10.06.2024, Bayern, München: Der angeklagte Imam Mohamed Ibrahim (l) kommt vor Prozessbeginn mit seinem Anwalt Andreas von Mariassy in den Gerichtssaal. Der Imam soll am 7. Oktober, dem Tag des Angriffes der Hamas auf Israel, auf Facebook geschrieben haben: "Jeder hat seine eigene Art, den Oktober zu feiern." Weil er gegen einen Strafbefehl, der gegen ihn erlassen wurde, Einspruch einlegte, kommt es am Montag (14.00 Uhr) zum Prozess am Amtsgericht München. Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Prozess gegen Imam

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Wegen Hamas-Posting: Münchner Imam muss Geldstrafe zahlen

Er soll den Überfall der Hamas am 07. Oktober auf Israel in einem Facebook-Post gebilligt haben: Deshalb hat das Amtsgericht München einen Münchner Imam zu einer Geldstrafe verurteilt - auch wenn er nun beteuert, er habe das alles nicht so gemeint.

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Der Münchner Imam Mohamed Ibrahim kam im Anzug, saß in ockerfarbener Hose und gleichfarbigem Sakko vor dem Richter.

Posting nach Gräueltat der Hamas

Das Verfahren gegen ihn drehte sich um den 7. Oktober 2023, dem Tag des Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel. Mehr als 1.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Der Münchner Imam hatte an diesem Tag auf Facebook geschrieben: "Jeder hat seine eigene Art, den Oktober zu feiern." Dahinter hatte er einen Smiley gesetzt.

Imam: Tragweite des Postings mir nicht bewusst

Der Imam erklärte vor Gericht, dass er den Satz anders gemeint habe. Die Nachricht sei auf den 6. Oktober, der in Ägypten ein Nationalfeiertag sei, bezogen gewesen. Die Tragweite des Hamas-Überfalls sei ihm zum Zeitpunkt des Facebook-Posts nicht bewusst gewesen. "Dass ich einen lächelnden Smiley dahinter gesetzt habe, gehört zu meiner Kommunikationsart", sagte der 52-Jährige. "Ich trage fast immer ein Lächeln im Gesicht." Erst einen Monat danach - als sein Post längst eine öffentliche Debatte ausgelöst hatte - löschte er den Eintrag. 

Er habe niemals gegen Juden hetzen wollen. Er bemühe sich als Imam des Islamischen Zentrums München um interkulturelle Verständigung, so Mohamed Ibrahim.

Wie kam es zum Prozess?

Doch das Gericht glaubte dem Deutsch-Ägypter seine Version zum Posting nicht und verurteilte ihn schließlich wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe – 90 Tagessätze zu je 50 Euro. Genau diesen Satz hatte die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft in einem Strafbefehl gegen den Imam gefordert. Doch der Imam hatte Einspruch eingelegt. Deshalb kam es zum Prozess.

Durch den Post habe er zum Ausdruck gebracht: "dass Sie den Mord und die Geiselnahmen der Hamas in hundertfachen Fällen guthießen, dass der Terrorangriff jedenfalls für manche Personen einen Anlass zum Feiern darstellt", hieß es in dem Strafbefehl, den der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Andreas Franck, vor Gericht verlas. Und: "Die Tötung von Zivilisten durch die Terrororganisation Hamas am 7.10.2023 hat in der deutschen Bevölkerung tiefe Bestürzung ausgelöst. Ihr Post, der im krassen Gegensatz dazu stand, war geeignet, das Sicherheitsgefühl großer Teile der Gesellschaft zu erschüttern."

Der Facebook-Post war von einigen als Verhöhnung der israelischen Opfer der Terrororganisation Hamas verstanden worden, darum führte auch der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz die Ermittlungen.

