Der bayerische Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) will Fake News und Manipulationen im Netz bekämpfen. Große Tech-Unternehmen wie Google und Microsoft bieten dazu ihre Unterstützung an. Unklar ist aber noch die Finanzierung.
Ein Beispiel: Ein Graffiti auf einem Münchner Wohnhaus zeigt einen Arbeiter, der eine ukrainische Flagge von der Wand putzt – es soll die vermeintlich schwindende Unterstützung Europas für die Ukraine symbolisieren. Vor wenigen Monaten haben russische Blogger Fotos davon im Internet verbreitet. Doch das Graffiti hat es nie gegeben - die Bilder sind ein Fake und Propaganda. Dank Künstlicher Intelligenz ist es inzwischen sogar möglich, ganze Videosequenzen digital zu erstellen, die so nie stattgefunden haben.
Laut Mehring fehlt ein "Stammtischkorrektiv im digitalen Raum"
Neue technische Möglichkeiten werfen die Frage auf: Welche Fotos oder Videos im Netz sind tatsächlich echt und welche wirken nur echt? User bräuchten eine Art Korrektiv, meint Mehring. Wenn am Stammtisch jemand "Fake News oder Unsinn" verbreite, gebe es meistens irgendjemand, der Dinge geraderücke und einordne, so der Digitalminister. "Genau dieses soziale Stammtischkorrektiv fehlt derzeit leider noch im digitalen Raum."
Mit einer "Bayern-Allianz gegen Desinformation" will Mehring diese Lücke füllen und gezielte Manipulationen im Internet bekämpfen - denn: "Was am Stammtisch kriminell ist, das muss auch im digitalen Raum illegal sein." Zusammen mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) gab Mehring am Mittwoch den Startschuss.
Mit "Content Credentials" und "Prebunking" gegen Fake News
Teil der Allianz sind auch sieben internationale Tech-Unternehmen – darunter Google, Microsoft und Adobe. Als eine Beispielmaßnahme gegen Desinformationen präsentierte Stefanie Valdés-Scott von Adobe sogenannte "Content Credentials". Mit dieser Technologie kann man die Herkunft digitaler Inhalte nachweisen: Wann und wo wurde ein Inhalt erstellt, wer hat ihn gemacht und wie wurde er möglicherweise bearbeitet? "Content Credentials" seien wie eine "Nährwerttabelle" für digitale Inhalte, so Valdés-Scott. Jeder soll die kostenlose Open-Source-Technik in die eigenen Produkte und Plattformen einbinden können und so Transparenz und Vertrauen schaffen.
Laut Google-Vertreter Jens Redmer ist es wichtig, schon die Entstehung und Verbreitung von Desinformationen zu verhindern - gelingen könne das mit sogenanntem "Prebunking". Die Idee ist, User besser auf Manipulationen im Internet vorzubereiten. Sein Unternehmen habe im vergangenen Jahr mit einer Kampagne gegen Desinformation fast die Hälfe der Online-Nutzer in Deutschland erreicht und diese Menschen anschließend befragte, so Redmer. "In einer Fokusgruppe haben wir dann ermittelt, dass über eine Million Menschen nach dieser Studie das Gefühl hatten, die gängigen Manipulationstechniken besser zu erkennen."
X und TikTok sind noch nicht Teil der Allianz
Die großen sozialen Netzwerke X und TikTok sind aktuell nicht Teil der Allianz. Laut Mehring sollen sie aber in einer zweiten Stufe eingeladen werden: "Ich hoffe sehr darauf, dass wir da auf offene Türen stoßen werden."
Das Digitalministerium will die Maßnahmen und Informationen der beteiligten Unternehmen nun bündeln und auch eigene Kampagnen gegen Desinformationen stärken. Diese reichten von der Vermittlung von Medienkompetenz an Grundschulen bis hin zu Beratungen von Senioren. Außerdem sollen laut Mehring Qualitätsmedien und Medienvielfalt weiter gestärkt werden.
Der Digitalminister sieht eine Lücke aus schneller technischer Entwicklung einerseits und einer langsameren gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung auf der anderen Seite. Es gebe Akteure, die soziale Medien missbrauchen und zu "einer Art Fake-News-Maschine" umfunktionieren würden. Ihr Ziel sei es, die Gesellschaft auseinanderzutreiben und Demokratie zu unterminieren. "Wir wollen es nicht zulassen, dass wir den digitalen Raum den politischen Rattenfängern überlassen", so Mehring.
AfD: Menschen sollen sich auch auf "alternativen Plattformen" informieren
Bei der Opposition stoßen die Pläne auf unterschiedliche Resonanz. "Fake News und Desinformationspolitik sind Phänomene, die sich gewiss nicht mit einer Bayern-Allianz lösen lassen", sagt Martin Böhm, stellvertretender AfD-Fraktionschef im Landtag. Man müsse Menschen dazu bewegen, sich "umfassend zu informieren. Umfassend in dem Sinne, nicht nur öffentlich-rechtlichen Medien zu vertrauen, sondern sich durchaus auch auf alternativen Plattformen zu informieren".
Ganz anders sieht das SPD-Fraktionschef Florian von Brunn, der bereits zugesichert hat, sich an der Allianz zu beteiligen. Es sei aber auch wichtig, dass "wir uns als Politik immer selbst kontrollieren", so von Brunn. "In den letzten Monaten ist es nicht immer so gewesen, dass alles ganz in Ordnung war, was auch aus der demokratischen Mitte gekommen ist."
Grünen-Kritik: Vorstoß komme zu spät für die Europawahl
Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze befürwortet grundsätzlich den Vorstoß des Digitalministers, findet aber: "Wenige Wochen vor der Europawahl kommt er zu spät." Die vergangenen Wahlkämpfe, insbesondere der Landtagswahlkampf 2023 sei ein "dunkelrotes Warnsignal" gewesen. Die "Zerstörer unseres freien Lebens" seien mit ihrem Vorhaben schon sehr weit gekommen, so Schulze. "Ein bayerisches Gegenhalten kann es hier nur dann geben, wenn alle Maßnahmen der Staatsregierung unmittelbar auf die Straße sowie auch in die digitale Sphäre gebracht werden."
Finanzierung unklar
Wie viel zusätzliches Geld dem Digitalminister für den Kampf gegen Desinformation bereitsteht, ist noch unklar. Er gehe jedoch davon aus, dass sein Ministerium in den aktuell laufenden Haushaltsverhandlungen mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werde, so Mehring.
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