Zu viel Essen ist nicht nur an Weihnachten ein Problem, das die Lebensmittelverschwendung in die Höhe treibt.
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Zu viel Essen ist nicht nur an Weihnachten ein Problem, das die Lebensmittelverschwendung in die Höhe treibt.

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Weihnachtsvöllerei: Beitrag zur Lebensmittelverschwendung?

Weihnachtsvöllerei: Beitrag zur Lebensmittelverschwendung?

Adventszeit und Weihnachten bedeuten häufig viel Essen – teils so viel, dass nicht alles gegessen wird. Dabei ist Lebensmittelverschwendung ein Dauerthema, dem Politik und Einzelhandel den Kampf angesagt haben. Gelingt das auch in der Weihnachtszeit?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Deutschlandweit knapp elf Millionen Tonnen: So viele Lebensmittel landeten laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im jüngsten Erhebungsjahr 2022 im Müll. Und die Advents- und Weihnachtszeit trägt ihren Teil dazu bei, sagt Ernährungs-Expertin Anja Schwengel-Exner von der bayerischen Verbraucherzentrale: "Gerade zu den Feiertagen wird ja häufig sehr viel eingekauft, weil man nicht dastehen möchte und zu wenig für die Gäste zuhause hat."

Vorsorglich Gefriertruhe und Behältnisse für Gäste freischaffen

Da sei es ratsam, vorsorglich Platz in der Gefriertruhe zu schaffen, um Übriggebliebenes einfrieren zu können statt wegschmeißen zu müssen. Oder Behältnisse für die Gäste bereitzuhalten, damit sie sich am nächsten Tag darüber freuen können. "Also wir haben natürlich selbst auch das Heft des Handelns in der Hand", sagt Schwengel-Exner.

Das habe der einzelne auch beim Einkauf, bei dem man den Einzelhandel darin unterstützen könne, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren: Ein Mittel der Wahl in Supermärkten ist es beispielsweise, Ware mit baldigem Ablaufdatum rabattiert anzubieten, damit Kunden trotzdem – oder gerade deshalb – zuschlagen. "Für meinen Milchreis heute kann ich auch die Milch kaufen, die morgen abläuft", sagt Schwengel-Exner.

Lebensmittelrettung bei Aldi, Lidl und Co. von "gut zu weniger gut"

Via Rabatt Lebensmittel, die bald verderben, vor der Tonne zu retten, ist eine der Strategien, mit denen 14 Unternehmen ihre Lebensmittelabfälle bis 2030 um 50 Prozent verringern wollen. Das ist das Ziel des Paktes gegen Lebensmittelverschwendung von Bundesregierung und 14 Supermärkten von Mitte 2023, darunter auch die beiden umsatzstärksten Discounter Aldi Süd und Lidl.

Anfang Dezember hat das Braunschweiger Thünen Institut für Marktanalyse einen ersten Zwischenbericht vorgelegt: Demnach verringerten die teilnehmenden 14 Unternehmen ihren Lebensmittelabfall im Jahr 2023 um 24 Prozent. Es ist allerdings ein Mittelwert, die einzelnen Supermärkte und Discounter haben dem Institut ihre Daten "unter Geheimhaltungsvoraussetzungen" bereitgestellt, erklärt Thomas Schmidt vom Thünen Institut auf BR-Anfrage.

Ob Aldi Süd, Lidl oder ein anderes der 14 teilnehmenden Lebensmittelunternehmen besonders gut beziehungsweise schlecht ist im Lebensmittelretten, bleibt also offen. Thomas Schmidt zufolge sei es aber durchaus so, "dass es eine sehr große Spannweite gibt von gut zu weniger gut".

Privathaushalte verschwenden am meisten Lebensmittel

Laut Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft machen Lebensmittelabfälle im Einzelhandel aber nur einen geringen Anteil aus – im Vergleich zum Abfall von Endverbrauchern. "Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht mit 58 Prozent (6,3 Mio. Tonnen) in privaten Haushalten", heißt es zu den knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittelausschuss im Jahr 2022.

💬 Unter anderem BR24-User "Maybach" hat in den Kommentaren zu bedenken gegeben, welche Essensreste genau in die Statistik der weggeworfenen Lebensmittel miteinfließen. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

Dazu gehören laut Ministerium übrig gebliebene Speisereste und nicht verkaufte Lebensmittel, aber zum Beispiel auch nicht essbare Bestandteile wie Nuss- und Obstschalen, Strünke und Blätter, Kaffeesatz oder Knochen. Im Abwasser entsorgte Lebensmittel oder Verluste, die vor oder während der Ernste beziehungsweise Schlachtung entstehen, werden ebenfalls nicht erfasst. Lebensmittelabfälle entstünden entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette. "Ein Teil davon ist vermeidbar", heißt es auf der Webseite (externer Link). 💬

Staatsregierung: "Staatlicher Eingriff nicht angezeigt"

Auch wenn viele Abfälle in privaten Haushalten anfallen: Für Verbraucher-Expertin Anja Schwengel-Exner wäre es ein guter Schritt, wenn sich auch Supermärkte und Discounter bei einer App wie "Too good to go" beteiligten. Die aus Kopenhagen stammende, für Nutzer kostenlose App, ist seit neun Jahren auch flächendeckend in Deutschland verfügbar. Dort bieten Restaurants und sonstige Frischwarenhändler überschüssige Ware zu günstigen Preisen an. In einem beliebig vergrößerbaren Radius sehen Nutzer auf einer Karte, was wo zu welchem Preis gekauft werden kann. Allein in Bayern beteiligen sich mehr als 3.000 Einzelhändler, angebotsbedingt freilich mehr in den Städten als auf dem Land – im Advent jedoch vereinzelt sogar Weihnachtsmärkte.

Anja Schwengel-Exner hielte es sogar für eine Lösung, dass Supermärkte und Discounter von Rechts wegen verpflichtet werden, sich an der App zu beteiligen. Demgegenüber heißt es seitens des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, "dass die Akteure des Lebensmittelsystems selbst am besten dazu in der Lage sind, über Art und Weise sowie Mengen von Lebensmittelspenden oder -abgaben in Zusammenarbeit mit den Empfängern zu entscheiden". Ein "staatlicher Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktakteure" sei "nicht angezeigt".

Regionale Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung

Einstweilen gibt es aber auch regionale Initiativen, die gegen Lebensmittelverschwendung angehen: In Würzburg bietet Frischmarkt-Betreiber Marco Trabold im Rahmen seiner Aktion "Blind Date" Obst und Gemüse mit kleinen Makeln zu stark reduzierten Preisen an. In München-Neuperlach zeigt die "Community Kitchen", dass Lebensmittelrettung auch kulinarisch funktioniert. Hier werden Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf stehen, zu frischen Mahlzeiten verarbeitet.

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