wäre das was." Bernd Sommer, Waldsassener Bürgermeister
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Ausschnitt aus dem Werbespot

Neues Ärztezentrum entsteht

Platz für einen Kinderarzt wäre da: Die Stadt schafft gerade neue Räume, das ehemalige Krankenhaus in Waldsassen wird für rund 20 Millionen Euro in ein Ärztehaus verwandelt, die erste Praxis ist schon drin. Ein potenzieller Kinderarzt könnte hier seine Praxis einrichten und sogar die Wunschpraxis bekommen, denn Änderungen auf der Baustelle sind noch möglich. Zudem gibt es noch zwei weitere Praxen, die zur Verfügung stehen würden.

"Waldsassen rollt den roten Teppich aus: von Praxis, über einen möglichen Bauplatz für Familien ist alles im Portfolio mit drin." Bernd Sommer, Bürgermeister Waldsassen

Die Resonanz auf den Spot ist zwar groß, aber einen Bewerber gibt’s aktuell noch nicht. Für die Kinder und Eltern in Waldsassen geht das Hoffen weiter. Das Problem: nicht nur in Waldsassen fehlt der Nachwuchs an jungen Ärzten, die gerne in der Kindermedizin arbeiten möchten. Auch wenn die Versorgungsrate der KVB (Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns) besagt, dass am Beispiel Waldsassen die Rate bei über 90Prozent liegt, die Erfahrung zeigt, dass die Realität doch meist ganz anders aussieht.

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Umbau: altes Krankenhaus wird umgebaut in Ärztezentrum

KVB fordert ein neues Gesamtkonzept

Der Problematik ist sich die kassenärztliche Vereinigung Bayerns durchaus bewusst. Sie fordert in einem Positionspapier, dass es keine kurzfristigen Lösungen geben kann. Es brauche ein besseres Gesamtkonzept: Zum einen weniger Bürokratie bei Attesten und Bescheinigungen (dadurch sind die Praxen überfüllt mit Eltern, die nur ein Attest zur Betreuung des Kindes brauchen), Zuschläge für Kinderarztleistungen und eine Förderung der ambulanten Weiterbildung. Auch Eltern müssten laut KVB gestärkt werden, um nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt zu gehen oder das Gefühl zu haben, einen Arzt konsultieren zu müssen.

Drohende Unterversorgung bei Kinderärzten

Laut des Versorgungsschlüssels der KVB droht aktuell nur in den Landkreisen Kronach, Miltenberg, Freyung-Grafenau, Dingolfing-Landau und Weißenburg-Gunzenhausen eine Unterversorgung an Kinderärzten. In ganz Oberfranken und der Oberpfalz herrscht rein rechnerisch eine Überversorgung. Nur die Landkreise Cham und Tirschenreuth sind "regelversorgt" – wie es offiziell heißt.

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