Mitte November steht Emanuel von Oy auf einer Fähre. Neben ihm liegt ein acht Meter langer Christbaum. Das Ziel: die Fraueninsel im Chiemsee. Von Oy organisiert den Christkindlmarkt auf der Insel, und will den Baum heute aufstellen. Dabei stand der Markt nach über zwanzig Jahren vor dem Aus.
Der Christkindlmarkt: Beliebt und trotzdem vor dem Aus
Die Marktgemeinde Prien hatte vergangenes Jahr mitgeteilt, den Markt nicht weiterführen zu wollen. Die Logistik auf der Insel sei zu aufwendig, die Inflation zu hoch. Am Ende stand ein Verlust von über 60.000 Euro. Doch die Insel wollte ihren Markt nicht kampflos aufgeben. Bürgermeister Armin Krämmer (Freie Wählergemeinschaft) suchte einen neuen Veranstalter. Der 32-jährige Emanuel von Oy wollte es machen, trotz des finanziellen Verlusts vom Vorjahr.
"Ich habe schon schlaflose Nächte, weil ich diverse Dinge im Kopf dann noch mal durchgehe: Passt das so? Gibt’s da vielleicht noch eine bessere Lösung?", sagt von Oy. Nervös sei er deswegen aber nicht. "Ich weiß, ich habe ein gutes und großes Team, das hinter mir steht. Und es wird immer Dinge geben, die nicht zu hundert Prozent klappen. Aber das gehört einfach dazu."
Finanzielle Situation "sehr angespannt"
In rund 80 Buden bieten die Aussteller ihre Waren auf dem Markt an. Von Schmuck über Lebkuchen bis zur Fischsemmel. Die Regionalität sei besonders wichtig, sagt von Oy.
Den Baum bringt die Fähre. Er wurde von einem Baumarkt aus Wasserburg gesponsert. Von Oy ist über jede Unterstützung dankbar, denn die finanzielle Lage sei schon sehr angespannt, sagt er. Die Haupteinnahmen für den Veranstalter kommen aus Sponsoring-Verträgen und den Standgebühren der Aussteller. Das gibt etwas finanzielle Sicherheit. Emanuel von Oy wird von seiner Familie unterstützt. Und auch die Einwohnerinnen und Einwohner packen mit an. "Es ist echt toll, dass hier alle so zusammenhalten. Gerade die Insulaner, die Gastronomen. Wenn die merken, wir brauchen irgendwas, kommen sie her und sagen: Kann man dir helfen?", erzählt von Oy.
Insellage: Schön, aber anspruchsvoll
Dabei erschwert die Insellage die Logistik. Der Christbaum wird auf einen Damm gebracht. Dort soll er aufgestellt werden. Doch der Stapler ist kaputt. Einen neuen herbeizuschaffen wäre zu kompliziert; das Team um Oy improvisiert. Jede Bude und jede Glühwein-Tasse muss per Fähre hinüber geschafft werden. Die Witterung ist rau, beim Aufstellen des Christbaums pfeift ein kalter Ostwind. Die Aufbau-Arbeiten verzögern sich. Denn den Baum auf dem unebenen und schmalen Damm aufzustellen, ist gar nicht so einfach.
Kleine Insel, großer Andrang
Während der Baum aufgestellt wird, verlegen die Elektriker die letzten Kabel. Ein neues Lichtkonzept soll die Insel zum Leuchten bringen und dafür sorgen, dass sich die Leute besser verteilen, damit sich nirgendwo ein Stau bildet. Wichtig bei so vielen Besuchern. Zuletzt kamen zum Christkindlmarkt rund 40.000 Menschen auf die Insel, auf der sonst gerade einmal 200 Einwohnerinnen und Einwohner leben.
Nicht alle Anwohner seien froh über den Markt, sagt Oy: "Es gibt natürlich immer ein paar Anwohner, die sagen, ihnen wäre es lieber, wenn einfach Ruhe ist. Das verstehen wir auch voll und ganz. Wir suchen aber mit jedem das Wort."
70 Anrufe pro Tag
Emanuel von Oy hat Erfahrung. Zuletzt hat er einen irischen Weihnachtsmarkt in Rott am Inn organisiert, mit etwa 8.000 Besucherinnen und Besuchern pro Wochenende. Die Organisation des Marktes auf der Fraueninsel ist aber deutlich anspruchsvoller. Von Oy deutet auf sein Handy: In den letzten Wochen habe er im Durchschnitt 70 Anrufe bekommen - pro Tag. Wenn alles gut funktioniert, möchte von Oy den Markt im nächsten Jahr weiterbetreiben.
Nach etwa drei Stunden steht der Baum: Mit vereinten Kräften wird er schließlich angespitzt, liegend ins Fundament gesteckt. Dann wird das 1,5 Tonnen schwere Fundament gekippt, und der Baum steht. Der Christkindlmarkt hat die beiden ersten Adventswochenenden jeweils von Donnerstag bis Sonntag geöffnet.
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