Im Sommer grasen die Schafe von Landwirt Sepp Grasegger auf den Almen der Weidegenossenschaft Partenkirchen. Die Sorge vor dem Wolf kennen er und seine Berufskollegen. Vier Almen mussten sie letztes Jahr früher abtreiben, sie hatten 20 tote Schafe und 20 Verschwundene.
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Die Weideschutzkommission hat nun Gebiete im Alpenraum bestimmt, die sich nicht vor dem Wolf schützen lassen. Von den 1.400 anerkannten Almen und Alpen in Bayern sollen die meisten zu dieser Kategorie gehören - unter anderem in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Ober- und Ostallgäu sowie Rosenheim und Berchtesgadener Land.
Schafhalter hofft auf Nachbesserung
Doch über das bisherige Ergebnis ist Sepp Grasegger frustriert. In der Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums heißt es zwar, dass es in den nächsten Wochen weitere Auswertungen geben soll. Sepp Grasegger betont aber: Dafür dass die Untersuchung bereits drei Jahre gehe, sei das Ergebnis mager.
Die Schafalm in Partenkirchen umfasse beispielsweise etwa 2.000 Hektar. Davon seien aber nur zwei Hektar in die Liste aufgenommen worden. Für ihn schleierhaft. Außerdem gehören in seinen Augen nicht nur Gebiete im Alpenraum in diese Kategorie. Sepp Grasegger hofft, dass hier bald nachgebessert wird.
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Ausgleichszahlungen als Blutgeld
Und mehr noch: Für ihn sei das nur ein kleiner Anfang. Bisher ändern sich damit nur die finanziellen Bedingungen: Wenn Weidetiere nun in diesen Gebieten gerissen werden, bekommen Landwirte Ausgleichszahlungen - ohne vorher in den Herdenschutz investiert haben zu müssen. Für ihn ist das Blutgeld.
Landwirte erhalten Geld dafür, dass ihre Tiere bei lebendigem Leib zerrissen werden. Grasegger betont: Sie brauchen in erster Linie Schutz für ihre Tiere und keine Entschädigungszahlung für getötete. Für die Tierhalter sei das zudem eine extreme seelische Belastung.
Jagd oder nicht?
Als Vorsitzender vom Landesverband Bayerischer Schafhalter fordert er, dass der Wolf auf diesen Flächen geschossen werden darf, um die Tiere zu schützen. Seine Forderung gelte weiterhin: Der Wolf müsse ins Jagdrecht mit Schutz- und Bestandsjagd - in Kombination mit Weideschutzgebieten nach dem schwedischen Vorbild.
Wolfsexperte Uwe Friedel vom Bund Naturschutz sieht den Abschuss durch die Bestimmung der Flächen nicht gerechtfertigt. Er glaubt, dass hier falsche Hoffnungen geschürt werden. Weder führen die definierten Weideflächen aus rechtlicher Sicht dazu, dass Wölfe leichter abgeschossen werden. Noch sei es aus fachlicher Sicht richtig zu erwarten, dass die Tiere dann geschützt seien, sobald der Wolf dort geschossen werden darf.
Bund Naturschutz fordert mehr Bemühungen beim Herdenschutz
Er fordert zuvor kreativere Lösungen für den Herdenschutz. Die Experten der Weideschutzkommission haben bei ihrer Untersuchung geprüft, ob eine elektrifizierte Einzäunung möglich wäre, ob die Tiere behirtet oder über Nacht in einem Stall oder Pferch untergebracht werden könnten. Es fanden Vor-Ort-Begehungen statt. Wasserläufe und die Steilheit des Geländes sind laut Umweltministerium in die Bewertung mit eingeflossen.
Für Uwe Friedel sei Herdenschutz auf einigen Almflächen sicherlich wirklich nicht umsetzbar, für einige Gebiete gebe es aber sehr wohl Lösungen zum Wolfsschutz, die zumutbar sind, etwa Herdenschutzhunde oder eine gemeinsame Behirtung. Die Zusatzkosten dafür sollen seiner Meinung nach mit Fördergeldern bezahlt werden. Denn die Gesellschaft wolle Wölfe - und die Gesellschaft wolle Weidehaltung lieber als Stallhaltung. Auf den Kosten dürfen die Landwirte deshalb nicht sitzen bleiben.
Für den Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) ist Herdenschutz hingegen die einzige denkbare Lösung. Laut dem Vorsitzenden Dr. Norbert Schäffer entstehen Probleme nur, wenn Wölfe auf ungeschützte Weidetiere treffen und so möglicherweise ungewünschte Verhaltensweisen erlernen. Wer seine Tiere nicht fachgerecht vor dem Wolf schütze, dürfe keinen Abschuss fordern.
Dringender Handlungsbedarf
Uwe Friedel vom Bund Naturschutz sieht das etwas gemäßigter. In seinen Augen sei es nötig aufeinander zuzugehen. Man müsse sich mehr Mühe geben beim Herdenschutz. Aber wenn dort die Möglichkeiten erschöpft sind, müsse auch ein Abschuss denkbar sei, so Friedel.
Abschuss sei für ihn dann denkbar, wenn alle Möglichkeiten zum Herdenschutz ausgereizt wurden. Einig sind sich beide Parteien, dass man bald eine gemeinsame Lösung finden muss. Laut Uwe Friedel werden die Wölfe kommen. Das Problem werde eher größer als kleiner. Auch Landwirt Sepp Grasegger betont, es sei fünf nach zwölf. Man müsse dringend handeln, sonst stehe der Almbetrieb vor dem Aus.
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