Menschen gedenken der Opfer von Murnau
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Wie Ukrainer und Russen mit der Tat von Murnau umgehen

Wie Ukrainer und Russen mit der Tat von Murnau umgehen

Hatte der Russe, der zwei Ukrainer in Murnau getötet haben soll, politische Motive? Die Unsicherheit unter Ukrainern in Bayern ist groß. Das bereits jetzt schwierige Zusammenleben zwischen Ukrainern und Russen in Bayern wird dadurch nicht einfacher.

Da ist vor allem erst mal Angst, wenn er jemanden Russisch sprechen hört, erzählt der ukrainische Schauspieler Yevgen Bondarskyy. Dann werde er immer nervös, auch wenn er gar nicht so genau beschreiben kann, warum. Die Ermordung der beiden ukrainischen Soldaten in Murnau, mutmaßlich durch einen Russen, hat ihn jetzt erneut verunsichert. Seit ein paar Jahren lebt der gebürtige Ukrainer mit seiner Familie in der Nähe von München. Wie schwierig das Verhältnis zwischen Ukrainern und Russen auch abseits des Krieges in Deutschland ist, hat er selbst als Schauspieler thematisiert.

Auseinander statt Miteinander

Vor wenigen Monaten beim ukrainisch-russischen Theaterprojekt "Ха́та" an den Münchner Kammerspielen spielten Russen und Ukrainer zusammen Theater. Aber sie standen nacheinander, nicht miteinander auf der Bühne. Die beiden Gruppen mieden sich, es gab keinen Kontakt – so weit hat der Krieg selbst den Umgang zwischen ukrainischen und russischen Künstlern in Deutschland vergiftet.

Persönliche Attacken von Russen auf ihn als Ukrainer habe er aber noch nicht erlebt. Bis auf ein unangenehmes Erlebnis vor einem Jahr, das aber nicht klar einzuordnen ist: Ein Auto mit einem russischen Symbol auf der Rückscheibe habe ihn absichtlich beim Überholen auf der Autobahn geschnitten. Yevgen Bondarskyy fuhr damals ein Auto mit einem ukrainischen Kennzeichen und musste abrupt abbremsen. Er glaubt, dass sein ukrainisches Kennzeichen der Grund für das aggressive Manöver des anderen Autofahrers war.

Ukrainischer Stand bei Stadtfest in Kempten bespuckt

Lena Knitz, die seit 1997 in Deutschland wohnt und Vorsitzende des Ukrainischen Vereins Kempten ist, hat selbst auch einen Vorfall erlebt. Ein russischsprachiger Passant beschimpfte und bespuckte sie, als sie mit ihrem Verein mit einem Stand am Kemptener Stadtfest teilnahm, erzählt sie. Vorfälle wie diese kursieren in der ukrainischen Community. Jetzt, nach der Tat in Murnau, ist die Verunsicherung noch größer.

Auch bei Natalia Laib. Die gebürtige Ukrainerin setzt sich im deutsch-ukrainischen Hilfsverein Kolos e.V. im Landkreis Altötting für ihre geflüchteten Landsleute ein. "Es ist erschreckend, dass so etwas auf offener Straße passieren kann", sagt sie. "Wenn man sich offenkundig für die Ukraine einsetzt, so wie ich, weiß man nicht, was das im anderen auslöst." Persönlich hat sie aber noch keine Anfeindungen erlebt. Und ihr ist wichtig zu betonen, dass auch russischstämmige Menschen ihren Verein unterstützen.

Russen und Ukrainer meiden sich

Einige russischstämmige Bekannte, die sie früher hatte, haben sich seit Kriegsbeginn aber von ihr abgewandt, erzählt Nataila Laib. Da sei jetzt eine gewisse Distanz da, es gebe keine Provokationen, eher Schweigen. Und den Krieg thematisiere man nicht.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Peter Hilkes gemacht. Er kennt beide Seiten, die ukrainische und die russische. Hilkes hat Projekte für die "Landsmannschaft der Deutschen aus Russland" betreut und arbeitet für die "Ukrainische Freie Universität" in München. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Viele Russischstämmige, die aus der ehemaligen Sowjetunion kommen, unterstützen Putin, so Peter Hilkes. Der Krieg in der Ukraine sei aber ein Tabu-Thema. Keiner wolle darüber reden. In den vergangenen Jahren seien deshalb auch viele Kontakte zwischen Familien und Freunden zerbrochen. "Höchstens wenn Alkohol im Spiel ist, dann kann das schon mal hochkochen", so Hilkes Erfahrung. Dann sagten die Leute Dinge, die sie sonst nicht sagen würden. Vorfälle, bei denen wie jetzt in Murnau Gewalt im Spiel war, habe er aber noch nicht erlebt.

