Es ist noch stockdunkel. Doch das hält Willi Mehler aus Herzogenaurach nicht davon ab, in den Garten zu seiner Niederschlagsmessstation zu gehen, so wie jeden Tag seit 44 Jahren. Bei Wind und Wetter, manchmal sogar noch im Schlafanzug. Der Metallbehälter mit einem kleinen Trichter fängt den Regen auf. Der muss jeden Tag um dieselbe Zeit in einen geeichten Messbehälter umgefüllt und dokumentiert werden.
Heute sind es 4,6 Liter pro Quadratmeter Regen, die binnen eines Tages in Herzogenaurach gefallen sind. "Das ist normal", meint Wetterbeobachter Willi Mehler, "war ja kein Gewitter, kein Sturm, gar nix."
Geeignete Standorte für Wetter-Messtationen werden seltener
Der Weg zur Messstelle in seinem Garten ist für den 84-Jährigen inzwischen weit und unwegsam. Mit Krücken und Rollator sind die gut sieben Meter für ihn eine richtige Aufgabe. Doch der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat ein klares Regelwerk für den Standort seiner Messstationen. Im Umkreis von fünf Metern dürfen keine Gebäude und keine Pflanzen stehen, denn sie könnten Regen oder Schnee abschirmen oder ablenken und so die Messergebnisse verfälschen, erklärt DWD-Sprecherin Gertrud Nöth.
Zwei Mal hätten die verantwortlichen DWD-Betreuer Willi Mehler besucht, um das zu überprüfen, "die nehmen das sehr genau", so Nöth. Allerdings seien vergleichbare Grundstücke wie das in Herzogenaurach inzwischen eine Rarität. Immer mehr und immer dichtere Bebauung machten es den willigen Ehrenamtlichen schwer. Damit gingen aber der Behörde wichtige Daten verloren.
Daten der Wetterbeobachter dringend gebraucht
Gewitter, Hochwasser, Schnee und Hitze – all das wird von 400 Standorten in Bayern inzwischen digital an die Behörde weitergegeben. Auch der 84-jährige Willi Mehler hat vor neun Jahren vom Wettertagebuch und der Telefonmitteilung auf die Onlineübermittlung seiner Messungen umgestellt. Diese Daten, sagt DWD-Sprecherin Gertrud Nöth, seien nicht nur wichtig für Meteorologen zum aktuellen Abgleich und zur Wetter-Prognose.
Analysen werden auch an die Kommunen weitergegeben, damit diese gerade nach Starkregenereignissen für eine Anpassung im Kanalsystem oder für Rückhaltebecken etwa in Kläranlagen sorgen können. Also eine Handlungsempfehlung für künftige Unwetter. Auch Versicherungen interessieren sich sehr für die Daten der ehrenamtlichen Wetterbeobachter, um zu prüfen, ob etwa Schäden wirklich durch ein Wetterereignis entstanden sind.
Unwetter forderte drei Menschenleben
Nach einem verheerenden Unwetter im Sommer 1992 etwa haben Versicherungen tagelang bei Willi Mehler angerufen. Da sei es vor allem um die zu zahlenden Schäden gegangen, erinnert sich der heute 84-Jährige. Damals sei in Herzogenaurach eine schwarze Wolkenfront aufgezogen. Orkanböen mit Hagel tobten, binnen Stunden fielen 100 Liter Regen. In kürzester Zeit seien die Straßen überflutet gewesen – sämtliche Keller in der Stadt liefen voll.
Wegen der besonderen geografischen Lage und der vollgelaufenen Fischweiher sei das Wasser aus allen Richtung geströmt. Drei Menschen starben in dieser Nacht. Willi Mehler hielt dieses Unwetter sprichwörtlich die ganze Nacht auf den Beinen. Nahezu im Stundentakt habe er damals seine Daten an den Deutschen Wetterdienst durchgegeben, erzählt er.
Willi Mehler: Zuverlässiger Wettermelder seit 44 Jahren
Akribisch trägt der 84-jährige die aktuellen Daten in ein Wettertagebuch ein. Seit 1978 vermerkt der einstige Facharbeiter für Kläranlagen auch, ob‘s gehagelt oder geschneit hat und wie nass der Boden ist – und tut das immer noch, obwohl er schon außer Dienst ist. Aber ein Nachfolger ist im Moment noch nicht in Sicht.
Sohn Wolfgang ist zwar stolz auf seinen Papa. Übernehmen möchte er aber nicht. Ehrenamtlicher Wettermelder zu sein sei auch eine Berufung, sagt Wolfgang Mehler bewundernd. "Das muss jeden Tag gemacht werden, ob das jetzt am Wochenende ist oder nach einer durchzechten Nacht." Doch ein solch ehrenamtlicher Einsatz wird auch belohnt: Vor einigen Jahren erhielt Willi Mehler das Bundesverdienstkreuz.
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