Lange haben sie geschwiegen. Jetzt haben die beiden Angeklagten aus Bad Grönenbach (Lkr. Unterallgäu) im ersten Prozess um den sogenannten Allgäuer Tierschutzskandal vor dem Landgericht Memmingen weitgehende Geständnisse abgelegt.
68-Jähriger gesteht häufiges Ignorieren der Zustände
Der 68-jährige ehemalige Rinderhalter ließ über seinen Verteidiger erklären, das Wohl seines Viehs sei ihm nicht gleichgültig gewesen. Er bedauere das Leiden und die Schmerzen der Tiere und dass er, obwohl ihm die Zustände in seinen Ställen bewusst gewesen seien, oft nicht die erforderlichen Schritte unternommen habe und etwa keinen Tierarzt zu einem kranken Tier gerufen habe.
Geständiger 25-Jähriger will Rinderhaltung aufgeben
Ähnlich erklärte sich sein 25-jähriger Sohn über seinen Anwalt zur überwiegenden Zahl der Vorwürfe. Für sein Handeln wolle er Verantwortung nehmen und auch beruflich die Konsequenzen ziehen: Eine verbliebene Hofstelle mit Rinderhaltung beabsichtige er aufzugeben.
Leiden der Rinder durch Filmaufnahmen aufgedeckt
Den beiden wird vorgeworfen, in insgesamt 54 Fällen Rinder in mehreren Betrieben im Unter- und im Oberallgäu, vor allem Kälber, nicht ausreichend versorgt zu haben, so dass diese über einen längeren Zeitraum leiden mussten. Die Zustände waren 2019 durch Aufnahmen versteckter Kameras von Tierschützern ans Licht gekommen. Nach Kontrollen auf den Höfen der Angeklagten mussten einige stark verwahrloste Tiere notgeschlachtet werden.
Angeklagte: Überforderung führte zu desolater Lage
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Die Versäumnisse begründeten beide mit einer massiven Überforderung. Sie hätten zu viele Kälber bei sich aufgenommen, die aufgrund der grassierenden Blauzungenkrankheit günstig zu haben gewesen seien und hätten dabei die eigenen Kapazitäten überschätzt. Hinzugekommen sei, dass sehr viele Tiere erkrankten, weil die zugekauften Kälber Krankheitserreger mit in die Stallungen gebracht hätten. Hinzu kam noch die Kündigung eines Vollzeitmitarbeiters, der nicht zu ersetzen gewesen sei.
Es sei ihm alles "über den Kopf gewachsen", hieß es in der Erklärung des Vaters. Die mediale Berichterstattung über den "Tierskandal" habe zusätzlich zu seiner Überforderung beigetragen und dazu, dass man die Zustände nicht schneller habe abstellen können.
Bei Verurteilung drohen Geld- oder Haftstrafen
Wegen der mutmaßlichen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz drohen den Angeklagten Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Gefängnis. Hinzukommen könnten Strafen für weitere Anklagepunkte wie die unsachgemäße Entsorgung von Bauschutt in einer Kiesgrube und nicht ordnungsgemäß abgeführte Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte.
Dass die Angeklagten die Vorwürfe gegen sie nun weitestgehend eingeräumt haben, könnte sich laut einem Gerichtssprecher strafmildernd auswirken. Des Weiteren könnte den Angeklagten zugutekommen, dass die ihnen vorgeworfenen Taten schon drei Jahre zurückliegen. In so einem Fall falle das Urteil üblicherweise milder aus, so der Gerichtssprecher weiter.
Prozess hatte sich verzögert
Ein Hauptgrund für die lange Zeitspanne zwischen Tat und Prozess war eine ungewöhnliche Häufung von Morden und anderen Kapitalverbrechen, die am Landgericht Memmingen als Haftsachen zuletzt bevorzugt verhandelt werden mussten. Dadurch hatte sich der Beginn des Tierschutzprozesses immer weiter verzögert.
Urteil soll im November fallen
Die Beweisaufnahme wurde im Anschluss an die Erklärung der Verteidigung fortgesetzt. In welchem Umfang weitere Verhandlungstage und Zeugenvernehmungen angesetzt werden, will das Gericht in der kommenden Woche bekannt geben. Das Urteil wird im November erwartet.
Zwei weitere, noch größere Milchviehhalter sind ebenfalls von den Enthüllungen im Zuge des "Allgäuer Tierschutzskandals" betroffen. Mit den Prozessen gegen die beiden - ebenfalls in Bad Grönenbach im Unterallgäu ansässigen - Landwirte ist laut dem Gerichtssprecher aber erst im Laufe des nächsten Jahres zu rechnen.