Kaum Zahlen zu Spannungen und Gewalttaten

Die Spannungen zwischen Ukrainern und Russen in Deutschland sind bisher kaum statistisch erfasst. Laut Bayerischem Landeskriminalamt ereigneten sich aber im Bereich der Gewaltkriminalität 2023 mehr Fälle als 2020. Die Taten blieben dabei im einstelligen Bereich. Bei Gewaltkriminalität mit ukrainischen Opfern und russischen Tatverdächtigen waren es drei Fälle in 2020 und sieben in 2023. Bei ukrainischen Tatverdächtigen und russischen Opfern stieg die Zahl von zwei Fällen in 2020 auf sieben Fälle.

Auch im Bereich der vorsätzlichen leichten Körperverletzungen stiegen die Fälle, laut der Antwort auf BR-Anfrage, zwischen 2020 und 2023: bei russischen Tatverdächtigen und ukrainischen Opfern von drei auf zwölf. Bei ukrainischen Tatverdächtigen und russischen Opfern von eins auf elf. Eine Einordnung zu den Zahlen gibt es vom Bayerischen Landeskriminalamt nicht. Eine Erklärung für die steigenden Zahlen dürfte sein, dass mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 viele Ukrainer nach Bayern flüchteten.

Weder dem bayerischen Sozialministerium noch dem Kultusministerium liegen Informationen vor, dass es hierzulande im Miteinander von Russen und Ukrainern Probleme gibt, heißt es auf BR24-Anfrage.

Vorfälle hat man auch beim Schulamt der Stadt München nicht registriert. Am Anfang des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine habe es aber Konflikte zwischen Kindern mit russischen Wurzeln und Flüchtlingskindern aus der Ukraine gegeben; das sei aber nun nicht mehr der Fall.

Warnung vor Pauschalverurteilung von Russen

Sergej Prokopkin, der als Aktivist gegen Antislawismus vorgeht, warnt davor, Russen pauschal abzustempeln. Er ist selbst in Russland geboren und als Teenager nach Deutschland gekommen. Der Begriff "Russe" sei schon schwierig. Tatsächlich handelt es sich bei der Gruppe der Russisch Sprechenden in Deutschland um keine homogene Gruppe. Seit dem Ende der Sowjetunion kamen Tausende Russlanddeutsche als Spätaussiedler nach Deutschland. Als Kontingentflüchtlinge folgte eine weitere Gruppe, nämlich Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Und dann gibt es natürlich ethnische Russen, die hier leben. Auch unter den Flüchtlingen aus der Ukraine gibt es Russen. Sergej Prokopkin ärgert sich über Pauschalisierungen und Vorurteile: Viele Menschen, die Russisch sprechen, kämen aktuell in Erklärungsnot. Auch Politiker und Medien trügen hier eine Mitschuld. Hier würden Feindbilder aufgebaut, die Hass schürten. Sergej Prokopkin wünscht sich stattdessen, dass Desinformation und Propaganda von Seiten des Kremls eingedämmt werden sollten.

Das wünscht sich auch die gebürtige Ukrainerin Lena Knitz vom Ukrainischen Verein Kempten, deren Stand beim Stadtfest bespuckt wurde. "Es ist wichtig, dass in Deutschland mehr gegen russische Propaganda in den sozialen Medien und Netzwerken unternommen wird." In ihrem persönlichen Umfeld habe sie vor allem mit Russlanddeutschen zu tun. Hier spiele vor allem der Bildungsgrad eine Rolle. Wer informiert ist, vertrete demokratische Ansichten, so Lena Knitz.

Audio: Gedenkgottesdienst für getötete Ukrainer am Donnerstag

Murnau: Blumen und Plakate ehren die Opfer
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Murnau: Blumen und Plakate ehren die Opfer

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