Staatsanwalt zum Imam: Habe Schwierigkeiten Ihnen zu folgen

Der Imam betonte vor Gericht, dass "ich mich auf keinen Fall hinter jemanden stelle, der Zivilisten angreift und tötet". Er habe diesen Post mittags verfasst und zu dem Zeitpunkt nur gehört, "dass es dem palästinensischen Widerstand gelungen sei, gegen Israel einen Erfolg zu erzielen". Er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine rein militärische Aktion handle und "dass die Palästinenser versuchen, zu ihren Rechten zu kommen".

Außerdem bestritt er, dass eine Billigung von Straftaten vorliege: "Dieser Post hat zunächst niemanden interessiert und den öffentlichen Frieden nicht tangiert", betonte er. Erst die darauffolgende Diskussion habe ihm klargemacht, dass der Satz anders verstanden werden könne, als er gemeint gewesen sei. Darum habe er den Post gelöscht.

Staatsanwalt Franck glaubte den Ausführungen des Angeklagten nicht. Er habe "Schwierigkeiten, Ihnen irgendwie zu folgen", sagte er. "Sie sprechen so blumig, so nebulös." Später betonte Franck, der Imam habe sich mit seinem Auftritt vor Gericht und zahlreichen israelkritischen Posts, die dort verlesen wurden, keinen Gefallen getan. 

Imam zwischenzeitlich suspendiert

Das Islamische Zentrum in München hatte Mohamed Ibrahim nach dem Post suspendiert; der Vorstand des Islamischen Zentrums distanzierte sich von dem Post. Die Suspendierung wurde jedoch wenige Wochen später aufgehoben.

"Gemeinsam mit unserem Imam bekräftigen wir unsere Verurteilung jeglicher Angriffe auf Zivilpersonen. In bewaffneten Konflikten sind diese nach internationalem Recht und auch nach unserem Religionsverständnis nicht zulässig", teilte die Moschee unter anderem auf ihrer Website mit. Die Moschee erinnert zudem an ihre Vorbildfunktion: "Daher ist es besonders wichtig, Botschaften – auch wenn sie auf unseren privaten Social Media Accounts getätigt werden – so eindeutig zu formulieren, dass keine Missverständnisse entstehen."

Moschee des Imams wird vom Verfassungsschutz beobachtet

Das Islamische Zentrum München selbst steht seit Jahren unter Beobachtung des Bayerischen Verfassungsschutzes - und wird auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Jahres 2023 [externer Link] erwähnt. Die Verfassungsschützer stufen die Moschee als muslimbrudernah ein. Die Muslimbruderschaft gilt als älteste und einflussreichste islamistische Bewegung.

Die Verfassungsschützer sind überzeugt: Die Muslimbrüder sind eine Organisation, die auch westliche Gesellschaften unterwandern will, Einfluss gewinnen möchte, um so auf lange Sicht ein globales Kalifat zu errichten. Im Gegensatz zu salafistisch-dschihadistischen Terrororganisationen will die Muslimbruderschaft ihre Ziele aber ohne Terror und Gewalt erreichen.

Der Imam und eine Gedenkrede

Im September 2022 hatte der nun verurteilte Imam im Islamischen Zentrum eine Gedenkrede über den zuvor verstorbenen muslimischen Gelehrten Yusuf al-Qaradawi gehalten. Erst durch Recherchen des Bayerischen Rundfunks war der Fall an die Öffentlichkeit gelangt.

Problematisch am "großen Gelehrten", wie Imam Mohamed Ibrahim ihn 2022 nannte, ist, dass er laut Verfassungsschutz immer wieder die Ideologie der Muslimbruderschaft verbreitete. So verharmloste Qaradawi etwa den Holocaust und lobte in einer TV-Rede Hitler dafür. Mohamed Ibrahim behauptete vor Gericht, er habe von dieser Haltung Qaradawis zum Zeitpunkt seiner Gedenkrede nichts gewusst. Der Imam machte deutlich, dass er eine derartige Haltung verabscheue. Er habe sich vielfach um Dialog mit Juden und Christen bemüht.

Mit Informationen von dpa.

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