Um Deutschland Richtung 100 Prozent klimafreundliche Energie zu bringen, werden Stromspeicher immer wichtiger. Sie gleichen Schwankungen bei Wind und Sonne aus. Wissenschaftler sprechen schon seit Jahren davon, wie wichtig es wäre, hier auch das Potenzial der Batterien in den Elektroautos nutzbar zu machen. Das wird jedoch nur gelingen, wenn die Autobesitzerinnen und -besitzer selbst für sich einen Nutzen darin sehen. Wie weit ist die Technik und was gilt es zu beachten? BR24 gibt Antworten auf die zentralen Fragen.
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Wie funktioniert das Prinzip?
Im Grunde ganz einfach: Die Wallbox, also die leistungsfähige Steckdose, über die das Elektroauto daheim geladen wird, wird so umgerüstet, dass sie in beide Richtungen funktioniert. Sie kann dann die Autobatterie auch entladen. Dafür muss allerdings auch die Elektronik des Autos kompatibel sein.
Per App können Regeln für den Vorgang definiert werden, also zum Beispiel welcher Füllstand im Auto-Akku zu welcher Zeit mindestens vorhanden sein muss. So kann der Besitzer oder die Besitzerin verhindern, dass durch die Zweitverwendung der Autobatterie die Mobilität leidet. Jederzeit mit dem Auto losfahren kann man also trotzdem.
Warum sollte man das machen – seine Batterie wieder entladen?
Wer ein Haus mit Photovoltaik-Anlage besitzt, kann seine Autobatterie nutzen, um einen größeren Anteil des billigen Solarstroms vom Dach selbst zu verbrauchen ("vehicle to home"). Zu diesem Zweck wird die Batterie bei Sonnenschein geladen und zum Beispiel am Abend wieder entladen, wenn Licht und Fernseher eingeschaltet werden. E-Auto-Batterien sind deutlich leistungsfähiger als die üblichen, stationären Solarbatterien: Sie können größenordnungsmäßig fünf bis zehn Mal mehr Strom speichern.
Eine weitere, fortgeschrittenere Anwendungsmöglichkeit ist "vehicle to grid". Das bedeutet: Man speist Strom aus der eigenen Autobatterie ins öffentliche Netz ein. Geladen wird das Auto dann in Zeiten mit viel Photovoltaik- und Windstrom im Netz und billigen Strompreisen, entladen in Zeiten, wenn Strom knapp und teuer ist.
Lohnt es sich, bei dieser Technik mitzumachen?
Wissenschaftler der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft haben ausgerechnet, dass sich mit dem Optimieren des Photovoltaik-Eigenverbrauchs via Autobatterie jährlich 300 bis 500 Euro an Stromkosten einsparen lassen. Wer aus der Autobatterie auch ins Netz einspeist, könnte etwa doppelt so viel verdienen, einen "hohen dreistelligen Eurobetrag pro Jahr". Andererseits aber sind die nötigen, speziellen Wallboxen bisher noch doppelt so teuer wie herkömmliche E-Auto-Ladegeräte.
Wie viele Autos können bidirektionales Laden?
Bisher sind nur wenige E-Autos dafür ausgerüstet. Das könnte sich jedoch jetzt recht schnell ändern. "Bidirektionales Laden wird kommen", lautet die Einschätzung des ADAC. Laut dem Verband haben viele Hersteller angekündigt, ihre Fahrzeuge in nächster Zeit dafür freizugeben. Teilweise ist die nötige Hardware schon verbaut und kann später durch Software-Updates freigeschaltet werden. VW etwa hat angekündigt, für einen Teil seiner Fahrzeuge die Technik anzubieten. Renault will mit seinem neuen elektrischen R5 ein Komplettpaket für bidirektionales Laden inklusive Stromvertrag anbieten.
Welche Probleme gibt es noch beim Regulierungsrahmen?
Eine Norm für das bidirektionale Laden existiert inzwischen. Sie ist aber nicht verpflichtend. Deshalb muss sich noch herausstellen, ob die einzelnen Autohersteller sie auch flächendeckend anwenden – und so sicherstellen, dass die Technik von Lade- und Entladestationen tatsächlich für alle Marken passt. Insellösungen einzelner Marken sind nicht ausgeschlossen, in diesem Fall bräuchte man dann möglicherweise eine neue Wallbox, wenn man die Automarke wechselt.
Für das Einspeisen von Strom aus dem Netz in Autobatterien und wieder zurück gibt es das Problem, dass zweimal Steuern und Abgaben anfallen. Außerdem verliert Grünstrom seinen Herkunftsnachweis, wenn er durch eine Autobatterie geht. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt auf BR-Anfrage: Wenn man ein- und ausgespeicherten Strom vom normalen Fahrstrom trennen will, brauche es ein kompliziertes Messkonzept. Man arbeite daran. Das Ministerium erwartet jedoch, dass in der Praxis ohnehin zunächst einmal die einfacheren "vehicle-to-home"-Anwendungen zum Tragen kommen.
Welchen Einfluss hat die Doppelnutzung auf den Verschleiß der Batterie?
Weil die Batterie das teuerste Bauteil in einem E-Auto darstellt, ist diese Frage besonders wichtig. Weil die Technologie noch recht jung ist, liegen noch keine Langzeiterfahrungen vor. Der ADAC beurteilt das Thema jedoch optimistisch, weil das Entladen daheim das System deutlich weniger belastet als der Fahrvorgang.
Zudem betonen die ADAC-Experten, dass die Autofirmen stets die Kontrolle darüber behalten, wie mit ihren Batterien umgegangen wird. Denn die Entladevorgänge werden vom Heimenergienetz zwar angefordert, aber das Fahrzeug selbst bedient diese Anfrage nach den Vorgaben des Fahrzeugherstellers. Trotzdem seien die Autofirmen noch vorsichtig, solange nur wenig Erfahrungswerte da sind. Der ADAC fordert verbraucherfreundliche Garantiebedingungen.
Welchen Nutzen könnte die Technik für die Allgemeinheit bringen?
Je höher der Anteil von schwankenden Energiequellen wie Wind und Sonne in der deutschen Stromversorgung ist, desto wichtiger werden Stromspeicher. Das Potenzial der Autobatterien ist dabei enorm. Schon jetzt können sie trotz der noch begrenzten Anzahl von E-Autos in Deutschland mehr Strom speichern als alle deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen. Das rechnet die Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft vor. Die Doppelnutzung der Autobatterien wäre also ein enormer Beitrag zur Effizienz des Stromsystems, und zwar ohne zusätzliche Eingriffe in die Natur.
Dieser Artikel ist erstmals am 18. März auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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